Visionen und Predigten

Die Dresdner Reden im 27. Jahrgang

Noch immer erinnert man sich gern an den furioser Auftakt der Dresdner Reden vor 27 Jahren, jene Sonntagsandacht im Februar 1992 im vollen Schauspielhaus mit Günter Gaus und Christoph Hein. In den Folgejahren kamen hier viele zu Wort: wichtige Politiker, große Dichter wie namhafte Publizisten, aber auch Architekten wie Regisseure. Die meisten betrieben politische Aufklärung oder brillante Rhetorik.

Das Haus ward fast immer voll, Enttäuschungen gab es recht selten. Denn in der Liste findet sich quasi der Kanon der Intellektuellen, die sich heute oft durch unterkomplexe Talkshows quälen müssen, um latent Gehör zu finden. Für unnötige Aufregung sorgten nur Ausnahmen wie Jonathan Meese oder Sibylle Lewitscharoff, letztere nutzte vor vier Jahren – direkt hinter Roger Willemsen und Jürgen Trittin – ihr Podium für einen künstlich befruchteten Aufschrei. Einen großen Moment lieferte im Vorjahr dagegen Lukas Bärfuss mit seiner Ode an die Sprache und die Krabat-Region, als er – von den Organisatoren offenbar unbemerkt – die genau 100. Dresdner Rede hielt.

Recht selten stand Wissensgewinn im Vordergrund, doch die Auftritte von Philosophen oder Soziologen waren immer Höhepunkte. So war es vor zwei Jahren bei Naika Foroutan, die ihre Migrationsanalysen in unerhörte Integrationsideen wandelte. Diesmal kommt zum Auftakt am 4. Februar der große US-amerikanische Soziologe Richard Sennett, der »Die offene Stadt« der Zukunft – ohne Spaltung in Klassen und Ethnien vorstellen darf. 

Das braucht Dresden ebenso wie den zweiten Höhepunkt zum Abschluss: Eugen Ruge bietet am 25. Februar in Zeiten des abnehmenden Lichts echt lutherisch seine »zehn Überlegungen zu den Überlebenschancen des Neuhochdeutschen in Zeiten von Freihandel, Digitalisierung und Rechtschreibreform«. Dazwischen predigt Norbert Lammert am 11. seine Art von Demokratieverständnis und Dunja Hayali erklärt am 18. ihre Heimatgefühle, wobei das Staatsschauspiel unter »Handlung« ankündigt, dass das Publikum eingeladen sei, über »welthaltige Themen nachzudenken und zu diskutieren«. 
Andreas Herrmann

Dresdner Reden
4., 11., 18. und 25. Februar (jeweils 11 Uhr), Schauspielhaus
www.staatsschauspiel-dresden.de