Pittiplatsch tanzt ...

... oder wie fünf Kerzen auf Lumpis Geburtstagstorte kamen

Was für ein Sieg! Da wollten MDR und RBB dem K-Block die Fahne mit dem kugeligen Knubbelmonster, das man landläufig schlicht Pitti nennt, entreißen, doch nach tagelangen Protesten, Hungerstreiks, Onlinepetitionen und der Drohung mit dem Einsatz von UNO-Truppen überlegten es sich die TV-Anstalten noch einmal anders und gaben klein bei. Zudem klang es mehr als lächerlich, dass der Mittelmäßige Rundfunk (Zitat Olaf Schubert) behauptete, die Fahne noch nie bemerkt zu haben, obwohl man jahrelang die 3. Liga mit dynamischer Beteiligung übertrug. Und so war es, wie es sein sollte: Es gab auch heute wieder geschwenkten Pittiplatsch. War noch was? Da könnt Ihr einen drauf lassen ...

Halbzeit eins: Religiöser Choreo folgt Dynamos Auferstehung

Am Anfang war … nun ja, Schwarzgelb. So könnte man das Buch der Bücher jetzt umformulieren, nachdem sich  der K-Block heute mal ganz religös gab unter dem Motto „Heiligtum Dynamo“. Ein überdimensionaler Jesus mit dem D auf der Brust segnete das Stadionrund, bis sich auf einmal der Kopf des Gottesohnes in eine kämpferische Stumhaube morphte, über dem Kopf einen Heiligenschein aus Fackeln. Zwar folgte die obligatorische Mahnung von Peter Hauskeller, doch keine Fackeln zu entzünden – doch beim Anblick des Bildes war das wohl auch nur dem Zwang des Notwenigen geschuldet. Was also konnte mit solch himmlischen Beistand schon schiefgehen? Genau. Nichts.

Das Interessanteste beim Spielbeginn war natürlich, ob Uwe Neuhaus angesichts der letzten Pleiten, Pech und Pannen die Taktik ob des als übermächtig gehandelten Gegners ändern würde. Er tat es nicht. Aber es war von Anfang an zu sehen, dass es hinten sicherer zur Sache gehen sollte. Florian Ballas begann statt Jannik Müller, und der manchmal unsichere Defensivschlacks rechtfertigte seinen Einsatz mit einer guten Leistung. Manchmal wagte er sogar kleine Kunststücke, wie man sie manchmal von Cheikh Guèye sah, wenn er einen guten Tag hatte. Aber das Prunkstück nach hinten waren einmal mehr die Sechser: Was Lumpi Lambertz und Marco Hartmann schon vor der Abwehr an Abräumarbeit und Balleroberung leisteten, grenzte schon an Übermenschliches – nicht zu vergessen, dass sie auch noch offensiv eine wichtige Rolle spielten.

Doch die ersten 20 Minuten waren zunächst ein zähes Ringen. Zwischen den Sechzehnern neutralisierte man sich gegenseitig, jedes Team wollte hinten sicher stehen und wagte vorn wenig. Nach einer Ecke probierte es Gentner für die Schwaben mit einem Volleyschuss, der aber nicht das Ziel traf. Drei Minuten später dann war es mit der Leutseligkeit auf dem Rasen vorbei: Stefan Kutschke war das alles irgendwie zuviel Kaffeefahrt, ging mal richtig auf Mitchell Langerak drauf und kassierte dafür Gelb. Jetzt wurde es allmählich heiß, denn die Suttgarter waren wohl der Meinung, Dresdens manchmal etwas hitzigen Mittelstürmer vom Platz provozieren zu können. Als dieser mit Hajime Hosogai in eine Rangelei geriet, schwalbte der Japaner eine schwere Körperverletzung auf den Rasen, als fände hier ein Casting für den sterbenden Vogel in “Schwanensee” statt. Allerdings fiel Referee Benjamin Cortus nicht darauf herein.
Kurz darauf rutscht Akaki Gogia aus, verpasst so den Ball, Kevin “Forever BVB” Großkreutz spielt perfekt in den Lauf von Carlos Mané, der allein vor Marvin Schwäbe auftaucht, aber vergibt (siehe oben: himmlischer Beistand). Und das, man glaubt es kaum, sollte die einzige Hundertprozentige sein, die Stuttgart an diesem Nachmittag haben sollte. Denn jetzt kamen Dynamos magische sechs Minuten.

