Kunst lebt nur in der Veränderung

Interview mit IC Falkenberg vor seinem Konzert am 18. November in der Tonne

Als Ralf Schmidt 1960 in Halle geboren, wurde der Musiker und Sänger in den 1980er-Jahren als IC Falkenberg zum größten Popstar der DDR, wandte sich 1995 von der Musikindustrie ab, um sich als Singer/Songwriter am Klavier sowohl neu zu erfinden als auch wiederzuentdecken. Mit dem Album »Staub« veröffentlichte IC Falkenberg nun eine sehr gegenwärtige Rückschau auf sein Schaffen: Je ein Song von allen seinen Alben wurde neu produziert. Mit dem daraus entstandenen Programm ist er auf Tour, am 18. November gibt es im Rahmen der Reihe SAX Konzerte ein Konzert mit seiner Band in der Tonne.

SAX: Das aktuelle Album trägt den Titel »Staub« und enthält neue Versionen von je einem Song deiner bisher 17 erschienenen Platten. Warum dieser Titel? Staub ist ja eher etwas, das negativ konnotiert ist, etwas, das man beseitigt.
IC Falkenberg: Hier ist der Staub gemeint, aus dem wir alle sind und zu dem auch wir wieder alle werden. Der Song ist mein musikalisches Tes­tament. Selbstbestimmtes Leben und selbstbestimmter Tod – gehen, wie man gekommen ist. Ich habe zu oft in meinem Leben beobachten müssen, wie die Biografien und Werke von Kollegen verbogen und missbraucht wurden von Trittbrettfahrern und uninspirierten Leuten. Ich habe die, zugegeben naive Idee, dass dieses Lied mich und meine Songs davor beschützen kann.

SAX: Das Album ist eine Reise durch über 40 Jahre Bühnen- und Studioarbeit mit unzähligen Liedern. Wie war der Weg deiner Entscheidung, jeweils diesen einen Song aus meist einem Dutzend zu wählen?
IC Falkenberg: Von jedem Album habe ich mir den einen Song herausgesucht, der den Moment der Entstehung des jeweiligen Albums am besten manifestiert. Es sind nicht unbedingt immer die Lieder, die vielen gefallen, manchmal sind es auch die Außenseiter, die wenig beachteten. Neu arrangiert und produziert, in mein Heute übersetzt, wirken sie alle so nah an diesem Moment des Herbstes 2022.

SAX: Was unterscheidet diese Lieder-Sammlung von einem Best-of IC Falkenberg? Das wäre ja auch möglich gewesen und dazu noch weniger mühevoll.
IC Falkenberg: Ich finde Best-of’s eher langweilig. Wenn man einen Künstler mag, hat man alles von ihm und dann braucht es auch keine Compilation, die irgendein Musikindustriepraktikant zusammengewürfelt hat. Die Chance, alte Songs noch einmal in die jeweilige Jetztzeit zu holen, sollte doch eigentlich für jeden Musiker inspirierend sein. Für mich war es ein aufregendes Abenteuer.

SAX: Im Konzert erlebt man deine Songs meist entweder mit dir als Piano Man allein oder mit der Band als Singer/Songwriter-Rockkonzert. Auf »Staub« hast du dich für einen anderen Weg entschieden, und all deine bisherigen Erfahrungen in einem Sound zusammengefasst: Das Piano ist sehr präsent, kombiniert mit einer Zuwendung zum Songwriter-Pop mit Synthflächen, aber auch akustischen Instrumenten. Kann man sagen, dass dies für dich eine Rückschau ist, die eben auch eine Entwicklung zeigen soll?
IC Falkenberg: Meiner Meinung nach ist ein Album eine eigene Kunstform, die sich in einem Livekonzert nicht unbedingt wiederfinden muss und ja auch eigentlich gar nicht kann. Nach meiner Liedermacherphase Nr. 1, also Anfang der Achtziger, begann die Demokratisierung der Musik. Die ersten Sampler und Computer ermöglichten es jedem, Musik zu produzieren. Du brauchtest kein Studio mehr, das damals so viel kostete wie ein Einfamilienhaus oder ein Studium, das dir beweisen sollte was für ein großer Künstler dein Dozent ist. Für mich begann damit eine sehr kreative Zeit. Die ersten beiden Alben waren überwiegend elektronisch geprägt. Heute habe ich natürlich ganz andere Skills und bin instrumental viel breiter interessiert.

