Kultur. Toleranz. Neugierde.

Die Jüdische Woche Dresden im 20. Jahr

Wie das so ist mit runden Geburtstagen – da gönnt man sich mal was richtig Großes. Und so hält es auch das Team der Jüdischen Woche um Festivalchefin Valentina Marcenaro: Am Eröffnungstag des 20. Jahrgangs, dem 23. Oktober, hat man sich The Klezmatics eingeladen. Aufspielen werden die New Yorker im Hygiene-Museum, und man sollte sich schleunigst um Tickets kümmern. Denn die Band um den Trompeter Frank London ist weltbrühmt für ihre wilde Kreuzung aus traditionellem Klezmer sowie Jazz, Ska oder Rock; sie gilt quasi als eine der besten Popbands jüdischer Kultur (selbst einen Grammy hat man schon eingefahren). In ihren Konzerten bringen die Musiker zudem gegensätzliche Pole zusammen, etwa chassidische Songs und Stücke aus der revolutionären jüdischen Arbeiterbewegung. Und nicht nur ganz nebenbei geht es oft auch einfach um existenzielle Dinge wie Liebe, Feiern, Alkohol und Geldsorgen. Und nicht zu vergessen: Auch The Klezmatics haben etwas zu feiern, nämlich das 30-jährige Bandbestehen.
Bereits am Nachmittag, ab 15 Uhr, können sich Interessierte im Societaetstheater über die Berliner Graswurzelinitiative »House of One« informieren. Zu Gast bei dem Gespäch sind der Rabbiner Andreas Nachama sowie der Imam Kadir Sanci. Ziel des Projektes ist – wie der Name vermuten lässt – die Schaffung eines interreligiösen Hauses, das eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee beherbergen soll. Ein Konzept, das ganz dem Motto der diesjährigen Woche entspricht: Kultur, Toleranz, Neugierde.

Und wir bleiben im Societaetstheater. Hier ist am 27. Oktober eine Tanzperformance zu erleben, die den provokanten Titel »We Love Arabs« trägt. Zwei Tänzer – Hillel Kogan, isralischer Jude, und Adi Boutrous, palästinensischer Muslim – erzählen gemeinsam die Geschichte eines Choreografen und eines Tänzers, die ein Stück erarbeiten wollen. Hier treffen Parodie auf Ernst, Vorurteile auf Ängste, Lachen auf Schmerz.
Ebenfalls sehr beeindruckend ist die Tanzaufführung »The Voice of Anne Frank« durch die Spitfire Company Prag. Die tschechische Künstlerin Mirenka Cechova bringt dem Publikum die Persönlichkeit der Anne Frank auf eine ganz neue Art nahe. Am 29. Oktober ist das preisgekrönte Stück im Societaetstheater zu sehen.
Musik der Sepharden, also der iberischen Juden, kann man am 30. Oktober in der Jüdischen Gemeinde hören, wenn Momo Djender, Hadass Pal Yardan und das Max Doehlemann Trio zu einer Klangreise unter dem Titel »SemiTones« einladen. Hier entstehen in fünf Sprachen jüdisch-muslimische Klangwelten, und es wird einmal mehr unverständlich, wie all der Hass bei soviel gemeinsamer Vergangenheit entstehen konnte. Gekämpft wird dann allerdings doch noch, aber ausschließlich mit der Kraft des Wortes und um die Gunst des Publikums, wenn am 31. Oktober bei »i,Slam – we,Slam« im Societaetstheater Poetry-Heldinnen und -Helden gegeneinander antreten. Am selben Tag geht es dann auch um die Familie, also die Mischpoke. Ihr widmet sich ein Fest mit Theater, Literatur, Musik, Führungen und jeder Menge Mitmachaktionen in der Gemeinde.

Hingewiesen sei noch auf drei Konzerte: Am 2. November gastiert das Ensemble Lucidarium in der Frauenkirche mit Musik aus dem Mittelalter und der Renaissance, bringt diese aber dann auf einzigartige Weise in unsere Zeit herüber. Unterwegs sind die italienischen Künstler mit einem Programm zum 500. Jahrestag des Ghettos in Venedig und feiern so mit ihrer Musik das Zusammenleben der Kulturen. Aus Schweden wiederum kommen Sirocco, die am 3. November im Societaetstheater Musik aus dem alten Al Andalus mitbringen. Zum Abschluss der Jüdischen Woche gibt es dann das Barcelona Gipsy Balkan Orchestra. Ich hatte das Vergnügen, die Band im letzten Jahr im Blue Note zu erleben, als die Musiker an einem drohenden Off-Day spontan ein Dresden-Konzert spielten. Hier treffen hohes muskantisches Können auf die geballte Kraft jüdischer Musik und die Klänge des Balkans. Großartig!

Und sonst so? Es gibt natürlich die beliebten Sprachkurse und Sprachvorträge, es sind auch wieder verschiedene Spiel- und Dokumentarfilme im Thalia zu sehen. Am 30. September kann man zudem einen Kurs für israelische Tänze im Gemeindehaus besuchen. Das kann nützlich sein, wenn man bei der 21. Jüdischen Woche 2017 eine flotte Sohle aufs Parkett legen will.
Jo Hannstadt

20. Jüdische Woche Dresden
23. Oktober bis 6. November
www.juedische-woche.de