Ohne Grenzen

Das Festival »Tonlagen« begreift zeitgenössische Musik allumfassend

Rockmusiker, die Sinfonien schreiben, Stars der Elektronik-Szene, die weltweit die Clubs bespielen, Zen-Funk-Jazzer, die sich auf György Ligeti berufen: Die Genregrenzen sind fließend geworden und die neue klassische Musik ist wichtige Inspirationsquelle unterschiedlichster musikalischer Richtungen. 2016 stellt »Tonlagen«, das Dresdner Festival der zeitgenössischen Musik die aktuelle Kunstmusik in den Kontext ihrer eigenen Traditionen und verbindet sie mit anderen musikalischen Genres und angrenzenden Künsten. Den oft überraschenden Ergebnissen dieser Zusammenspiele gibt das Festival mit Konzerten, Musiktheater, Performances, Installationen und Ausstellungen vom 19. bis 29. Oktober im Festspielhaus Hellerau eine Bühne.
Schon die Eröffnung am 19. Oktober ist ein wahres Highlight. Da spielt das MDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Kristjan Järvi Werke von Bryce Dessner, der wiederum vielen als Gitarrist der Band The National bekannt sein dürfte. Der Ausnahmemusiker wird natürlich auch selbst auf der Bühne stehen. Am Folgetag gibt es dann unter dem Titel »Lichtmusik« ein Experiment: Was geschieht, wenn auf einer Bühne das Licht mal nicht den Menschen gut aussehen lässt, sondern selbst der Hauptdarsteller einer Performance ist? »Flimmerskotom« und »The Enlightenment« machen die Probe aufs Exempel.

Der 21. Oktober gehört dann den Freunden elektronischer Musik, denn das Chemnitzer Label raster-noton feiert in Dresden seinen 20. Geburtstag. »Ton und Nichtton« hießt hier die Devise, schließlich ist es gerade die Verbindung von Kunst, Design und Musik, die kennzeichnend für raster-noton ist: Auditive und visuelle Erscheinungsformen verschmelzen miteinander – musikalische Prozesse verknüpfen sich mit Licht, Installation, Skulptur und Video. Zu erleben sein wird Carsten Nicolai mit seinem neuen Projekt UNEQAV, Uwe Schmidt kommt mit seinem Album »HD« und auch die drei Label- und Netzwerkgründer sind als Signal zu erleben. Dazu gesellt sich noch die russische DJane Dasha Rush.

Auch die Reihe »Feature Ring« legt ein »Tonlagen«-Special hin und lädt am 24. Oktober den unfassbaren Trompeter Marco Blaauw ein. Zwei Tage später ist die Auftragskomposition »Tree of Codes« zu erleben. Die Oper für Sopran, Bariton und ein Ensemble mit 16 Musikern ist das neue Musiktheaterwerk der australischen Komponistin Liza Lim, eine der interessantesten Komponistinnen unserer Zeit, die in ihren Werken verschiedene kulturelle Einflüsse vereint. Außergewöhnlich!

Der 27. Oktober bringt dann unter dem Titel »What Boundaries?!« das Andromeda Mega Express Orchestra mit der Lusobilo Band zusammen. Das spacige Fusion-Ensemble aus Berlin und die Combo aus Malawi, die traditionelle Klänge mit Afropop mixt, haben gemeinsam ein aufsehenerregendes Konzertprogramm entwickelt, dass seinesgleichen sucht.

Den Abschluss der »Tonlagen« bildet am 29. Oktober das Morphonic Lab mit »lab XV : Heller Rauh«. Dass dieses – einmal im Jahr stattfindende – Ambient-Noise-Industrial-Fest schon immer großartig besetzt war, ist kein Geheimnis, aber in diesem Jahr wird das alles noch einmal getoppt. Da wird Samuel Kerridge gemeinsam mit dem Lichtkünstler Andrej Boleslawasky dabei sein, dazu Burial Hex, Job Karma, Holotrop und die – quasi gastgebenden – SARDH. Ein Fest der außergwöhnlichen Musik, getaucht in Licht und Kunst!
Natürlich ist das hier Erwähnte nur ein Bruchteil des Programms. Es lohnt sich, darin zu stöbern und zu entdecken, auch mal das gänzlich Unbekannte anzusehen und zu hören. Auf die Qualität der »Tonlagen« ist schließlich Verlass.
JH

Tonlagen Dresdner Festival der zeitgenössischen Musik
19. bis 29. Oktober, Festspielhaus Hellerau
www.hellerau.org/tonlagen-2016