Euphoriebremse nicht gefunden

Zwei Torneulinge schießen Dynamo in der Würstchenstadt zum Sieg

Na das ist ja mal deutlich danebengegangen. Da lädt die Führungsetage der Sportgemeinschaft die Presse vor einigen Tagen zum Hintergrundgespräch, um mittels finanzieller Faktenübermittlung auf die limitierten Möglichkeiten des Klubs hinzuweisen. Die Botschaft sollte ein deutlicher Tritt auf die Euphoriebremse sein und überhöhte Erwartungen dämpfen. Und was macht die Mannschaft beim ersten Spiel der Rückrunde? Sie fällt ihren Chefs eiskalt in den Rücken – mit einem Auswärtssieg in Nürnberg und Tabellenplatz 5. Die Hauptschuldigen sind Erich Berko und Neuzugang Heise. Ob die SGD Strafen für die beiden ausspricht, ist noch nicht entschieden.

Halbzeit eins: Fouls, lange Bälle, heißer Heise

Am Anfang war die Härte. Das Ringen um die Oberhand im ersten Rückrundenmatch führte in den ersten 20 Minuten zu einer Vielzahl von Fouls und Nicklichkeiten – mal geahndet, mal nicht. Mangels eines entstehenden Spielflusses flogen lange Bälle hin und her und es stellte sich beim Betrachter der Gedanke ein: „Na das kann ja was werden ...“ Zudem sorgte die Neuhaus-Aufstellung für Aufsehen: Neuzugang Philip Heise startete in der Elf der Beginner, aber auf der anderen Seite fand sich erstaunlicherweise Fabian Müller wieder statt Kreuzer oder Teixeira, wobei Letzterer nicht mal Teil des Kaders war.

Bereits in Minute 13 führte das Hauen und Stechen zum ersten ungeplanten Wechsel bei Schwarz-Gelb. Akagi Gogia wird zweimal zu Boden geschickt und muss raus. Für ihn kommt Niklas Hauptmann, der nur wenige Minuten später zum Helden hätte werden können: Marvin Stefaniak lässt den Ball über 30 Meter direkt in den Fuß des Youngsters fliegen, der im Strafraum nur abziehen muss, es aber nicht tut. Vertan.
Doch dies scheint das Signal für die Spielübernahme durch Dresden. Nur eine Minute nach dem Haupe-Fail gibt es ein Riesengewusel vor dem Nürnberger Tor, aus dem heraus die Hausherren nur mit Glück klären können. Weitere fünf Minuten sind vergangen, da muss es eigentlich klingeln: Lumpi bricht zur Grundlinie durch, spielt nach innen, doch Stefan Kutschke fehlt eine Schuhgröße oder eine Sprintzehntelsekunde, um den Ball ins leere Tor zu spitzeln – nix da mit der Rache am „Eigentümer“.

Und dann passiert es doch: Eine halbe Stunde ist vorbei, da schickt Lumpi den Erich „Das H bleibt stumm“ Berko steil. Eigentlich hat Laszlo Sepsi auf der rechten Außenbahn den besseren Laufweg, doch Berko hat in der Winterpause eine neue Härte an sich entdeckt und holt einen Bodycheck aus seinem Repertoire. Die Zunge zwischen den Zähnen (jetzt nur nicht hinfallen) hat der Mann den Kopf oben und sieht Philip Heise, der, mit Schiffssignalflaggen und Flugzeugrangierschildern winkend, anzeigt: Hierher! Gewünscht, getan: Noch einen Gegner tunnelnd, legt Berko quer auf den Ex-Stuttgarter, der aus Nahdistanz den Ball ins Tor bugsiert.

Zwar hat der FC nach einer reichlichen halben Stunde auch mal eine Situation vor dem Dresdner Kasten, doch Gefahr sieht man nicht aufkommen. Auf der anderen Seite sind es immer wieder die Pässe und Bewegungsabläufe von Stefaniak, die begeistern; sehenswert etwa sein Abspiel mit der Hacke im Liegen an der Seitenlinie in der 35. Minute. Bis zur Pause passiert dann nichts Aufregendes mehr.

