War Games

Der ersehnte Auswärtssieg wird doppelt überschattet

Es gibt diese Redewendung von den Momenten, in denen der „Fußball in den Hintergrund rückt“. Ein ebensolcher war zu erleben am gestrigen Spieltag beim KSC, als Stefan Kutschke und Benedikt Gimber – beide nur auf den Ball sehend – mit voller Wucht zusammenrauschten und reglos auf dem Rasen liegenblieben. Die Gedanken, die den umstehenden Spielern durch den Kopf rasen, mag man kaum erahnen, wenn einem schon als Zuschauer des Geschehens ganz mulmig wird. Da war die Durchsage des Stadionsprechers, dass beide Spieler wenige Minuten nach dem Heruntertragen vom Spielfeld wieder bei Bewusstsein sind, schon fast eine Erlösung. Für Dresdens 30, soviel steht zum Monent fest, endete es mit einem Schädel-Hirn-Trauma, was eine Rückreise mit der Mannschaft unmöglich machte. Wie lange der Stürmer ausfallen wird, ist noch offen.

Schlechte Laune machte sich bei mir aber schon vor dem Spiel breit, als sich die Mottofahrt der Ultras als Kriegsspiel entpuppte. Es mag meine eigene Empfindlichkeit sein, aber – obwohl ich nicht zum Pazifismus neige – ist mir alles Militaristische ein Graus. Die einzige modetechnische Gleichmacherei, die ich für mich akzeptiere, ist das uniforme Tragen der Farben meines Vereins – und das sind Schwarz und Gelb und es ist defintiv nicht Camouflage. So einfallsreich und ironisch viele Ideen der K-Bande sind, so dumpf und dämlich wirkte der Marsch in Tarnklamotten, natürlich begleitet von Rauch und Pyro. Parole des Tages: Huhu, ich bin der Mummumm aus dem Osten und der DFB muss sich jetzt ganz doll fürchten. Hat sich der Verein schon letzte Woche über die Fahne mit dem Baseballkeulen-Heini geärgert, tun sich hier wohl weitere Diskussionsfelder auf.

Ohne Frage sind Geisterspiele wie dieses, Teilausschlüsse und Kollektivstrafen eine ebenso unsinnige wie nicht zielführende Praxis des DFB, aber wie bitteschön soll den ein „Krieg gegen den DFB“ aussehen? Die „War Games“ vom Sonntag mit verletzten Ordnern, jeder Menge Rauch und wenigstens einem beraubten Gastrostand lassen in Frankfurt am Main niemanden zusammenzucken, sondern nur den Kassenwart der Sportgemeinschaft. Und wann bittesehr endet es, dass der Ostdeutsche (ich bin selbst einer) als Übermensch abgefeiert wird? Schon mal einen Blick auf den Kader und das Trainerteam geworfen?

Halbzeit eins: Failed start und Gogias Doppel

Uwe Neuhaus hatte Veränderungen im Startteam angekündigt – und die gab es auch. Marco Hartmann rückte mehr nach hinten in eine teilweise Fünferkette mit Fabian und Jannik Müller sowie Hendrik Starostzik und Philip Heise. Davor gaben Lumpi und Nils Teixeira eine Mischung aus Doppel-Sechs und Teilzeit-Zehner, während auf den Außenbahnen Marcel Hilßner und Akaki Gogia den mittig stürmenden Stefan Kutsche in Szene setzen sollten. Ich hatte zwar nach seiner Kontraktverlängerung Patrick Wiegers für die letzten beiden Spiele im Tor erwartet, die Coaches wiederum hatten das nicht im Sinn.

Vor der Fastgeisterkulisse fühlte man sich anfangs an das letzte Heimspiel gegen die Sechziger erinnert. Die Badener versuchten ein hohes Pressing, und dass das zu Fehlern bei Dynamo führen kann, wurde ja in der Vergangenheit anschaulich vorgeführt. Und so gibt es ein wenig Kuddelmuddel hintenrum, was bei der neu formierten Abwehrreihe auch keinen wundern muss. Und auch Marco Hartmann war sich seiner Schnittstellen-Aufgabe nach sieben Minuten noch nicht ganz sicher, als er nach einem feinen Pass von Dennis Kempe den Gegenspieler Oskar Zawada ziehen und einnetzen lassen musste.

Stellt sich sofort die Frage: Geht das denn schon wieder los? Nein. Denn schon fünf Minuten später gibt es Elfmeter für Schwarzgelb, weil der sehr resolut aufspielende Kinsobi im Sechzehner den klassischen Trikottest mit Kutschke macht. Letzterer tritt auch an, doch der sonst sichere Strafstoßschütze Kutschke schießt diesmal zu schlecht für Orlishausen-Verhältnisse, der zur Ecke klärt. Apropos Ecken. Da war nicht viel in letzter Zeit, aber diese Standardleidenszeit wird nun beendet: Gogia tritt, Teixeiera verlängert und Jannik Müller jagt mit einem strammen Kopfstoß das Runde ins Eckige. Geht doch!

Ab jetzt hat Dresden nicht nur den gewohnten Ballbesitz, sondern weitestgehend auch die Kontrolle über das Geschehen. Dann aber – siehe oben – fuhr allen der Schreck in die Glieder bei der Schädelkarambolage von Kutschke und Gimber.

