Fluchtpunkt oder Ziel

Neue Gedichte von Uwe Claus

Zwei Gedichtbände hat Uwe Claus, der in Gittersee am Rande Dresdens lebt, bislang veröffentlicht. Sein Debüt als Dichter mit dem stillen und schmalen Band »Raben halten Siesta«, liegt immerhin bereits zwölf Jahre zurück. Dann, 2010, legte er bei Eric van der Wal das Künstlerbuch »Garten Eden im Kopf« vor. Nach kurzer Prosa und mehreren dramatischen Arbeiten – Weihnachtsstücke, Krippenspiele, Musicallibretti – erschien im Frühjahr nun unter dem poetischen Titel »Den Mondkopf auf der Schulter« Uwe Claus lyrische Ernte des vergangenen Jahrzehnts, grafisch stimmig ergänzt von Ju Sobings luftig leicht ziselierten Zeichnungen. Das vorangestellte, anrührend auf die Vergänglichkeit irdischen Seins verweisende Motto liefern die Schlusszeilen aus Tomas Tranströmers Gedicht »Schwarze Ansichtskarten«, geschrieben, als der schwedischer Poet gerade mal die Fünfzig überschritten hatte: »Mitten im Leben geschieht’s, daß der Tod kommt / und am Menschen Maß nimmt. Diesen Besuch vergisst man, / und das Leben geht weiter. Doch im stillen wird der / Anzug genäht«.

Vom Unterwegssein und vom Verweilen will Uwe Claus in vorwiegend kurzen, lapidar gehaltenen Versen erzählen, von Freiheit und Begrenzung, von Landstrichen und Orten, »die Ziel, Durchgangsstation oder Fluchtpunkt« sein könnten. So führt er uns auf seiner realen oder imaginierten „Lebensreise“ vom Harz, wo die Hexenfeuer glimmen, zum kondensgestreiften Himmel über der Leipziger Tieflandsbucht, an die heimatliche Triebisch und ins berlinische Pankow (hier, als Adam verkleidet, entdeckt er Eva auf dem Großstadtbalkon und: »Aus dem Augenwinkel / zwinkert das Glück«). Hernach retour nach Gittersee in Frühlingslaune und »ick bün allhier« ruft ihm Eva entgegen, tanzt Tango (den Mondkopf auf den Schultern) spricht von Norwegen gar, von Skitour und Schnee und Adam, hellsichtig, gesteht es sich ein: »Ich bin durch den Wind«. So engmaschig das in den Versen herbei zitierte geografische Netz des »fahrenden Dichters« auch gesponnen sein mag, (reicht es doch kaum über mitteldeutsche Landesgrenzen hinaus), an Themenvielfalt mangelt es dennoch nicht: Liebe als Lust und Last, Verträumtes, Versäumtes, selbstironisch Hinterfragtes, Tagtraum und Nachtalb, Schmerz und Phantom, landschaftlich Bodenstämmiges zwischen Schwarzem Moor und glimmenden Hexenfeuern, zwischen Hünengrab und Flakversteck (beinahe) alles gerät zu Poesie. Nicht recht ins Bild einzupassen scheint sich mir das ein wenig bemüht gereimte »Ellendorf. Wacholderheide«. Konkurrenzlos schön hingegen: »Die kupferne Haarnadel des Mondes / hält die Nacht zusammen, Lichtpfützen / pflastern Straßen, Gassen und Plätze. // Unausgesprochen Adams Erkenntnis / nicht zum Prinzen geboren zu sein. // Der Fluss trägt / irrlichternde Träume zum Meer, mehr / ist nicht zu erwarten«.
C. David

Uwe Claus: Den Mondkopf auf der Schulter.
Gedichte
edition petit. SchumacherGebler Dresden, 15 Euro