Antilopen on air

Ein bandeigenes Festival am 29. August auf der Schleife 1 am Club Tante Ju

Die Antilopen Gang kann (und will) es aber auch wirklich niemandem recht machen. Irgendwas ist immer. Davon weiß auch das Trio auf der aktuellen Platte »Alles muss repariert werden« ein Lied zu singen. »Wir werden beschimpft/Wir ecken nur an/Den Punkern zu Rap/Den Rappern zu Punk«, gibt man inmitten der augenzwinkernden Selbstverherrlichung »Direkter Vergleich« zum Besten. Um möglichen Kritiker*innen gleich von Beginn an den Wind aus den Segeln zu nehmen, haben Koljah, Panik Panzer und Danger Dan kurzerhand ein Hälfte-Rap-Hälfte-Punk-Doppelalbum parat. Das mit dem Wind und den Segeln ist natürlich Nonsens, da es die Gang nie ernsthaft getroffen hat, wenn schlecht über sie berichtet wurde. Ganz im Gegenteil: »Es tut mir so leid, aber ich empfinde Sympathie für alle meine Hater, meine Hater/Meine Hater sind die Geilsten, die es gibt/Ohne meine Feinde wär' ich nichts, meine Hater.« Das mit dem Doppelalbum stimmt allerdings und schien dem 15. Bandgeburtstag im vergangenen Jahr auch einfach nur angemessen zu sein.

Die Rap-Hälfte startet alles andere als rappig. »Nichts für immer« hält mit bedachter Saitenarbeit und Klavierklängen als sparsam instrumentierter Opener her, der einen nachdenklich stimmt. Womit die Marschroute der nachfolgenden zehn Rap-Songs auch vorgegeben wurde. Als die Antilopen Gang im Herbst 2023 an neuem Liedgut zu basteln begann, lag deutschland- und weltweit bereits einiges im Argen, was sich in jedem einzelnen Stück widerspiegelt. Es regieren Resignation und Wut. »Jede Utopie ist tot, jeder Traum ist ausgeräumt«, rappen Koljah & Co. mit kaum zu verbergender Aggression im von wortgewandten Gegensätzen lebenden »Traumtänzer und Schönmaler«. Die Welt war und ist am Arsch und lässt vielerorts kaum Platz für Optimismus. Woher auch? In dem bereits im Frühjahr 2024 veröffentlichten und in den Medien kontrovers diskutierten »Oktober in Europa« verarbeitet das Trio den wiederkehrenden Antisemitismus infolge des Terrorangriffs der Hamas vom 7. Oktober 2023. Die ohnehin eindrucksvollen, schockierenden und bildreichen Texte bekommen durch den in dieser Version wohlplatzierten Gesang des Feature-Gasts Sophie Hunger nochmals Nachdruck.

Egal, ob Weltpolitik oder private Schicksale. Sei es die Erinnerung an einen verstorbenen Freund der Band (»Rannte der Sonne hinterher«), die (Anti-)Drogen-Nummer »Alter Wegbegleiter« oder der melancholische Rückblick »Für wenige«. Mit dem aberwitzig betitelten »Das Leben ist schön« und »Wenn das hier vorbei ist« über das hypothetische Ende der Band kommt musikalisch sogar kurzzeitig ein wenig Beschwingtheit auf.
Wie praktisch, dass kurz darauf die Deutschpunk-Sause losgeht. Sause im Antilopen-Style wohlgemerkt. Es wird laut, rotzig und knackig, inhaltlich nicht mehr ganz so tiefgründig, aber weiterhin sprachfertig und kurzweilig. In der 77er-Punk-Nummer »Oberbürgermeister« geht es um Männlichkeitskritik. Manch einem mag der hymnische Refrain zu sehr nach Die Ärzte klingen, im Ohr bleibt die Zeile »Boris Palmer und Kollegah, Markus Lanz und Farid Bang/Oli Pocher, Richard David Precht, ja, wir sind eine Gang« aber trotzdem für eine längere Zeit. Gleiches gilt für einen augenzwinkernden Blick auf das Phänomen Fitnesscenter in »American Fitness am Herrmannplatz«, das vergleichsweise banale »Ich helfe nicht bei Umzügen« oder das hochmelodische »Netter Nachbar«. In Relation zur ersten Albumhälfte scheinen sich Verzweiflung und Resignation verabschiedet und Trotz und Verdrängung den Platz eingenommen zu haben. »Ich hab' keine Lust zu kämpfen, keine Lust mehr zu verzeihen«, heißt es passenderweise in der Ausbruchsfantasie »Weg von hier«.

Fantasievoll ist jedoch längst nicht alles. Songs wie »Aal«, »Kein Problem« oder »Muttertag« knattern in maximal anderthalb Minuten zornig in Dead-Kennedys-Manier an einem vorbei, gehören aber auch ohnehin zu den schwächeren Stücken auf einem insgesamt sehr guten Album. Besser, schlechter, passend, unpassend, ganz egal. Am Ende werden sowohl Punks als auch Rapper etwas an »Alles muss repariert werden« zu meckern haben. Das ist auch vollkommen legitim und ehrlicherweise das geringste Übel unserer Zeit.

Dass es aber auch beim Antilopen Air am 29. August zum Clash von Rap und Punk kommt, ist einem Contest »geschuldet«, den die Gang vorab für jeden Tourort ausgerufen hat: Man suchte die schlechteste Punkband der Stadt (Genre egal)l. In Dresden schafften es vier Bands in die letzte Auswahl: Die Kranken Schwestern, Kotpiloten, Valy And The Vodkas und Verkauf Musiqe. Gewonnen haben den Auftritt am Ende Valy And The Vodkas – eine All-Female-Combo, die beinharten Punk spielt (und darin nicht wirklich »schlecht« ist). Wer die Band noch nicht kennt, sollte schon mal den Schlachtruf »Renate« üben. Zum »Rest« des Line-ups dieses Abends war leider zum Redaktionsschluss noch nichts bekannt.

Antilopen Air 29. August, 19 Uhr, Schleife 1 am Club Tante Ju
Eine Freikarte gibt es mit einem SAX-Abo
Karten bei www.saxticket.de
www.antilopengang.de