Es seufzt der positive Held ...

Realismus und Ostmoderne an der TU Dresden

Die Altana Galerie der TU Dresden zeigt mit sechsmonatiger coronabedingter Verzögerung in der Ausstellung »Realismus und Ostmoderne« Erwerbungen und Auftragsarbeiten aus den 1960er Jahren, die sich größtenteils im Kunstbesitz der Kustodie befinden. Die Ausstellung folgt inhaltlich der 2018 präsentierten Überblicksschau »Aufbruch und Neuanfang« mit Werken aus den 1950er Jahren. Bereits jetzt arbeitet die Kuratorin Gwendolin Kremer an der Weiterführung des Themas, um 2022 Sammlungsbestände der 1970er und 80er Jahre vorzustellen.

Die Idee zu dieser Ausstellungsreihe resultiert aus der Sichtung und Bestandsaufnahme der Sammlung und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den mittlerweile 3.000 Werken im Kunstbesitz der TU Dresden. Aus dem »Altkunstbesitz« der Zeit der Gründung von der »Technischen Bildungsanstalt zu Dresden« 1828 bis zur Zerstörung der seit 1890 Technische Hochschule benannten Bildungsinstitution 1945 sind 150 Werke erhalten. Ab 1951 wurde die Sammlungstätigkeit der TU systematisch weitergeführt, seit 1979 ist die Kustodie der TU Dresden mit der Aufsicht über die Kulturdenkmale der »naturwissenschaftlichen und technischen Sammlungen« sowie des »Kunstbesitzes« betraut. Ein Großteil der Kunstwerke weist einen regionalen und institutionellen Bezug auf und dient der Ausstattung von Universitätsräumen.

Vergleicht man die aktuelle Präsentation mit der vorangegangenen Bestandsschau der 1950er Jahre, fällt ein Verlust der Heterogenität in der Sammlungsbreite aufgrund einer kulturpolitisch verordneten Programmatik auf. Dass die folgenden zwei Dekaden in einer Ausstellung zusammengefasst werden sollen, kündet von einer weiteren Verhärtung des Kulturkonflikts, politischen Doktrinen und ausbleibenden finanziellen Zuwendungen für stationäre und mobile Kunstwerke. Die Entwicklungen der Hochschulpolitik in der DDR lassen sich »im Spiegel der Erwerbungen und bewussten Nichterwerbungen« nachvollziehen.

Im November 1948 erschienen in der Täglichen Rundschau zwei Artikel »Über die formalistische Richtung in der deutschen Malerei« von Alexander Dymschitz. Hierin ging es weniger um Formalismus, wohl aber »um die Aufpfropfung einer Ideologie und einer ihr entsprechenden Ästhetik, einer Ästhetik der Belehrung und der Macht«, ein Angriff auf den Westen und die dort lebenden Künstler. Mit einem kurz darauf als Kontra veröffentlichten Artikel von Herbert Sandberg wurde die Formalismus-Diskussion zur Debatte. Mit seinem ebenfalls in der Zeitung veröffentlichten Beitrag »Wege und Irrwege der modernen Kunst« schürte der politische Berater der Sowjetischen Militäradministration Wladimir Semjonow unter dem Pseudonym Nikolai Orlow 1951 die Debatte. Die Auswirkungen zeigten sich 1953 auf der III. Deutschen Kunstausstellung, die fast durchgängig politisch propagierte Staatskunst zeigte. Es folgte der »Bitterfelder Weg« 1959, der die neue programmatische Kulturentwicklung hin zu einer »eigenständigen sozialistischen Nationalkultur« einläutete. Namensgebend war eine Autorenkonferenz des Mitteldeutschen Verlages im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld mit dem Ziel, die »Entfremdung zwischen Künstler und Volk« zu überwinden. Die Diskussion um die Formensprache zwischen Figuration und Abstraktion erreichte mit der zweiten Bitterfelder Konferenz 1964 nachhaltige Wirkungen.

