Wer meucheln will, dichtet nicht!

Ein Interview mit Peter Förster über Sommertheater, Kammerspiele und mehr

Das Dresdner Sommertheater geht in seine 15. Runde. Von der Premiere am 21. Juli an bis zum 9. September warten täglich (außer montags) wieder insgesamt 42 Vorstellungen im Dresdner Bärenzwinger. Peter Förster ist Company-Chef, Autor und Regisseur und bietet 2018 „Meuterei auf der Country – Ein Shakespeare auf hoher See“. Dresdner Kulturfreunde kennen auch seine Kammerspiele, mit denen er im November schon die zehnte Uraufführung anbietet, und vielleicht auch seine Dokumentarfilme „Lebenswert – Dresdner Augenblicke“ (2008) oder auf den „Spuren Canalettos“ (2007). Vor seinem Meuchelmeerestrip stellt er sich dem Dresdner Stadtmagazin SAX zum Interview.  

Meuterei auf der Country - das klingt nach Rebellion auf dem Lande?
Peter Förster: Dann haben wir den Titel richtig gewählt (lacht). Unser Schiff ist die Country und die Kapitänin heißt Blei. Und Rebellion ist ja leicht im Vergleich zur Demokratie. Wer die flottesten Sprüche klopft, hat die meisten Fans. Wer meckert, hält sich für Opposition, und wer jammert, glaubt, er übt Kritik. Da ist der Weg zur Meuterei, also zum Sturz der Kapitänin, nur eine Frage der Zeit. Der Stärkste gewinnt dann doch meistens. Und auf einem Schiff spitzt sich alles zu. Da kann keiner weg – und alle müssen miteinander auskommen, egal wie stark sie sich gegenseitig hassen. Die Lage ist also aussichtslos, eine ideale Grundsituation für eine Komödie.

Was ändert sich und was bleibt im Vergleich zum Vorjahr?
Neben der Berlinerin Christine Scheibe, die nun schon zum fünften Mal mitspielt, gibt es ein Wiedersehen mit dem Schweizer Simon Fleischhacker in seiner vierten Rolle bei uns. Neu sind Kristina Kufner, Yolanda Bortz und Selami Noack. Bühne und Kostüme liegen zum Glück wie immer in den kunstfertigen Händen von Roger Kunze und Martina Strahl.

Und gibt es wieder mehr reine Reimkultur?
Eher weniger, das liegt am Thema. Wer meucheln will, der dichtet nicht.

Aha. Aber es ist nun schon die 15. Produktion im Bärenzwinger – was hat sich gewandelt im Vergleich zu 2004?
2004 haben wir in zweieinhalb Wochen 13 Vorstellungen gespielt, 2005 waren es in sechs Wochen 30 Vorstellungen, seit 2006 sind es in siebeneinhalb Wochen jeweils 42 Vorstellungen. Wie zu Beginn besteht die Company noch immer aus fünf Schauspielern. Irgendwann bekam der Innenhof des Bärenzwingers sein Glasdach, seitdem sind wir unabhängig vom Wetter.

Was waren denn entscheidende Weichenstellungen  – wozu Manager gern Meilensteine sagen?
Im dritten Jahr dämmerte uns, dass es nun ernst wird, denn es gab einen sehr deutlichen Anstieg der Zuschauerzahlen. Ab da konnten wir langfristig planen. Dann stiegen nach und nach Sponsoren ein, das hat nicht nur geholfen, solide zu wirtschaften, sondern war auch für das Selbstvertrauen sehr wohltuend. Seit 2017 unterstützt uns ein anonymer Spender großzügig. Wir haben extra deswegen einen Förderverein gegründet.

Das zweite Jubiläum steht dieses Jahr für Ihre „Kammerspiele Dresden“ an - was erwartet uns da?
Im November wird das zehnte Stück in den Kammerspielen zur Uraufführung gebracht – Arbeitstitel: Meine Frau braucht eine Auszeit.“ Wie bei „Mein Mann hat Schnupfen“ spielen Freya Kreutzkam und Mora Thurow – für diese beiden charismatischen Schauspielerinnen schreibe ich ein neues Stück.

Was unterscheidet das Kammerspiel generell vom Modell Sommertheater?
Im Sommertheater spielen wir en suite 42 Vorstellungen. Die Themen sind scheinbar historisch, Bühne  und Kostüme zum Teil auch. Die Abende leben von Anspielungen auf politische Ereignisse und gesellschaftliche Themen. Insgesamt fünf Damen und Herren spielen bis zu zehn Rollen. Das ist sehr anstrengend, aber man kann da auch eine Qualität erreichen, die im Repertoirebetrieb selten zu bekommen ist. In den Kammerspielen spielen zwei Schauspielerinnen oder Schauspieler sechs bis acht Rollen. Die Bühnenbilder sind abstrakt bis modern, die Kostüme sind – so wie die Themen – direkt aus der Gegenwart und Lebensumwelt. Die Stücke spielen hier bei uns. Es geht mit schwarzem Humor um Beziehungen zwischen Familien, Paaren, Kollegen und Nachbarn. Diese Abende sind für die Schauspieler extrem. Zwei Stunden ganz allein zu zweit. Danach könne sie alles spielen, überall.  