SAX: Obwohl es einträglich sein kann, hältst du dich vom sogenannten »Ostrock«-Business weitestgehend fern. Warum ist dir diese Nostalgie so fremd?
IC Falkenberg: Weil ich dieses Land vor unserer Zeit und die damit verbundene Sehnsucht nicht teilen kann. Dieses Land hat mich in eine Uniform gesteckt, verhaftet und bespitzelt, hat meinen Horizont mit einer Mauer zugestellt und mich bevormundet. Ich fühle da gar keine Sehnsucht.

SAX: Im Song »Osten« singst du »Ich bin im Osten geborn« und »Ich werd im Westen krepiern« – das erste eine Feststellung mit Verweis auf eine schöne Kindheit, aber auch auf den »Staub, der tief und dreckig ist«, das zweite Bitternis über ein System, mit dem man nicht klarkommen will. Wie lautet dein Fazit 32 Jahre nach 1990?
IC Falkenberg: Die schöne Kindheit habe ich meinen Eltern zu verdanken, aber nicht dem Land, in dem ich aufwuchs. Das Heute ist nicht besser, weil das Gestern nicht gut war. »Osten 3.1« ist eine Momentaufnahme des Entstehungsjahres 1993. Geschrieben 1993, aber erst 2000 veröffentlicht, um der Vereinnahmung durch den kurzen Ostalgie-Hype in den Neunzigern zu entgehen. Mitte der Neunziger wurde vielen im Osten klar, was die Versprechen der Politik wert waren und vor allem, dass blühende Landschaften und Einheit auch anders interpretiert werden können, wenn es um Macht und Gewinne geht.

SAX: Als Knabe warst du Chorsänger, hast die Klassik bereits in früher Kindheit aufgesogen. War das in deinem Elternhaus vorgeprägt?
IC Falkenberg: In meiner Familie gab es niemanden, der künstlerisch tätig war. Es gab ein tiefes Misstrauen gegen die Kunst als Mittel, eine Familie ernähren zu können. Ich hatte nicht das große Glück, Eltern zu haben, die mir den Weg zur Kunst erleichtern konnten, durch ihre Popularität oder ihr vieles Geld. Meine Eltern besorgten mir ein Klavier – damals für Leute wie uns der absolute Luxus.

SAX: Wann wurde aus dem Chorknaben der Punk Ralf Schmidt? War dies ein Mix aus Teenager-Rebellion und Aufstand gegen die »alten Männer«?
IC Falkenberg: … das begann schon sehr früh. Mein Freundeskreis – mit 16 Jahren – bestand vorrangig aus älteren Osthippies, die alle in Opposition zum Staat standen. Die alten Männer, die wir verehrten, hießen Bakunin und Mühsam. Ich glaube, die ganz normale Teenager-Rebellion habe ich übersprungen. Punk war in jedem seiner Gedanken, das wichtige Update.

SAX: Du hast bereits mit 14 eigene Lieder geschrieben und bezeichnest dich selbst rückblickend auch in dieser wilden Zeit als Liedermacher. Worüber hast du damals geschrieben und gesungen, wie bist du aufgetreten?
IC Falkenberg: Ich spielte illegal in Kirchen, besetzten Häusern und überall, wo sich eine Möglichkeit bot. Eine Auftrittsgenehmigung verwehrten mir die Kulturfunktionäre aufgrund der Texte. Ich versuchte damals einfach, mein Leben und das meiner Freunde zu beschreiben. Schule, Beruf, Armee, also die ganzen Anstalten des Staates, die uns zu »nützlichen« Mitgliedern der sozialistischen Gesellschaft formen sollten.

SAX: Schließlich wurde aus dem Punk Ralf ­Schmidt der Popstar IC Falkenberg – rein formal gesehen ein Bruch. Für dich eher Fortsetzung deiner Kunst mit anderen Mitteln?
IC Falkenberg: Am Anfang, und das war ja der Köder, wollte Stern Meißen wirklich so eine Art New Wave machen. Aber das wurde sehr schnell alles in Richtung Pop geschoben, was für mich kein Problem war, denn der Begriff Pop ist für mich nicht negativ besetzt. Ich genoss es, mit großartigen Musikern straighte Popmusik auf einem hohen musikalischen Niveau zu machen.

