Vongozero – Flucht zum See

Auf der Serien-Flucht vor der Pandemie durch Russland

Er ist ein Sehnsuchtsort, der See Vongozero. Nicht nur, weil das Gewässer malerisch fernab in Karelien gelegen ist, sondern vor allem, weil dort ein alter Holzkahn liegt, der, zur Behausung umgebaut, Schutz bieten soll. Denn von Moskau aus breitet sich eine Pandemie in Russland aus, die alle Infizierten in blutkotzende weißäugige Wesen verwandelt, bevor sie sterbend dahinröcheln. Medizin? Nicht in Sicht.

Vor diesem Hintergrund macht sich eine Gruppe Menschen auf den Weg, dem Virus zu entkommen. Sie sind Nachbarn und Verwandte, Exen und Neugepaarte, Kinder und Alte, Draufgänger und Angsthasen. Und dann ist da der autistische Misha, der die Situation aus seiner ganz eigenen Sicht betrachtet. Gemeinsam sind sie in drei Autos auf den Straßen, gezwungen, sich auf engstem Raum zusammenzuraufen, denn nur so, dass müssen sie ein ums andere Mal lernern, können sie überleben und den Vongozero erreichen. Erschwerend ist, dass der Outbreak mitten im schweren Winter passiert, und Vater Staat lieber mit Kalaschnikows als mit Wissenschaft das Problem lösen will.

Am Ende gibt es zwei Hochzeiten und mehr als einen Todesfall, eine schwierige Schwangerschaft, einen heilsamen Augenblick sowie ein Finale, das eine zweite Staffel fast zwingend macht. Denn dass am zugefrorenen See nur Friede, Freude, Eierkuchen warten, damit durfte man nicht rechnen. Und dann kracht es …

All das ist mit sicherer Hand inszeniert und gut gespielt, und ein wenig scheinen die dramaturgischen Kniffe von »The Walking Dead« durch. Untertitelmuffel werden hier wohl abschalten, denn bisher hat Netflix keine deutsch-synchronisierte Fassung auf Lager, aber hört man sich erst mal rein, lernt man schnell den Sound der russischen Sprache zu mögen (die älteren Ossis werden manche Worte und Sätze aus dem Schulunterricht wiedererkennen). Und dann gibt es ja auch Untertitel.
Uwe Stuhrberg

Vongozero – Flucht zum See (To the Lake)
Russland 2019 • Regie: Pavel Kostomarov
Mit Kirill Käro, Marjana Spiwak, Viktorija Issakowa, Eldar Kalimulin
8 Folgen auf Netflix