Sie arbeiten immer mit jungen Profis - wie kommen diese zu Ihnen und was ist Ihnen bei der Auswahl wichtig?
Wir verbringen jedes Jahr rund vier Wochen damit, Bewerbungen zu lesen und zu sichten. Wir telefonieren mit Kollegen und schauen uns die Schauspielerinnen und Schauspieler bei den Vorsprechen an. Soviel Zeit und Sorgfalt können vermutlich nur wenige Kollegen in die Auswahl ihrer wichtigsten Mitarbeiter investieren. Wir suchen nach  Talent, Spielfreude und der richtigen Haltung zum Beruf. Leute mit Charakter lieben wir: also Anstand, Respekt, Kritikfähigkeit. Und belastbar müssen sie sein, denn so ein Sommer bei uns ist kein Kindergeburtstag. Wichtig ist der achtungsvolle Umgang der Company miteinander: Wenn das nicht stimmt, sehen es die Zuschauer sofort.

Was nehmen diese Leute mit auf Ihre weitere Wanderschaft?
Wer sechs Mal die Woche spielt der lernt was dabei. Unser Publikum sieht und hört sehr genau hin, das ist wohltuend, aber auch erbarmungslos, wer da bestehen will, muss die Leute überzeugen. Eine Aufgabe der Regie ist es, Schauspieler überzeugend agieren zu lassen. Daran arbeiten wir täglich, zu jeder Vorstellung gibt es Abend noch eine Kritik. Dadurch wird die Company von Abend zu Abend besser, im Idealfall erreichen wir dann Leichtigkeit im Spiel. Wer das erfahren hat, wird es nicht wieder verlernen, das ist wie Fahrradfahren oder Schwimmen. Und Demut nehmen unsere Leute mit: Wir sind für die Zuschauer da – nicht umgekehrt. Nur weil uns die Menschen bei der Arbeit zuschauen und uns dafür beklatschen, sind wir nicht schlauer als unser Publikum.

Hilft das wirklich?
Ich denke, schon. Im Lauf der Jahre sind Ehemalige von uns fest an Staatstheater in Darmstadt oder Saarbrücken, an das Berliner Ensemble und die Schaubühne gegangen. Das sind beglückende Momente, weil man dann auch noch sieht: Wir hatten eine gute Nase für Talente.

Die Freie Szene hat es nicht leicht in Dresden - darbt und jammert gern. Was machen Sie anders und was raten Sie anderen?
Das ist ein heikles Thema. Darben und jammern hilft sicher wenig. Aber wer sich in Abhängigkeit von Förderung begibt – der ist halt abhängig. Das ist das Gegenteil von frei.

Sollte sich daher die Stadt in der Kulturförderung grundsätzlich ändern?
Zur Kulturförderung der Stadt Dresden kann ich Ihnen gar nichts sagen. Wir haben da noch nie einen Antrag gestellt. Wer welche Entscheidungen warum trifft, erschließt sich mir nicht. Transparenz wäre sicher sinnvoll. Warum wird denn stets Debattenkultur gepredigt, während Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen werden? Wenn ich wüsste, nach welchen Kriterien da entschieden wird, könnte ich Ihre Frage beantworten. Die Dresdner würde das vermutlich auch interessieren, sie erarbeiten schließlich das Geld.

Was halten Sie von der Kulturhauptstadtbewerbung Dresdens für 2025?
Das erinnert mich an eine Losung aus meiner Jugend: „Der Sozialismus siegt.“

Bitte?
Diese Losung wurde in der DDR oft proklamiert, daran zu glauben war trotzdem schwer.

Glauben Sie nicht an den Erfolg der Bewerbung?
Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich liebe die Kultur in unserer Stadt – die Theater, Orchester, Museen, die Architektur. Das macht aus uns Dresdnern uns Dresdner. Wenn man – so wie ich – das Glück hatte, in Dresden aufzuwachsen, dann hinterlässt das dauerhafte Spuren kultureller Art. Unsere Stadt hat eine wunderbare Dichte an Kultur zu bieten, was mich sehr froh macht.
Aber zu Ihrer Frage zurück. Welche Botschaft soll aus Dresden mit dieser Bewerbung gesendet werden? Von den Verantwortlichen hört man nichts Konkretes, leider. (Lacht.) Aber Tote Hosen werden hier angezeigt, wenn Sie nachts baden gehen. (Lacht immer noch.) Das ist doch absurd, oder?

Wunsch & Wirklichkeit - wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Vielleicht gibt es dann im Sommer die Lange Nacht der Dresdner Bäder? Da könnten wir nach der Vorstellung noch schwimmen gehen. Aber Spaß beiseite: Ich bin kein Hellseher! Ich wünsche mir, dass ich in fünf Jahren noch genau so viel Spaß an der Arbeit habe wie bisher. Dann bliebe ich – beruflich betrachtet –  in glücklicher Mensch. Gemessen an einem großen Teil der Welt, leben wir hier im Schlaraffenland. Und das in spannenden Zeiten – aber davor sollte niemand Angst haben.

Ihre einstigen Ambitionen als freier Regisseur oder als Filmregisseur liegen derweil auf Eis, oder?
Als Gast an ein anderes Haus würde ich gern mal wieder gehen, allein es fehlt die Zeit dafür. Film ist ein sehr spannendes Medium, aber man ist für lange Zeit an ein Vorhaben gebunden – und es ist sehr teuer. Da wollen viele Leute, die Geld geben, mitreden. Wir haben ja hier leider keine skandinavischen Verhältnisse, denn da haben die Autoren das Sagen, was man den Filmen und Serien auch ansieht: Traumhaft, was die machen!  Ich bin froh, dass ich mich mit Film ausprobieren konnte. Autoren haben es hierzulande schwer. Da verderben zu viele Köche den Brei. Im Sommertheater Dresden und in den Kammerspielen Dresden haben wir das Glück, mit einem wunderbaren Team selbstbestimmt zu sein. Freier als ich können nur wenige Kollegen arbeiten.
Interview: Andreas Herrmann

www.sommertheater-dresden.de