Die rote Laterne im Schacht angezündet

Auch auf Pauli bekommt Dynamo den Kellerkinder-Blues

Jetzt mal Butter bei die Fische: Das, was die Hamburger Kiezkicker derzeit als Rasen anbieten, hat mit professionellem Fußball nichts, aber auch gar nichts zu tun. Selbst der Dresdner Rumpelrasen vom Dezember letzten Jahres war nicht so schlimm wie dieser norddeutsche Acker. Ebenso unverständlich ist, dass bei Dynamo genau dieses Thema im Vorfeld diskutiert wurde, taktisch daraus aber keinerlei Rückschlüssen gezogen wurden. So siegte am Ende Kampf gegen Spiel.

Halbzeit eins: Hauptmann passt tödlich, Ballas muss passen

Was für ein Gehoppel! Jedes flache Zuspiel benötigt etwa die doppelte Zeit bis zum Ziel, weil der Ball zwischen angebautem Kohlrabi und gesteckten Möhren keinen Speed bekommen kann. Wer aber nun glaubte, Dresden hätte für diese Platzverhältnisse eine besondere Idee, sah sich getäuscht. Denn Dynamo versuchte das gewohnte passreiche Kontrollspiel von hinten heraus auch an diesem Tag zu etablieren, was zirka zehn Minuten auch zu funktionieren schien. Dann übernahm Pauli.

Die Hamburger zogen sich mit purem Willen und Kampfgeist die Partie auf den Tisch, während die Gelbhemden mehr und mehr zum Zuschauer wurden und nichts aus ihrem Ballbesitz machen konnten. Ab und an wurde mal ein Versuch mit dem langen Ball gemacht, aber mehr als Endstation Sehnsucht war nicht zu erkennen. Dafür steht Aziz Bouhaddouz in der 20. goldrichtig mittig vor Schwäbe, kann den Schlussmann aber nicht überwinden. Jetzt geht es los, das Betteln um den Gegentreffer, schießt es einem ins Gehirn.

Aber dann diese 23. Minute. Die SGD hat in dieser Saison noch keinen einzigen Elfer zugesprochen bekommen, und auch der erfahrene Referee Deniz Aytekin belässt es dabei, obwohl es ausreichend Anlass gab, das zu ändern. Denn während über links ein Konter anläuft, tritt Marc Hornschuh dem in den Strafraum stürmenden Erich Berko in die Füße – so deutlich, wie man das nur machen kann. Der Schiedsrichter sieht hier einen normalen Zweikampf, der Mann an der Linie ist offenbar gerade einen Kaffee trinken. Ja ja, ich höre schon die Einwände, dass man eine Niederlage nicht an so etwas festmachen soll, aber wer kann sagen, was passiert, wenn es hier 1:0 für den Gast steht?

Natürlich fällt das Tor dann auf der anderen Seite. In Minute 28 weiß sich Niklaus Hauptmann unweit des eigenen Sechzehners nicht anders zu helfen, als einen Rückpass zu – ja zu wem eigentlich zu spielen? Der eigene Keeper zu weit weg. Giuliano Modicas Laufweg etwas abseitig. Fabian Müller zu spät zur Stelle. Also ersprintet sich Kyoung-Rok Choi das Leder, geht noch ein paar Schritte und bewegt den Ball ins rechte untere Eck. Damit war der Drops eigentlich schon gelutscht. Denn im Rest des Spiels wird sich am Geschehen kaum noch etwas ändern: Pauli fightet, Dynamo will gestalten.

Knapp zehn Minuten nach dem Nackenschlag, muss Florian Ballas runter. Im Ergebnis einer Kampfeinlage gehen der Verteidiger wie auch Marco Hartmann angeknockt zu Boden. Der Kapitän steht wieder auf, Ballas muss mit ausgekugelter Schulter runter, Jannik Müller übernimmt. Am Spiel ändert das nichts. Die Ratlosigkeit in der Dresdner Elf ist greifbar, und man weiß nicht, ob man es gut oder nicht gut finden soll, dass die Halbzeit trotz zweier ausgedehnteer Verletzungspausen nur zwei Minuten Overtime bekommt. Und dann taucht Erich Berko doch noch gefährlich am Paulianer Tor auf, doch der Winkel ist das, was man zu spitz nennt. Durchatmen und hoffen.