Halbzeit zwei: geführt, gezittert, gewonnen

Der Pausenkaffee ist noch zu heiß zum Tasseleeren, da muss man schon wieder aus dem Sitz: Ein langer Ball von Florian Ballas segelt über den halben Platz zu Stafen Kutschke, der per Kopf Richtung Strafraum weiterleitet. Dort lupft der heute wieder wuselige Lumpi das Leder gekonnt mit dem Rücken zum Tor zum Fünfer, wohin reaktionsschnell Erich Berko läuft und mit Gegenpart Laszlo Sepsi schon wieder ein Tänzchen wagt. Und während zwei weitere Clubberer dem Geschehen als interessierte Zuseher beiwohnen, macht der Erich einen Rechtsschwenk und löffelt das Ding zwischen Sepsi und Torwart Kirschbaum in die Maschen. Mit Robustheit zum Erfolg scheint das neue Motto des Flügelflitzers zu sein, der – keine Ahnung, weshalb – immer viel kleiner wirkt, als es seine 1,81 Meter verheißen.

Nürnberg ist nun angeknockt, Dresden kontrolliert. Etwa 20 Minuten lang hat man das Gefühl, dass Dynamo die Franken einschläfern will. Doch das geht nicht lange gut, denn die Würstchenstädter besinnen sich auf ihre kämpferischen Tugenden, zudem muss auch noch Berko (ausgerechnet an seinem Sahnetag) in der 67. Minute ausgewechselt werden – für ihn kommt Niklas Kreuzer.

Zwei sehr gute Chancen lässt das Heimteam nun verstreichen, bis in der 71. der Anschlusstreffer doch noch fällt. Nach einer Kempe-Ecke steht Ballas etwas falsch zu Matavs, der auf das Tor köpft. Zwar holt Marvin Schwäbe alles raus und verhindert den Einschlag – doch was nutzt das, wenn Stefan Kutschke seinen Gegenspieler Mühl im Rücken vergisst? Genau: nichts. Jetzt ist Druck auf dem Gast, kaum noch Befreiung – bis zur 82. Minute. Da geht Hauptmann nach einer abgewehrten FCN-Ecke über den ganzen Platz, während drei weitere Dynamos in der Mitte nach vor stürmen und so  eine 4:1-Situation vor dem Kirschbaum-Strafraum erschaffen. Doch statt flach auf einen Mitläufer zu spielen, entscheidet sich der Niklas für eine Bogenlampe zum am weitesten entfernten Stefaniak. Der braucht dann zu lange, um was draus zu machen und scheitert. Schwarzgelbes Haareraufen allüberall.

Die letzten zehn Minuten geht es hin und her, Marvin Schwäbe ist auf dem Posten, die Verteidigung des knappen Vorsprungs wird nun mit Mann und Maus betrieben, obwohl die ungeplanten frühen Wechsel keine Auffrischung in der Schlussphase mehr ermöglichen. Doch: es reicht. Abpfiff. Auswärtssieg Nummer vier ist eingetütet.

Am kommenden Sonntag geht es dann zu Hause gegen die Eisernen. Und auch um Tabellenplatz 4. Aber das darf man besser nicht sagen, denn irgendwo im Dynamo-Express muss die Euphoriebremse ja zu finden sein. Aber wo?
Uwe Stuhrberg

1. FC Nürnberg vs. Dynamo Dresden
29. Januar 2017, Anstoß: 13.30 Uhr
Tore: 0:1 Heise (31.), 0:2 Berko (46.), 1:2 Mühl (71.)
Dynamo Dresden: Schwäbe, F. Müller, Modica, Ballas, Heise, Hartmann, Lumpi (78. J. Müller), Gogia (13. Hauptmann), Berko (67. Kreuzer), Stefaniak, Kutschke
Ohne Einsatz: Wiegers, Aosman, Konrad, Testroet
Schiedsrichter: Florian Heft
Zuschauer: 35 984
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