SAX: Wie bist du eigentlich zu Stern Meißen gekommen? Die Band stand ja eher für Progressive Rock, »Kampf um den Südpol« war der größte Hit, war aber schon von 1976. Wollte die Band mit dir zu neuen Ufern und neuen Fans?
IC Falkenberg: Ich spielte mit meiner Punkband bei der Suhler Werkstattwoche im »Musikantenklub« auf der Aftershowparty. Dieser Auftritt sorgte für einige Empörung, da ich meine rot-schwarze Schminke ausgerechnet mit einem »Neuen Deutschland« am Ende unseres Konzertes aus dem Gesicht wischte und die Zeitung nun wie mit Blut verschmiert aussah. Das wiederum sorgte für Aufmerksamkeit bei drei einflussreichen Redakteuren von DT 64. Diese empfahlen mich Martin Schreier, dem Chef von Stern. Der castete gerade alles, was irgendwie singen konnte, auf der Suche nach einem neuen Sänger für neue Musik, um der Bedeutungslosigkeit seiner Band zuvorzukommen.

SAX: Hast du Ablehnung alter Stern-Fans erfahren? Ich fand das damals so schrecklich wie Manuel von Senden bei electra. Die Achtziger schienen die gute Musik der Siebziger zu stehlen.
IC Falkenberg: Die Entscheider von Stern Meißen waren offensichtlich der Meinung, man muss seinen treuen Konzertbesuchern nicht unbedingt erklären, warum nun alles sehr anders wird und warfen mich damit dem berechtigten Zorn der Leute zum Fraß vor. Ich bin für einige, völlig Verpeilte immer noch der Schuldige an der stilistischen Veränderung der Band im Jahr 1983. Manche Menschen brauchen Feindbilder, wie wir in den Jahren seit 2015 noch mal schmerzlich bemerken mussten.

SAX: Wie hast du gespürt, dass der Stern-Meißen-Kosmos dir nicht alles geben kann, dass da mehr in dir steckt, als Frontmann und Songwriter einer Band zu sein?
IC Falkenberg: Sehr schnell eigentlich. Die Grenze der Experimentierfreudigkeit war schnell erreicht. Ich schlug Songs vor, die keiner wollte, die wurden dann meine ersten Solohits. Die ersten Songs für das Soloding hab ich sehr planlos geschrieben und produziert, zu Beginn wirklich nur so für mich. Dann hörten das ein paar Leute vom Radio und überzeugten mich, das Ganze doch ernsthafter anzugehen.

SAX: Niemand war in den letzten zehn Jahren der DDR so erfolgreich wie du, auch noch parallel mit Band und als IC Falkenberg. Du warst auf einmal der Chartstürmer schlechthin. Was hat das mit der Person Ralf Schmidt gemacht?
IC Falkenberg: Popularität ist für Menschen wie mich toxisch, ich kann mit Hysterie und Fanatismus überhaupt nicht umgehen. Mir macht das Angst. Andererseits habe ich mich über den Erfolg sehr gefreut, denn den hatte ich mir selbst zu verdanken, gegen alle Widerstände der Band zum Beispiel. Nun könnte man ja sagen, ohne meine Position bei Stern Meißen wäre das nicht so gut gelaufen. Dem steht entgegen, dass IC eine sehr viel größere Resonanz erzeugte als Stern Meißen, die jedoch von meinen Soloaktivitäten vor allem profitierten.

SAX: Wie kam es 1989 zur Trennung von Stern Meißen? Hatte das mit den politischen Unruhen zu tun oder gab es beim Erfolg um IC keinen Platz mehr dafür?
IC Falkenberg: Es gab schon lange Schwierigkeiten und Ungereimtheiten mit Martin Schreier und dem »organisatorischen Leiter« der Band. Die Band war in vielen Beziehungen mit dem Führungsstil der beiden unzufrieden. Das und ein Zusammenbruch im Sommer 1989 signalisierten mir, dass ich diese Konstellation verlassen musste, um mich zu schützen.

SAX: Du hattest kurz vor dem Ende der DDR mit Andreas Bicking das Dance-Projekt Delta Dreams am Start. Was war das genau?
IC Falkenberg: Andreas Bicking schätze ich heute noch für seine Coolness und seine Freundlichkeit, aber vor allem für seine musikalischen Fähigkeiten. Ich wollte ihn bei diesem Projekt unbedingt dabeihaben, weil seine Einflüsse aus Jazz und R&B genau das waren, was mir für Delta Dreams fehlte. Wir waren 1989 »Video des Jahres« und um ein Haar hätten wir einen Deal mit dem Label eingetütet, das dann wenig später mit Snap sehr erfolgreich war, aber die Mauerfallwirren begruben dieses Projekt so wie viele andere.