Zeugte die 1951 wieder aufgenommene Sammlungstätigkeit der TU Dresden zunächst von Aufbruchsstimmung und Neuanfang und war die Sammlungspolitik der Institution und des künstlerischen Beirats eingangs progressiv und unabhängig, werden jetzt in der Ausstellung  »Realismus und Ostmoderne« die Auswirkungen der Debatte und die Unterdrückung der Autonomie von Kunst und Künstler deutlich.

Die in Auftragsarbeit gefertigten Gelehrtenbildnisse wie Rudolf Nehmers »Rektor Prof. Joachim Günther« (1961) und Rudolf Berganders »Rektor Prof. Dr. rer. Oec. Gerhard Rehbein« (1963) sind formelhaft, einer Tradition verhaftet, dienten der Agitation und waren frei von einer eigenen künstlerischen Handschrift. Interessant, dass in diesem faden Reigen dennoch Werke wie Ernst Hassebrauks »Prof. Hans Dehnert« (1960) mit eigenständigem künstlerischen Duktus zu finden sind. Zu der propagierten Auftragskunst gehören auch Darstellungen der vorgeschriebenen Hochschulpolitik, die über Bildnisse von Lehrenden und Studierenden kommuniziert werden sollte. Im Ringen um Aufbau und Akzeptanz internationaler Beziehungen legten die DDR-Gremien neben dem Fokus auf Gaststudierende aus dem befreundeten sozialistischen Ausland auch besonderes Augenmerk auf Studierende anderer Nationalitäten und Kulturkreise. Davon künden die ausgestellten Bildnisse eines afrikanischen, chinesischen und koreanischen Studenten von Eva Schulze-Knabe. Die Betonung in den realistischen Bildmotiven lag weniger auf dem, was war, sondern vor allem auf dem, was sein sollte.

Neben zahlreichen gegenständlichen Arbeiten wie Fritz Trögers »Autokran« (1961), Franz Tippels »Prof. Schwabe im Chemikerkollektiv« (1960) und Max Uhligs »Blick von den Jagdwegen« (1965) finden sich nur wenige abstrakte Arbeiten in der Ausstellung, beispielsweise von Karl-Heinz Adler und Peter Albert. Letzterer studierte von 1954 bis 1960 an der Technischen Hochschule Dresden Architektur und lehrte in diesem Fachbereich als Assistent von Georg Nerlich Malerei und Grafik. Die ausgestellten Arbeiten von Peter Albert unterstreichen das Spannungsfeld der Kunstproduktion in den 1960er Jahren. Seine geometrischen Arbeiten wurden lediglich geduldet und nicht von der TU angekauft. Zu sehen sind Leihgaben. Aber als Absolvent und Dozent an dieser Bildungseinrichtung wurde er mit mehreren Kunst-am-Bau-Projekten beauftragt, unter anderem schuf er 1960/63 für ein Studentenwohnheim an der St. Petersburger Straße ein »Ornamentales Gipsrelief« im Treppenhaus über zehn Geschosse.

Die Ausstellung erzählt weiterhin von dem Ausbau des Universitätsgeländes in den 1960er Jahren, verweist auf stationäre Kunst-am-Bau-Projekte der Zeit und transformiert in Adaptionen und Interpretationen anhand von Statements der Künstler Andreas Kempe, Michael Klipphahn und Andre Tempel die Zeitgeschichte in die Gegenwart. Ein umfangreiches Begleitprogramm beleuchtet die Hochschulpolitik und die III. Hochschulreform 1968 sowie die baugebundene Kunst und Architektur der 1960er Jahre.
Patrick-Daniel Baer

Realismus und Ostmoderne  Altana Galerie im Görges-Bau, Helmholtzstrasse 9, 01069 Dresden
bis 29. Januar 2021, Katalog gratis
Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr
www.tu-dresden.de