Die letzte Liebe als Löwenjagd

Andreas Pannach inszeniert Katrin Ammons „Die letzte Safari“ mit Helga Werner

„Die letzte Safari” ist der letzte Versuch der Liebe einer großen Schriftstellerin – nach Baron oder Flieger nun zu einem drei Dekaden jüngeren Schriftsteller namens oder titels Magister. Der ist allerdings verheiratet mit einer schrecklichen Frau und nimmt sich, als er die gepredigte Freiheit seiner Lehrmeisterin endlich verinnerlicht hat, eine junge Geliebte.

Das trifft die Baronin Blixen-Finecke, hier als Erzählerin von Helga Werner gegeben, tief. Die denkt  eigentlich immer noch an ihrem geliebten Flieger Denys, der einst nicht jenseits, sondern just genau in Afrika vor knapp neun Jahrzehnten vom Himmel fiel, ohne Gott je gesehen zu haben. Nun führt sie – rein platonisch, aber mit einer Art Faustin-Pakt – ihren Schützling zu neuen geistigen Gefilden. Auch das allerdings nur als eine Art Reprise – genauer als Probe für ein Radiointerview am nächsten Tag, was sie vergaß, abzusagen ...

In diesen doppelten Handlungsrahmen führt die erste Produktion der frischen „Kulturkulisse“ in der Bienertmühle Dresden-Plauen, und damit gedanklich in traumhafte Gefilde zwischen keniaischen Bergen und dänischer Ostseeküste, in echt aber in einer Galerie mit allerlei wertvollem Mobiliar für gepflegte Stuben als Kulisse. „Die letzte Safari“ stammt aus der Feder von Katrin Ammon. Die Kielerin, selbst Magisterin der Philosophie sowie der neueren deutschen Literatur sowie Theaterwissenschaft arbeitete als Kultur- und Literaturkritikerin, so für die FAZ, den Bayrischen Rundfunk und die Brigitte, aber seit 1999 vor allem als Drehbuchautorin fürs Fernsehen. Artverwandter als manche Traumschiffserien vielleicht „Wo ist die Liebe hin“ für den NDR oder „Ein Sommer in Kopenhagen“ (ZDF). Die Dresdner Safari ist ihr drittes Theaterwerk nach „Lotti und Lilya“ (2012) und „Scheidungsturm“ (2014), Regisseur Andreas Pannach, der nun hier ehrenamtlich als künstlerischer Leiter agiert, erwarb die Rechte für die Uraufführung, als Helga Werner für das Solo zusagte.

Pannach, im Brotberuf Schauspieler am Mittelsächsischen Theater Freiberg, dachte beim Lesen sofort an sie. Denn im Mittelpunkt der furiosen Rückblende einer weitgereisten Dame mit hohem Glücksanspruch ist die Geschichte der Dänin Karen Christence von Blixen-Finecke – also jener Schriftstellerin, die per Heirat zur Baronin ward, in Kenia 17 Jahre in 2000 Meter Höhe unterm Stern des Südens eine Kaffeefarm betrieb, dort echte Löwen jagte und auf dem deutschen Buchmarkt als Tania Blixen bekannt ist.

Helga Werner, Dresdner Staatsschauspielerin, Jahrgang 1946, im Juni 2017 nach einer charismatischen Lesung von Maxi Wanders Meisterwerk „Guten Morgen, Du Schöne“ im Kleinen Haus herzlichst in den Unruhestand verabschiedet, spielt derzeit dort noch die Rebecca in Millers “Hexenjagd”. Nun füllt sie mit großer Präsenz sowie stimmlich und gestisch den großen Galerieraum, in dem im Halbkreis bis zu 50 historische Stühle und zwei Sofas passen, und erzählt die Story als Monolog in sieben Szenen, geschickt mit Licht- und Klangstimmung eingeleitet und mit den Requisiten der Kulturkulisse spielend, als furiose Liebeserklärung an zwei bis drei Männer – durchaus in Verwebung aller beteiligten Frauen, so dass man immer in der Spannung bleibt. Wobei man immer überlegen muss: Wer spricht da just: die Originalfigur aus Blixens „Afrika, dunkel verlockende Welt“, deren Autorin oder gar Ammon? Das ist egal: Werner spielt das aus – eine selbstgerechte Lebensbeichte, die mit der Analogie von Liebe und Safari spielt, wird zum Frauenschicksal, welches die Gefahren selbstbewussten Lebens reflektiert.

Am Ende bleibt zwar der gespannte situative Doppelrahmen auch doppelt offen, aber das geneigte Publikum, welches solche gediegene Formen von Theater mag, hier alle Erwartungen in Sachen improvisativer Toleranztestung professionell unterlaufen findet und dafür ein schlicht in sich völlig runder Theaterabend geboten wird, kann sich seinen Teil in alle Richtungen selbst denken ... 

Hinterm zweiten Sofa, einem mondänen Canapé, auf dem man sogar Karl Krauss oder beide Fäuste komplett durchstehen würde, sitzen drei junge Techniker: Schüler aus dem benachbarten Gymnasium Dresden-Plausen, deren Theater-AG wegen Rekonstruktion der Aula nun auch ab und an hier agiert und die nun unter Leitung von Niklas Hartwich perfekt aushilft.

Selbst bei der vierten Vorstellung, die sonntagnachmittags trotz mehrerer Straßen- wie Marathonveranstaltungen in der City sehr gut gefüllt geriet, gab es für Helga Werner noch zwei Mal herzlichst Blümchen. Einfach so, aus alter Verbundenheit. Es zeigt einerseits das Potenzial für diese Art von Hommage, andererseits den Bedarf eines neuen Kulturangebotes im Viertel – quasi als südliche Alternative zu Hoppes Hoftheater. Genau dort gibt es nun auch, so als erste Gastspiele der neuen Kulturkulisse, auch die nächsten Vorstellungen von „Die letzte Safari“. Bei der Nordpremiere am 9. November in Weißig könnte sogar die Autorin auftauchen, um ihr Werk als echtes Monodrama erstmals ausgespielt zu sehen – welches hier sanft um Zitate von Tania Blixen selbst ergänzt wurde. 

In Plauen, über dem Antiqitätenladen „Blickzurück“, dessen Veranstaltungsraum per Treppeneinbau dank Kreativraumförderung der Stadt seit Mal als solcher nutzbar ist und zuvor schon von zwei weiteren bekannten Ex-Staatsschauspielern, nämlich Daniel Minetti und Tom Quaas mit Soloprogrammen auf Tauglichkeit getestet ward und als Saal sehr anschaulich, aber akustisch recht sensibel wirkt, warten derweil (während Pannach über weitere Safari-Termine und neue Theaterprojekte sinnt) andere Höhepunkte: So singt Bassbariton Elmar Andree Lieder aus dem Repertoire von Carl Löwe am 24. November mit Pianobegleitung. Und die Sopranistin Andrea Chudak, eigentlich mehr in Berlin gebucht, bietet am 28. November ihr Programm „From Face to Face“ gemeinsam mit der Celloistin Ekaterina Gorynina mit Werken von Doehlemann, Corbett oder Beatty. Und neben der Kunst wartet die Gunst der Kulisse.
Andreas Hermann

Die letzte Safari. Uraufführung nach dem Monodrama von Katrin Ammon. Regie: Andreas Pannach
Nächste Vorstellungen im Hoftheater Weißig am 16. November sowie am 29. Dezember (jeweils 20 Uhr).
www.kulturkulisse.de
www.hoftheater-dresden.de