Hip-Hop als Lebenstakt

Am 11. März feiert Alphonzo sein neues Album in der Chemiefabrik

Es wird ein besonderer Abend für Alexander Materni am 11. März in der Chemiefabrik. Denn dann schlüpft er wieder in die Haut seines Bühnen-Alter-Egos Alphonzo. Auf dem Programm steht die Live-Premiere des neuen und zweiten Albums »Mango Pulp«, das ohne Frage der bisherige Höhepunkt der Materni-Musikgeschichte ist, ja, wenn man so will, auch all das im doppelten Wortsinne verdichtet, was Alphonzo bis hierher gebracht hat.

Hört man sich zurück auf die Debüt-EP »Naturgesetze« von 2016 und das Debütalbum »Analog Slang« von 2019, hört man einen Alphonzo in bester Boom-bap-Manier, die Sounds und Kicks aus der Welt der 80er- und 90er-Jahre lieferte der begnadete Produzent Figub Brazlevic. »Mango Pulp« aber erzählt vom Erwachsenwerden des Alphonzo, der die Welt mit den Erfahrungen eines Mittdreißigers betrachtet und nicht versucht, endlos jugendlich zu bleiben. Dass er dabei einen zeitgemäßen Sound kreiert samt Rückgriff auf Vergangenes, macht das Ganze wirklich besonders.

Erste musikalische Einschläge im Mindset des Kindes Alexander Materni kamen durch Platten, die der Vater mit nach Hause brachte – vor allem Michael Jackson (»Thriller«!) und Alice Cooper blieben haften. In der Schule kam dann die Begegnung mit Hip-Hop und Punk. »Von den damals 13-jährigen Punks hatte fast jeder eine Band, und so fing ich an, in Proberäumen rumzuhängen«, erinnert sich Alexander. »Da ging es los mit dem Eintauchen in die Materie, den ersten Schritten, selbst Musik zu machen. Und es war für mich auch ein wildes Tanzen zwischen Hip-Hop und Punk.« Ein Meilenstein für den damaligen Teenager war das Hamburger Trio Dynamite Deluxe, das um die Jahrtausendwende mit Tracks wie »Pures Gift« oder »Samy Deluxe« die deutsche Hip-Hop-Szene aufmischte. »Damals begann ich auch, Texte oder gar – etwas weird – Gedichte in ein Buch zu schreiben, ohne damit etwas anzufangen.« Der Drang aber, sich auszudrücken, war ausgelöst. Ein anderer Auslöser war das Metallica-Orchester-Album »S&M«. Von vielen Fans noch heute mit Verachtung gestraft, brachte es Alexander Materni einen ganz eigenen Input/Output: »Ich hörte das damals mit zwölf hoch und runter, wobei ich auf einmal anfing, Bilder zur Musik zu sehen. Und die wollten dann irgendwann raus. Also fing ich an, die Filme, die fast unabhängig von der Musik in meinem Kopf entstanden, aufzuschreiben.«

Mit seinem Freund Carlo Sohl, heute Tätowierer im Hecht, entsteht die erste Punkband, da sind sie noch keine 14. In den Texten ist natürlich alles scheiße, überhaupt die Welt kaputt. Aber was macht man nach der Schule, zumal, wenn die Eltern beschließen, aus Dresden weg aufs Dorf zu ziehen? Schwierig. Erzieher wäre eine Option, da die soziale Ader bei Alexander Materni sehr ausgeprägt ist. Aber diese Ausbildung musste man bezahlen, er wäre ohne Einkommen gewesen. Die andere Möglichkeit war Einzelhandelskaufmann. Langweilig, aber das verdiente Geld war der Weg, mit 18 wieder in die Stadt zu wechseln, natürlich war der erste Stopp eine Neustadt-WG. Na ja, nicht ganz: »Ein halbes Jahr habe ich im Keller des Nestler-Gebäudes unter den Proberäumen gewohnt.«

Die Musik bestimmte von nun an den Lebenstakt, wobei der Weg von Alexander zu Alphonzo über viele Stationen führte: Mit Dufferpit, Masorati oder der Punk Rock Karaoke wurden härtere Gefilde durchstreift, mit Rude & The Lickshots, The Saloon Soldiers oder The Gents ging es im Offbeat voran.

Doch zwischendrin und am Ende gehörte das Herz vor allem dem Sprechgesang, nicht zuletzt über das Duo-Projekt Hecht Stuy. Auf diesem Weg lag viel Lernen über Musik, Produzieren, Scheitern, Banddynamik, Soloarbeit – und eine Familie mit zwei Kindern gibt es inzwischen auch. Und letztlich hat sich der erste Berufswunsch über Umwege dann doch noch in gewisser Weise erfüllt. Denn Alexander Materni hat Musik und das Vermitteln von Bildung unter einen Hut gebracht, indem er mit Schulband- oder Hip-Hop-Workshops in Schulen geht, um dort mit den Kids das Musikmachen und -entdecken praktisch zu erforschen.

»Mango Pulp« zeigt nun erstmals zu 100 Prozent Alexander Materni aka Alphonzo. Auch, weil er das Schreiben und Produzieren diesmal allein gestemmt hat. Entstanden ist ein durch Minisoundscapes verbundenes Album, das ein ganz eigenes Universum aufmacht, das im Style ebenso Mut zeigt wie in den Lyrics Standpunkte. Hier ist Alphonzo ganz bei sich selbst – und das ist schlichtweg großartig. Damit nicht genug, denn die erweiterte Erzählung einiger Singles findet über den Weg durch aufwendig gedrehte Videos statt.

Der Ort des Releasekonzertes war eine »Wohnzimmerentscheidung«, denn »es ist seit vielen Jahren der Klub, in dem ich bin, wenn ich weggehe«. Und der Respekt vor der eigenen Aufgabe, genug Publikum für die 400er-Venue zu ziehen, klingt durchaus durch. Aber die Show mit den neuen und älteren Songs, die auch DJ Access und Bumbatz als Band auf der Bühne hat, wird sicher ein fabulöses Ereignis mit einem Alphonzo in der Form seines Lebens.

Bleiben noch die Namensfragen: Alphonzo geht auf eine spontane Idee von Lord Bishop zurück, der einen Bühnennamen für seinen damaligen Bassisten Materni suchte. Und der Albumtitel? Pulp würde sich aus dem Sound erklären, den Rückgriffen auf Filme, Medien, Videostyles und Sounds. Aber Mango? Einfach mal Alfonso Mango Pulp googeln …
Uwe Stuhrberg

Alphonzo »Mango Pulp« Releasekonzert am 11. März, Chemiefabrik, www.alphonzo.de