Mit Stefan, Glück und Spucke

Gegen die Fortuna erfährt Dynamo, was ein gewonnener Punkt ist

Ostern ist ein Fest der Familie. Generationen besuchen und treffen sich zur Eiersuche, auf Kaffee und Kuchen, Braten und Bier. Es ist das Familienteffen schlechthin im Frühjahr. Warum können sich DFL, DFB, Polizei und TV-Anstalten nicht darauf einigen, alle Spiele am Sonnabend stattfinden zu lassen? Man möchte nicht wissen, in wie vielen Wohnstuben ostersonntags Stress statt Harmonie herrschte ob der Ansetzungen. Und wenn man es dann noch mit der SG Dynamo Dresden hält, hatte manch einer dicke Luft im Heim wegen eines Spiels, dass zu den unansehnlichsten der Saison gehörte.

Erste Halbzeit: Flaggen, Papier und nicht viel mehr

Das Highlight für die Sportgemeinschaft fand diesmal bereits vor dem Anpfiff statt. Unter großen Emotionen (wenn auch etwas zu langatmig) erfolgte die Enthüllung von großen Porträts der schwarz-gelben Ehrenspielführer, begleitet von einem eindrucksvollen Fahnenmeer im diesmal wieder geöffneten K. Flatternde Kassenrollen umrahmten später zudem das Tor vor dem Ultras-Fanblock. Die Stimmung: bestens.

Auf dem Platz überrascht dagegen die offensichtliche Wunderheilung einiger Spieler, die gerade noch als von Viren niedergestreckt vermeldet wurden: Lumpi und Ballas stehen in der Startelf, Alvarez, Wiegers und Berko sitzen auf der Bank. Erstmals seit langer Zeit von Beginn an spielen darf Akaki Gogia. Also alles besser als befüchtet? Theoretisch: ja. Praktisch: Na ja.

Zwar stürmt Heute-Kapitän Marvin Stefaniak gleich in der ersten Minute in den Ddorfer Strafraum, was kurz hoffen lässt, auch, wenn er es mangels Mitarbeiter in der Nähe nicht gut zu Ende bringt. Wenigstens Ecke. Aber diese wie auch alle folgenden sollten nichts bewirken. Auch die Freistöße nicht. Wie überhaupt von Wirkung jedweder Art kaum die Rede sein kann.

Die Fortuna hingegen, noch immer in Abtiegsgefahr, will hier unbedingt gewinnen. Jeder Weg wird gegangen, jeder Zweikampf geführt als wäre es der letzte. Schon nach sechs Minuten zieht Oliver Fink nach unglücklicher Philip-Heise-Kopfabwehr ab, doch der Schuss schwächelt und Marvin Schwäbe catcht den Ball problemlos. Drei Minuten später möchte man dann nur noch Haareraufen, denn Jannik Müller wird hier zum vierten Mal den selben Fehler machen, der ihm letzten Montag in Braunschweig und im Dezember doppelt in Bielefeld unterlaufen ist. Am eigenen Sechzehner geht er Eins-gegen-Eins, verliert das Duell und der Gegenspieler kann problemlos für große Gefahr sorgen. In diesem Fall kann er nach innen passen, wo ein weiterer Angestellter der Gästeelf frei vor dem dynamische Keeper steht. Säße Modica auf der Bank, hätte ich als Trainer sofort gewechselt. So aber muss man hoffen, dass der Jannik noch am Sonntagabend die Aufgabe bekam, einhundert Mal den Satz zu schreiben: „Als letzter Mann gehe nicht mit dem Ball am Gegenspieler vorbei, wenn ich es nicht kann.“ Man möge mich nicht falsch verstehen: Der J-Müller hat schon gute Partien bestritten, aber einen solchen Patzer sogar in Wochenfrist zu wiederholen, ist entweder mit Leichtsinn oder mangelnder Qualität zu erklären. Ich hoffe auf ersteres. Das Gute im Schlechten: Düsseldorfs Rouwen Hennings kann die Vorlage nicht nutzen, Schwäbe klärt. Aber: Die Rheinländer übernehmen offensiv das Kommando.

Dresden könnte angesichts der überaus guten sportlichen Situation befreit aufspielen, sogar etwas riskieren, lässt aber all das vermissen. Fast möchte man meinen, dass das Aufstiegsgespenst hemmend noch leise in den Köpfen herumschwirrt. Die 95er hingegen haben fast immer zuviel Platz und macht in der 17. Minute Nägel mit Köpfen: Ein flinker Konter landet links außen, von wo Schmitz nach innen flankt, worauf der wiederum glücklose Müller eine Rutschpartie am Ball vorbei zeigt. Zentral hat nun Christian Gartner die Qual der Wahl für den Abschluss, schießt jedoch eigentlich unplatziert, aber Ballas grätscht das Runde unhaltbar links unten ins Tor. Und nur Minuten später zeigt Marvin Schwäbe, warum er heute der beste Mann bei Dynamo ist, als er einen aus Nahdistanz von Ayhan scharf geköpften Ball wegfischt.