SAX: Tamara Danz und du, ihr wart auch rein äußerlich die wohl augenfälligsten Personen der ostdeutschen Musikszene. Wie wichtig war dir diese Inszenierung, wie viel Ralf Schmidt steckte darin?
IC Falkenberg: Ich bin ein Theaterkind. Mit zehn verdiente ich mein erstes Geld mit Singen. Für mich ist der Gang auf die Bühne etwas Verantwortungsvolles. Man mag es Inszenierung nennen, ich nenne es Ernsthaftigkeit. Sich für die Bühne extra zu kleiden, ist ja auch ein Vorgang, der dich selbst auf eine andere Ebene bringt und dir damit signalisiert: Das Spiel beginnt, alles andere ist jetzt unwichtig.

SAX: Der Absturz der ostdeutschen Musikszene war nach 1990 für die meisten brutal. Du konntest fast übergangslos weiterarbeiten mit einem Plattenvertrag und Medienpräsenz. Allerdings wollte man dich nun in eine Art gut verkäuflichen Popschlager-Interpreten morphen. Wann kam der Gedanke, das abzuwählen, was dich wohl gut über ein paar Krisenjahre gebracht hätte?
IC Falkenberg: Ich landete in einer Schlagersendung, laut Vertrag war ich verpflichtet, alle mir angebotenen Promotion-Möglichkeiten wahrzunehmen. Der Song wurde vorher von einem Produzententeam umgebaut, bis nichts mehr von ihm übrig war und dann glattproduziert, sodass er fugenlos zwischen die Werbeblöcke des Formatradios passte. Da begann der Prozess der absoluten Desillusionierung und ich begann, meine Sachen zu packen, um die Musikindustrie für immer zu verlassen.

SAX: Wer dir in den sozialen Netzwerken folgt, sieht, dass du großen Wert auf gute Fotos legst, ausschließlich in Schwarz-Weiß. Nur wenige wissen, dass du in den 1990ern eine Zeit lang mehr als Fotograf denn als Musiker gearbeitet hast. Wie kam es dazu und was genau hast du in dieser Zeit gemacht?
IC Falkenberg: Es begann 1999 mit der AIDS-Gala in Berlin. Ich spielte dort mit meiner Band einen Song gegen das Vergessen der Krankheit AIDS. Ich kam mit ein paar Leuten ins Gespräch, die wussten, dass ich immer mal wieder professionelle Fotoshootings für Models und Schauspieler machte. Sie fragten mich, ob ich mir vorstellen könnte, nach Südafrika zu reisen und dort bei einem großen Event des Nelson Mandela Childrens Fund zu fotografieren. Das war der Beginn. Mir kamen die zwei Jahre Auszeit sehr gelegen. Ich habe die Welt mehrmals umflogen und mein Bewusstsein schärfen können für die globalen Themen. Ohne diese Perspektive wären danach viele Lieder nicht entstanden.

SAX: Viele Jahre hast Du die größtmögliche Distanz zu Deinem früheren Schaffen gesucht, diese ja regelrecht zelebriert. Es gab quasi eine Phase Metal against IC – bis Du den Mann am Klavier für Dich entdeckt hast. Über viele Jahre hast Du dann Album für Album veröffentlicht, Konzerte meist solo gespielt. Wie war diese Erfahrung, sich ein neues Publikum mit neuen Liedern zu erspielen inklusive all der bitteren Erfahrungen, die damit verbunden sind?
IC Falkenberg: Den Mann am Klavier habe ich ja eigentlich für mich wiederentdeckt nach einer langen Reise. Ab 2000 war mir klar, dass das mein Weg sein muss um all das, was ich komponieren und texten will, auch realisieren zu können. Klar ist es auch schön, mit der Band zu spielen, aber allein am Klavier bin ich zu Hause seit ich 14 war. Es war nicht immer leicht, den Leuten zu begegnen, die mit Recht dachten, jetzt kommen Lieder wie »Mann im Mond« oder »Eine Nacht«, und dann singt der politische Lieder. Aber mittlerweile kommen die Leute auch für die Songs, die nach 1990 entstanden sind, das macht mich sehr stolz und vor allem glücklich. Die Vorstellung, dass man sein Leben lang mit seinen Hits im Originalarrangement seine Runden dreht, hat mich schon immer zutiefst deprimiert. Kunst lebt nur in der Veränderung.

