Nichts zu viel, nichts zu wenig

Van Morrison war in der Jungen Garde

Ein einwandfreier Abend, oder jedenfalls sollte es das werden. Der Einstieg mit „Moondance“ verhieß nichts Gutes, das war Jazzgedaddel von der Stange. Doch jede Bühne, jedes Auditorium ist anders, da müssen die Musikanten, seien sie noch so konzerterprobt, erst Tuchfühlung aufnehmen und irgendwie ankommen. Spätestens nach Song Nummer zwei, der kurioserweise „Magic Time“ hieß, war der Bann gebrochen beziehungsweise der Zauber entfesselt, der einen Van Morrison so besonders macht. Herausragend ist der irische Rockveteran immer dann, wenn sich im Spieleifer die Rhythmusmuster seiner Band leicht gegeneinander verschieben und die Melodien darüber manchmal ein wenig vorauseilen und dann wieder gemächlich hinterher mäandern. Und wenn Van Morrison eher laut grübelt als dass er singt, das macht ihm auch so schnell keiner nach!

Überhaupt schien es, als sei der kleine Mann unter seinem Hut und der dunklen Sonnenbrille nur dann lebendig, wenn er ans Gesangsmikrofon treten oder zu Saxofon und Gitarre greifen darf. Zwischendurch stand er wie ein geistesabwesender Oberkellner im größten Restaurantgetümmel auf der Bühne rum. Der Fokus liegt eben völlig auf der Musik, sowas wie eine Bühnenshow oder gar Konversationen mit dem Publikum würden bloß stören.

Einerseits routiniert und temporeich, als ginge es darum, die letzte Straßenbahn zu erwischen, und andererseits beseelt und pfiffig akzentuiert, wurde eigenes Songmaterial wie „Sometimes We Cry“, „Carrying A Torch“ oder „Jackie Wilson Said“ mit Bluesklassikern wie „Baby Please Don’t Go“, „Think Twice Before You Go“ oder „St. James Infirmary“ verwoben. Nach „In The Garden“, für den Sinnsucher Van Morrison ein Markstein, der nach Bekanntschaften mit diversen Heilslehren und Welterklärern seine Rückkehr zu den Urgeistern signalisiert, war pünktlich auf die Minute Schluss. Den Them-Gassenhauer „Gloria“ gab’s noch als Zugabe, wobei sich die fünfköpfige Begleitformation ordentlich in Szene setzen konnte, um schließlich mit dem Eröffnungsmotiv aus Stevie Wonders „Superstition“ buchstäblich das Licht im Saal anzuknipsen.

Wer dann immer noch auf Van Morrisons nochmaliges Erscheinen gehofft hatte, dem war entgangen, dass der Hauptakteur des Spektakels längst in seiner schwarzen Mercedes-Limousine vom Hof gebraust war. Nichts zu viel, nichts zu wenig, ein echter Profi eben.
Bernd Gürtler

Van Morrison
8. September, Freilichtbühne Junge Garde
www.vanmorrison.com