Unter dem blau-gelben Sonnenblumenschirm

Die Dresdner Intiative »Sonechko« kümmert sich um Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine

Mutschekiepchen nennen ihn viele in der Region, das Latein führt ihn als Coccinellidae, seit eineigen Tagen ist er auch als Sonechko in Dresden bekannt. Mit leicht angespannten Flügeln sieht er – etwas ängstlich – nach oben, sitzend auf einer Sonnenblume mit blauen und gelben Blättern. Der Grafiker und Zeichner Marian Meinhardt-Schönfeld hat dieses passende Signet entworfen, quasi über Nacht, wie auch die Hilfsorganisation entstanden ist, die den Namen Sonechko trägt.

Die Dresdner Initiative basiert auf einer Idee des Pädagogen Matthias Nutsch, der vielen im Dresdner Kulturleben bekannt sein dürfte – in seinen Nebenberufungen als Sänger, DJ und Entertainer. Schon kurz nach dem Überfall russischer Truppen auf die Ukraine war er mit Mirko Glaser und weiteren Gleichgesinnten auf dem Weg zur polnischen Grenze – im Auto Hilfsgüter. Wie bei so vielen anderen war der erste Antrieb, irgendetwas machen zu müssen im Angesicht der Ohnmacht gegenüber den TV-Bildern und Nachrichten. Auf dem Rückweg nach Dresden waren einige ukrainische Frauen mit ihren Kindern an Bord. »Ich habe noch nie eine solche stille Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit gesehen«, erzählt Matthias Nutsch später. Und noch auf der Fahrt beginnt er zu überlegen: Was passiert eigentlich mit den Menschen, wenn sie in der Fremde angekommen sind? Noch bevor die Elbe wieder erreicht wurde, war der grobe Plan gestrickt: Eine regionale Hilfsorganisation einrichten, die sich um die Kriegsgeflüchteten kümmert.

»Sonechko« war schnell ins Leben gerufen – neben Matthias Nutsch waren vor allem Johannes Kroemer, Tobias Werner, Theresa Rzepus oder Francie Kaldun die wichtigsten Mitstreiter:innen. Zunächst stand die dringende Erstversorgung im Mittelpunkt. Das bedeutet: Hilfe und Orientierung für die ukrainischen Menschen, aber ebenso Support für jene, die Zuflucht und Wohnraum zur Verfügung stellen. Denn auch diese Dresdner:innen stehen vor Herausforderungen, die sie kaum vorab einschätzen können. Also hilft »Sonechko« bei Dingen, die ganz »einfach« klingen, aber von großen Organisationen oft nicht gesehen werden oder geleistet werden können. Zum Beispiel gibt es Stadt-Lots:innen, die mit den Neuankömmlingen durch den Stadtteil gehen: Wo ist ein Park, ein Spielplatz, eine Apotheke, ein Supermarkt, eine Arztpraxis? Wo kann man einfach mal spazieren gehen? Welche Angebote gibt es derzeit für Geflüchtete in Museen, Kinos, Theatern oder Kindereinrichtungen? Zudem wird Netzwerkarbeit großgeschrieben. Gemeinsam mit Einrichtungen wie Kolobri (siehe auch Seite 8) werden Begegnungsräume organisiert, in denen geflüchtete Kinder gemeinsam spielen und lernen können, aber ebenso einheimische Kinder kennenlernen. Hier können sich auch die Mütter treffen und austauschen, damit sie nicht in den »fremden« Wohnungen vereinsamen und an ihrem Schicksal verzweifeln. Eben einfach nicht allein sein. Aber auch um die Traumata, die alle Angekommenen mit sich herumtragen, kümmert man sich bei »Sonechko« professionell. Mehrere Therapeut:innen und Pädagog:innen kümmern sich um die psychosoziale Begleitung, dazu ist auch für das Dolmetschen gesorgt.

Ebenso simpel wie wichtig: Um hier zurechtzukommen, braucht man Bargeld, an das viele Geflüchtete nicht herankommen, zumal ist mit ukrainischen Hrywnja bei einem Wechselkurs von 1:33 Euro in Deutschland kaum etwas anzufangen. Die Idee: Jeder der von »Sonechko« betreuten Menschen bekommt pro Woche 50 Euro auf die Hand – so lange, bis Regelungen für staatliche Leistungen greifen. Zum Redaktionsschluss hatte die Initiative 108 Personen in 22 Unterkünften unter ihrem blau-gelben Sonnenblumenschirm, ausgezahlt wurden bis dato 9.550 Euro. Auf der Webseite kann man das Geschehen auf dem Spendenkassenbuch digital verfolgen. Und man sieht: Die Spendenbereitschaft ist noch da, nimmt aber ab. Dabei werden die Aufgaben in den kommenden Wochen und Monaten eher größer und komplexer. Denn auch wenn durch große Maßnahmen der Regierungen in Bund, Land und Stadt das tagtägliche Troubleshooting etwas abnehmen wird, werden die langfris­tigen Folgen für die Geflüchteten eher zunehmen, wenn sie realisieren, dass viele mit einer schnellen Heimkehr nicht rechnen können – weil der Krieg länger dauert als gedacht,weil es kein Zuhause mehr gibt oder ein Aufwachsen der Kinder in in zerstörter Umgebung kaum möglich ist.

Und so steht hier der Aufruf: Wohnraum, Arbeitsmöglichkeiten und Geld sind nach wie vor dringend vonnöten. Alle Infos dazu gibt es auf den digitalen Seiten von »Sonechko«.
Uwe Stuhrberg

www.sonechko.eu

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