Und dann ist sie unerwartet doch da: die Chance auf ein Tor! Ein Pass in die Spitze, diesmal von Gogia, wird mal nicht sofort abgefangen, sondern unfreiwillig in den Lauf von Stefan Kutschke verlängert, doch schon die Ballmitnahme ist unrund, die Vollendung allein vorm Torwart misslingt. Bis auf einen Kreuzer-Versuch bleibt es dabei im ersten Durchgang, während Düsseldorfs Fink kurz vor der Pause statt zum 0:2 nur die Latte trifft. Der Halbzeitpfiff gleicht einer Erlösung.

Zweite Halbzeit: Mit Stefan, Glück und Spucke

Schnell schwindet die Hoffnung auf Besserung des Rasengeschehens. Mal ist Heise zu langsam und holt sich Gelb, dann geht ein Kreuzer-Einwurf direkt zum Gegner, die aber vollkommen überhasten. Das Dynamo-Spiel bleibt fahrig, unkonzentriert, ohne Inspiration und harmlos. Das ändert sich auch nicht, als in der 64. Minute Lumpi und Gogia ihren Arbeitstag beenden und durch Alvarez sowie Berko ersetzt werden. Bezeichnend ist ein Freistoß von Stefaniak aus dem Halbfeld, bei dem der doch so Talentierte den Ball nicht einmal an einer Ein-Mann-Mauer vorbeibekommt.

Erst ab Minute 70 keimt etwas mehr Aufbegehren beim Heimteam, hat Florian Ballas innerhalb kürzester Zeit zwei halbwegs aussichtsreiche Möglichkeiten auf den Ausgleich. Kurz darauf hat Stefaniak seine einzige geniale Aktion im Spiel – ein Mega-Pass über das Feld fliegt zu Erich Berko, der sich aber festläuft. Doch wenn es anruckt, dann ruckt es auch. Dreizehn Zeigerumdrehungen vor dem Ende hat Niklas Kreuzer endlich den richtigen Blick für die Lücke und schickt einen langen Ball flach direkt in den Lauf von Stefan Kutschke. Und als man schon denkt, der Winkel ist zu kurz, da zieht der Schlaks wuchtig ab und erwischt Michael Rensing auf den falschen Fuß. Ja, die kurze Ecke ist des Tormanns Pflicht – dieses Lied wurde am Rhein wohl nicht oft genug gesungen. Und so steht es plötzlich Einszueins.

Kurz keimt die Hoffnung auf ein Heidenheim reloaded. Aber es geht am Ende nur noch nervös hin und her, gelbe Karten werden verteilt, eine für Stefaniak, dem Schwalbenflug unterstellt wird. (Zwar lag da wirklich kein Foul vor, aber im Erahnen des heranfliegenden Gegners ist das Zu-Boden-Gehen auch etwas Selbstschutz.) Es kann jetzt alles passieren, aber eher liegt es in der Luft, dass da nichts mehr geschieht. Das Nachspielzeit-Zittern geht los. Und um ein Haar hätte das Gebibber auch seine Erfüllung gefunden, wenn in letzter Minute Bebou einen scharf getretenen Nach-innen-Pass ins Dresdner Tor gebolzt hätte – doch er verfehlt um Zentimeter. Schluss, aus, vorbei. Mit Stefan, Glück und Spucke wird der eine Punkt eingesackt.

Fazit: 1. Das oben genannte Aufstiegsgespenst hat sich von dannen gemacht. Jetzt kann man wirklich befreit aufspielen, der fünfte Platz scheint momentan kaum in Gefahr. 2. Marco Hartmann ist nicht zu ersetzen – als Eroberer, Taktgeber, Ordner, El Chefe. 3. In einer Aufstiegssaison sind solche Spiele normal, seiner Enttäuschung und Kritik sollte man trotzdem Ausdruck verleihen. 4. Die volle Konzentration gilt ab jetzt der kommenden, wesentlich schwierigeren Saison. Und auf die freuen wir uns jetzt schon.
Uwe Stuhrberg

Dynamo Dresden vs. Fortuna Düsseldorf 16. April 2017, Anstoß: 13.30 Uhr
Tore: 0:1 Gartner (17.), 1:1 Kutschke (77.)
Dynamo Dresden: Schwäbe, Kreuzer, Ballas, J. Müller, Heise, Konrad, Stefaniak, Hauptmann (86. Hilßner), Lumpi (64. Berko), Gogia (64. Alvarez), Kutschke
Ohne Einsatz: Wiegers, F. Müller, Landgraf
Schiedsrichter: Christof Günsch
Zuschauer: 29.297
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