In der 38. hat Marvin Stefaniak plötzlich keinen Gegenspieler auf links, weil dieser im Mittelfeld liegenblieb. Also hat der Fußballgott Platz und Zeit, eine perfekte Flanke (früher: Eingabe) zu spielen. In der Mitte des Strafraums geht Kutschke in die Höhe (Was kümmern mich zwei Gegenspieler?) und nickt das runde Ding ins Netz – sein erstes Zweitligator. Und auf einmal scheint es, als wähnten sich die Schwaben nebenan im Arnhold-Bad: sie schwimmen. Genauer gesagt: Es ist es ist eher ein hilfloses Paddeln im Kinderbecken. Denn nur vier Minuten später spielt Langerak – statt auf seine freien Außen – den Ball zu seinem mittigen Vordermann, der sofort vom extrem agilen Aias Aosman angegangen wird. Der Syrer spitzelt den Ball weg, Lumpi schnappt sich das Ding, geht in Richtung Tor und legt wieder quer auf Aosman. Doch der fackelt nicht lange und stoppt das Spiel. Der Stadionsprecher bittet das Publikum, ein „Happy Birthday“ für Lumpi zu singen, der heute seinen 32. Ehrentag feiert. Es gibt Blumen, eine Torte wird gebracht, Kaffee gereicht. Als alles verputzt ist, sagt Aias „Habe die Ehre“ legt wieder quer zu Lumpi, der nun sein Geburtstagstor schießen darf. Wahnsinn!

Jetzt also das 2:0 in die Pause retten, denn wir kassieren ja so um die 50. Minute herum immer Tore. Denkste! Sechzig Sekunden vor der Halbzeit köpft Lumpi zu Kutschke, der so eine Art Palucca-Lupfer in den Lauf von Akaki Gogia spielt, der wiederum dem Stuttgarter Keeper keine Chance lässt. Kann man Wahnsinn steigern? Durch mehr Ausrufungszeichen? Wahnsinn!!!!!!

Halbzeit zwei: Stuttgart geht unter, Paco is back

Zunächst einmal: Dynamo übersteht diesmal die Fünziger-Minuten ohne Gegentor. Überhaupt bekommt der VfB hier nichts mehr gebacken. Der offensive Doppelwechsel nach Pause verpufft in einem Nichts aus Agonie und Aufgabe. Dresden dagegen macht den Eindruck, als wollte man vor allem ein 3:1 verhindern, denn ein 4:0 erzielen. Die Hintermannschaft funktioniert wie geschmiert. Wenn man überhaupt von einer Schwachstelle reden kann, dann leistet sich Fabian Müller hier und da mal einen Aussetzer, was aber kollektiv ausgebügelt wird. Auch offensiv kommt von ihm wenig. Ansonsten steht hier eine Mannschaft auf dem Platz, die sich aus dem Tief der letzten Wochen herausgarbeitet hat und die Stuttgarter bekommen es nun zu spüren. Fast könnten sie einem leid tun.

Denn es kam, wie es kommen musste: Maxim & Co. mussten zwangsläufig mehr riskieren und wurden nun regelmäßog ausgekontert. Allerdings dauerte es eine Weile, bis diese auch mal wieder überlegt zuende gespielt wurden. Aosman, Kutschke, Teixeira und Hauptmann, der für den mit viel Beifall ausgewechselten Lumpi kam, hatten das 4:0 auf dem Fuß. Doch das fiel erst mit dem nächsten Wechsel. Auftritt: Pascal Testroet.

Gerade fünf Minuten auf dem Grün, werden Paco und Gogia dicke Freunde. Zunächst landet ein langer Schwäbe-Ball in den Füßen des Deutsch-Georgiers, der auf die 37 passt, die zurückspielt, wonach Gogia frei vor Langerak steht und in aller Ruhe einnetzt. Im Stadion sitzt nun keiner mehr und mein Nachbar auf der Pressetribüne meint noch, was es für ein perfekter Tag wäre, wenn der Testroet auch noch trifft. Was soll man sagen: Drei Minuten später ist es soweit. Am Ende eines herrlichen Konters bedient Gogia nun Mr. Testroet, der mit einem Haken seinen Gegenspieler ins Leere rutschen lässt und dann den Ball in die Maschen haut. „Einer geht noch, einer geht noch rein“ schallt es von den Rängen, während der Suttgarter Block in Bitternis schweigt. Der Rest ist Schaulaufen und die Schwaben dürfen froh sein, dass es nicht noch schlimmer für sie ausging. Der Abpfiff schließlich kommt ohne Nachspielzeit, auch ein Schiedsrichter hat manchmal ein Herz mit dem Unterlegenen.

Zwei Dinge seien noch angemerkt. Erstens: Ich hasse Linienrichter, die ihre Fahne nach einem Ausball erst heben, wenn der Schiri entschieden hat. Zweitens: Es wurde heute mal wieder mit dem „Love Dynamo, Hate Racism“-Shirts gespielt. Sollte man öfter machen.
Uwe Stuhrberg

Dynamo Dresden vs. VfB Stuttgart 15. Oktober 2016, Anstoß: 13 Uhr
Tore: 1:0 Kutschke (38.), 2:0 Lumpi (42.), 3:0 Gogia (44.), 4:0 (74. Gogia), 5:0 (76. Testroet)
Dynamo Dresden: Schwäbe, Teixeira, Modica, Balles, F. Müller, Hartmann, Aosman, Lumpi (63. Hauptmann), Goia (83. Berko), Kutschke (69. Testroet), Stefaniak
Schiedsrichter: Benjamin Cortus
Zuschauer: 29.906
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