Für den Dynamo-Stürmer geht Erich Berko auf den Platz und auch gleich mal steil, aber eine Kunfusionseinlage zwischen dem KSC-Keeper und Ex-Dynamo Marvin Stoll kann er nicht zum Torschuss nutzen. Kurz darauf versucht sich erst Stoll an einem Eigentor, dann Tex an einem Fallrückzieher – beide scheitern knapp.

Nach 35 Minuten ist es wieder Berko, der diesmal fullspeed in den Karlsruher Strafraum eindringt, Orlishausen umlaufen will und dann wohl einen Hauch von Berührung spürt – und fällt. Dass der Torwart außer sich ist, kann man durchaus verstehen, aber manchmal ist eben Weihnachten bereits im Mai und Geschenke, soll man ja höflich annehmen. Und das macht Akaki Gogia dann auch: 2:1 für den Gast.
Nur 120 Sekunden später die nächste Berko-Gogia-Kombo: Pass vom 40er auf die Nummer 2, und die macht dann den Robben: nach innen ziehen, kleinen Übersteiger zeigen, Kempe zum Zuschauer degradieren und von der Strafraumgrenze ins lange Eck zielen. 3:1.

Bis zur Pause hat Dresden hier alles im Giff, während die Heimhelf nun doch angezählt scheint. Aber was ist schon ein Zwei-Tore-Vorsprung? #bochum #stuttgart

Halbzeit zwei: Lange nichts, dann viel

Jetzt heißt es: Bloß nicht wieder wackeln. So ist Sicherheit das höchste Gebot. Und das klappt heute überwiegend gut, auch, weil Hartmann seine alten Balleroberungsqualitäten wiederentdeckt hat, Jannik Müller einen guten Tag erwischt und sich Ballas-Ersatz Starostzik als harter Kanten erweist, an dem man nicht eben so vorbeiläuft. So dauert es bis zum Stundenschlag, als Lumpi frei vor dem Tor an Orlishausen scheitert – der KSC kann froh sein, dass der Routinier den Gang in Liga 3 mitgehen wird.

Das Heimteam baut nun mehr und mehr ab, Dresden verwaltet. Niklas Hauptmann kommt für Marcel Hlißner, der engagiert und couragiert gespielt hat, dem es aber naturgemäß noch an Durchsetzungskraft und Erfahrung mangelt. Dann wird es Marvin Schwäbe offensichtlich zu langweilig, weshalb er einen Pass spielt wie vor Wochenfrist gegen München – direkt in den Fuß des Gegners, nur können die nichts damit anfangen.

Ach ja: Da gibt es doch neben Hauptmann und Kreuzer noch einen dritten Niklas, den Landgraf nämlich. Der bekommt ab Minute 78 sein Zweitligadebüt und wird sofort auch mal ordentlich gefoult. Den Freistoß zirkelt Heise über alle hinweg zu Jannik Müller, der per Direktabnahme den Ball ins Tor hämmert. Ein nicht nur schönes Tor, sondern auch ein immens wichtiges, wie sich bald zeigen sollte. Denn in der letzten Spielminute hat der KSC noch eine Ecke. Die wird nicht allzu hoch getreten, weshalb es ein Leichtes sein sollte, den Ball wegzuköpfen. Doch erst verpasst Jannik Müller, dann steht Hartmann falsch – Zawada macht sein zweites Tor (oder er verhindert so ein Eigentor des Dresdner Kapitäns).

Das war es noch immer nicht. In einem Bauch-an-Bauch-Zweikampf bekommt erst Prömel den Ball an die Hand, dann stuppst Lumpi mit dem verbotenen Köperteil an das Spielgerät. Elfmeter und das dritte Tor für Karlsruhe. Abpfiff.

Alles in allem liest sich das Ergebnis enger als es das Spiel selbst war. Aber gegen ein Bielefeld, für das es am letzten Spieltag um alles geht, das Braunschweig gerade rauschhaft mit 6:0 vom Platz gefegt hat, wird diese Leistung vielleicht nicht reichen, selbst wenn es die Stadt des zu erwartenden Gegners nicht gibt. Und natürlich will die Alm-Elf sicher nicht ausgerechnet in Dresden absteigen. #11052014

Am Ende bleibt zu hoffen, dass die „Football Army“ bis dahin wieder abgerüstet hat – Ärger wird der SGD so oder so zur Genüge bekommen, was bis in die nächste, so wichtige Saison wirken wird. Danke für nichts, Lehmi & Co.
Uwe Stuhrberg

Karlsruher SC  vs. Dynamo Dresden
14. Mai 2017, Anstoß: 15.30 Uhr
Tore: 1:0 Zawada (7.), 1:1 J. Müller (12.), 1:2 Gogia (35., Elfmeter), 1:3 Gogia (37.), 1:4 J. Müller (80.), 2:4 Zawada (89.), 3:4 Krebs (91., Elfmeter)
Dynamo Dresden: Schwäbe, Teixeira, J. Müller, Starostzik, F. Müller, Hartmann, Heise, Lumpi, Hilßner (67. Hauptmann), Gogia (78. Landgraf), Kutschke (22. Berko)
Kein Einsatz: Wiegers, Aosman, Stefaniak, Alvarez
Schiedsrichter: Christian Dietz
Zuschauer: 5.972
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