SAX: Du hast vor nicht allzu langer Zeit einen Frieden gemacht mit den Hits wie »Mann im Mond« oder »Dein Herz«, wenn auch die Soloversionen oder die Bandversionen atmosphärisch eine noch mal andere Wirkung entfalten. Andererseits ­räumst du deinem jeweils aktuellen Schaffen live einen großen Platz ein. Gibt es da kein Hadern mehr, dass ein Teil des Publikums dann doch auf »Eine Nacht« wartet?
IC Falkenberg: Nein. Ich habe mir ja bewiesen, dass ich lange Zeit ohne die Songs, die vor 89 entstanden sind, meinen Weg mit meinen neuen Liedern machen kann. Jetzt fühlt sich das nicht mehr an wie Oldie-Band. Außerdem habe ich einen guten Weg gefunden, die alten Lieder zu spielen, als wären sie aus dem Heute.

SAX: Wenn du mit der Band spielst, hat das immer auch einen Dresden-Bezug, denn mit Sascha Aust und Tom Vogel spielen zwei Musiker an Gitarre und Bass, die aus der Stadt kommen. Wie seid ihr zueinandergekommen?
IC Falkenberg: Ich kenne die beiden schon sehr lange aus anderen, ganz verschiedenen Zusammenhängen. Irgendwann sprach ich die beiden an und dann waren sie auch schon mit an Bord. Ich schätzte die Meinung meiner Musiker sehr, wir haben in vielem die gleichen Themen und Sichtweisen auf die Welt. Das ist für mich die Grundbedingung für eine künstlerische Zusammenarbeit.

SAX: Einer deiner Söhne ist auch Musiker, allerdings in deutlich härteren Gefilden unterwegs. Gibt es da gegenseitige Befruchtung, Kritik, Rat?
IC Falkenberg: Ja, was ist hart und was ist weich? Für mich war es immer wichtig, ob mich etwas berührt, und nicht wie es heißt oder welches Image es hat. Wir tauschen uns aus, wenn es Gelegenheit oder Anlass gibt. Das ist für beide Seiten natürlich immer von Vorteil und es macht ja auch Spaß, mal kurz in andere Sphären einzutauchen und sich inspirieren zu lassen. Zusammenarbeiten gab es auch schon. Unter anderem haben wir für mein Noise-and-Drone-Projekt Voydn einen Track zusammen produziert. Ich bin sehr stolz auf ihn und seinen Weg, den er ganz ohne meine Hilfe genommen hat, von der musikalischen Früherziehung durch meine Musiksammlung mal ganz abgesehen.

SAX: Du konntest 2020 deinen 60. Geburtstag nicht mit einer Tour und einem Album feiern. War die »Staub«-Idee damals schon präsent oder hat sich diese erst während der Pandemiepause entwickelt?
IC Falkenberg: Den Plan, »Staub« zu produzieren, gibt es schon seit 2018. Ende 2019 begann ich damit und wurde 2020 von der Pandemie ausgebremst.

SAX: Was ist dein Fazit aus den zwei Jahren Pandemie als Künstler und Mensch?
IC Falkenberg: Ich habe das Gefühl, dass mit der Pandemie die Gräben und Risse, die seit 2015 die Gesellschaft spalten, noch tiefer geworden sind. Menschen, die seit Jahrzehnten befreundet sind und ganze Familien finden keinen Weg mehr zurück zum konstruktiven Diskurs. Populisten haben das Podium erobert, verkaufen mit ihren Theorien ihre Bücher und Platten und vergiften das gesellschaftliche Klima. Dieses Land hat sich noch mehr entsolidarisiert. Die großen Themen verschwinden hinter riesigen, inhaltsleeren Sprechblasen der Politik, die von der Industrie an der ganz kurzen Leine durch die Manege geführt wird. Beispielsweise kann und muss auch jeder Einzelne etwas gegen den menschengemachten Klimawandel tun, um die Zerstörung des Planeten aufzuhalten, aber ohne tiefgreifende Veränderungen in Politik und Wirtschaft wird uns das nicht gelingen. Und wann verschwinden eigentlich die Faschisten wieder aus den Parlamenten, die in Krisen immer schon ihr Überleben gesichert haben?

IC Falkenberg & Die Band 19. November, 20 Uhr, Tonne
www.falkenberg-musik.de