Das fällt wie Schuppan aus den Haaren

Das gefühlt unwirklichste Dynamo-Pokalaus aller Zeiten

Eine Nacht darüber geschlafen, morgens aufgewacht, gezwickt, Pokalergebnisse im Netz gecheckt – und wirklich: Da steht noch immer ein 0:1. Die Leserschaft dieser Kolumne weiß, dass ich bei Niederlagen hadere, aber letztendlich damit leben kann (und muss). Aber das gestern? Das ist schon eine besondere Aufgabe für die Verarbeitungsbereiche des Gehirns und des Magens. Hat vielleicht einer wie Reinhard Häfner gefehlt? Des leider verstorbenen Kreiselkönigs wurde vor Spielbeginn gedacht und Dynamo trug Trauerflor am Arm.

Halbzeit eins: Warum steht das hier nicht 3:0?

Okay, war ja klar. Pascal Testroet, der Mann mit Bielefelder Historie steht in der Startelf. Und was wurde nicht darüber gefaselt, dass er eine ähnliche Geschichte schreiben könnte wie Stefan Kutschke gegen die Brause-Elf. Und dieses ganze Gerede wurde dann in einen Rucksack gepackt, dem man dem Paco dann auf den Rücken geschnallt hat. War wohl etwa 180 Kilo schwer. Mindestens. Denn wie ist es sonst zu erklären, dass der Mann in Minute 5 komplett frei vor Ex-Dynamo-Keeper Hesl dem Mann in die Arme schießt, statt überlegt abzuschließen? Und das war nur die erste von mindestens fünf hochkarätigen Dingern, die der Stürmer in diesem Spiel vergab. Fußballgott? Heute nicht. Wir verzichten deshalb auf die minutiöse Aufzählung der Tormöglichkeiten bis zum Pfostenschuss kurz vor der Pause – sonst stellen sich gleich wieder Bauchscmerzen ein.

Dabei ist auch sonst alles da, was auf einen Sieg hätte hindeuten können: komplette Feldüberlegenheit, Ballsicherheit, defensive Kompaktheit, hier und da sogar Tikitaka-Einlagen im Viereck Hauptmann-Teixeira-Gogia-Aosman. Und überhaupt: dieser Hauptmann wieder. Eine wilde Mischung aus Lumpi und Terkerci (an seinen besten Tagen) – immer rennen, gierig nach jedem Ball, noch im Liegen den Pass spielen, unberechenbar im Vorwärtsgang. Eine Freude, der junge Mann!

Und sonst so? Am 16er der Bielefelder ging das Gewackel los: zu wenig Bewegung, zu wenig Entschlossenheit, zu wenig Durchsetzungskraft. Und dann kommt auch noch Pech dazu.

Zur Halbzeit war ich zwiegespalten: Einerseits sieht das durchaus so aus, als würde hier noch der Treffer fallen. Andererseits hatten wir schon solche Spiele, in denen der Gegener nur einmal vor dem Tor auftaucht, und dann ... Und es beschleicht einen schon die Frage: Warum steht das hier nicht 3:0?

Halbzeit zwei: Pleiten, Pech und Pannen

Wir machen es heute mal kurz: Es setzte sich alles so fort wie in Halbzeit eins – bis zur 66. Minute. Da ging es einmal pfeilschnell in die falsche Richtung, und dieser Pfeil traf mitten ins Herz. Nach einem Ballverlust im gegnerischen Strafraum reichen zwei Pässe um ganz Dresden zu überspielen, Christoph Hemlein geht auf und davon, Aias Aosman kann nur hinterher hecheln und so schiebt der DSCler am Ende überlegt an Marvin Schwäbe vorbei ins Tor. „Geht ja gar nicht“, würde Heinz Strunk sagen.

Kurz danach kommt Stefan Kutschke für Aosman, was dazu führt, dass vorn auf einmal Kopfballduelle gewonnen werden. Aber am Ergebnis ändert das nichts mehr. Klar: noch einmal Pfosten, Schuss von der Linie gekratzt, Ball aus dem Winkel geköpft, Elfmeter nicht gegeben und und und. Am Ende steht die Null auf der Heimseite. Pleiten, Pech und Pannen hieß das offensive Motto heute.

Am Ende bleibt maßlose Enttäuschung und die Erkenntnis, dass sich Dresden weiterhin schwer damit tut, gegen Mannschaften zu gewinnen, die vermeintlich schwächer sind. Das nun wiederum kann ja Hoffnung machen auf der Freitagsspiel gegen Braunschweig.

Aber es bleibt natürlich noch eine entscheidende Frage: Wie kann man gegen ein Team verlieren, das aus einer Stadt kommt, die es gar nicht gibt? Da fällt es einem doch wie Schuppan aus den Haaren!
Uwe Stuhrberg

Dynamo Dresden vs. Arminia Bielefeld
25. Oktober 2016, Anstoß: 18.30 Uhr
Tor: 0:1 Hemlein (66.)
Dynamo Dresden: Schwäbe, Teixeira, Modica, Ballas, Kreuzer, Hauptmann, Hartmann, Aosman (69. Kutschke), Gogia, Testroet, Stefaniak (77. Berko)
Schiedsrichter: Robert Kampka
Zuschauer: 26.819
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