Halbzeit zwei: verzettelter Modica, verspäteter Kampfgeist

Nun ja, die gerade angesprochene Hoffnung ist vergebens, denn grundsätzlich ändert sich am Geschehen auf dem „Rasen“ nichts. Also kommt in der 53. Minute Paco Testroet für Lumpi, aber der Wechsel verpufft, der zweite Stürmer hört irgendwie nur: Kein Anschluss zu diesem Spiel. Derweil laufen sich Marvin Stefaniak, Erich Berko und Niklas Hauptmann immer wieder fest, sie lösen sich zu spät vom Ball, wollen mit dem Kopf durch die Wand und verlieren immer wieder den Ball. Stefan Kutschke versinkt mittig in Einsamkeit, wird auch immer wieder hart genommen.

Nach 59 Zeigerumdrehungen lädt dann auch Giuliano Modica zur Wichtelstunde mit Geschenkausgabe. Hoch angepresst befreit er sich eigentlich gut aus einer Eckfahnenbedrängnis, verliert dann aber den Ball, infolge dessen Bouhaddouz den in der Mitte heranfegenden Cenk Sahin anspielt, der freie Bahn vor dem Tor hat und rechts unten einnetzt.

Trainerfuchs Lienen nimmt nun seinen einzigen Stürmer vom Feld, bringt einen dritten Innenverteidiger und spielt nun Fort Knox mit der Hoffnung auf Konterausflüge. Derweil sieht Marco Hartmann eine total unberechtigte gelbe Karte, Aias Aosman kommt für Niklas Hauptmann, aber nichts hilft mehr. Ein richtiges Aufbäumen ist kaum zu sehen, weshalb am Ende eine Niederlage steht, die schon zeitig nicht mehr abwendbar schien – auch, weil Dynamo sehr ausrechenbar und ohne Überraschungsmoment gespielt hat, und Pauli einen genau dafür gemachten Matchplan umgesetzt hat.

Wollen wir nun auf hohem Niveau jammern? Okay, ein bisschen, aber nur weil das menschlich ist. Dass es Niederlagen auch in der Rückrunde geben wird, muss jedem klar sein, nur sah diese eben nicht besonders schön aus. Doch da gibt es im Schlechten auch drei gute Dinge: 1. Diese Mannschaft wird nicht abheben. 2. Platz 6 ist noch immer sehr gut. 3. Im Schacht wurde die berühmte rote Laterne angezündet.

Was noch zu erwähnen wäre: Natürlich gab es wieder ein Banner-Battle – von Dresdner Seite eher kleingeistig „gefickt“, von Hamburger Seite aus politisch extrem geschmacklos, wofür sich St. Pauli noch am Spieltagabend entschuldigt hat. Da wir selbst keine Waisenknaben sind was das betrifft, sollte nicht zu laut nach eine Strafe durch die „Fußballmafia“ gerufen werden, das wird wohl auch so geschehen.
Uwe Stuhrberg

FC St. Pauli vs. Dynamo Dresden
12. Februar 2017, Anstoß: 13.30 Uhr
Tore: 1:2 Choi (28.), 2:0 Sahin (59.)
Dynamo Dresden: Schwäbe, F. Müller, Modica, Ballas (38. J. Müller), Heise, Hartmann, Lumpi (53. Tetroet), Hauptmann  (70. Aosman), Berko, Stefaniak, Kutschke
Ohne Einsatz: Wiegers, Konrad, Teixeira, Kreuzer
Schiedsrichter: Deniz Aytekin
Zuschauer: 29.546
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