Das Bürgerforum

Die Dresdner und das "Monument": ein Stück in 4. Akten

1. AKT

Am Abend des 16. Februars stand eine kleine Schlange vor dem Verkehrshistorischen Museum in Dresden. Von hinten hat man nur die Köpfe der zwei Türsteher am Eingang erkannt, die jede Person kurz angehalten haben. Der ältere, adrett gekleidete Mann vor mir dreht sich um und sagt mit einem Grinsen im Gesicht: „Achtung Ausweiskontrolle“. Na das fängt ja schon mal gut an. Als ich dann wenige Sekunden später vor den zwei Herren am Einlass stehe, kommt es aber noch besser. Ich bekomme einen kleinen A6 Zettel mit Regeln in die Hand gedrückt. „Damit das Gespräch gelingen kann, ist es wichtig, dass sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einige einfach Regeln halten.“ Ich hatte schon einmal so einen Zettel in der Hand, das war jedoch in der 6. Klasse im Politikunterricht, zu dem Thema „Wie führt man eine sachliche und tolerante Diskussion“. Trotzdem bin ich erstaunlicherweise nicht verwundert über das eben erhaltene Regelwerk.

Als ich dann den Empfangsraum des Museums am Neumarkt betrete, fällt mir auf, dass die Bestuhlung eine unbewusste räumliche Trennung erzeugt. Intuitiv setze ich mich auf die linke Seite, bewaffne mich mit Stift und Zettel und spüre wie die ersten Blicke mich durchbohren. Ich atme einmal tief ein, dann lass ich meinen Blick durch den Raum streifen und schau mir die zum Bürgerforum erschienenen Dresdner an. Der demographische Wandel ist klischeehafterweise im Raum spürbar, aber niemand sieht so richtig wütend aus. Okay, einige Gesichter schauen etwas düster in den sich füllenden Raum, aber von Wut ist bis jetzt noch keine Spur. Kurz nach 18 Uhr wird es immer stiller und die ersten schauen dramatisch auf ihre Armbanduhren. Ach, die gute deutsche Pünktlichkeit. Trotzdem ist, als die Veranstaltung wenige Minuten später anfängt, immer noch niemand auch nur annähernd sauer. Fast enttäuscht starre ich auf meinen leeren Zettel.

Die Bürgermeisterin für Kultur und Tourismus, Annekatrin Klepsch, erscheint auf der Bildfläche. Sie begrüßt alle anstandsgemäß und bedankt sich beim Verkehrsmuseum Dresden und den erschienenen Bürgern. „Dresden ist  in den Schlagzeilen, da in dieser Stadt gern gestritten wird“. Was für ein Satz, der die traurige Realität schon fast ironisch erscheinen lässt. Geschickt leitet sie zu dem eigentlichen Thema des Abends über: der Diskussion über die Kunstprojekte „Monument“ und „Lampedusa 361“. Dann liest sie diesbezügliche Leserkommentare aus dem „ostsächsischen“ Raum und Online-Statements einiger „Zeitgenossen“ vor. Der Satz „Reibung erzeugt Wärme“ fällt. Unterhaltungsfaktor vorprogrammiert. Das könnte den ganzen Abend so weitergehen, aber Frau Klepsch sagt, sie sei nicht zum Vorlesen hier und es gehe auch nicht darum, welche Seite besser klatschen kann, sondern man wolle gemeinsam ins Gespräch kommen.

Ach so, das Klatschen hätte ich fast vergessen zu erwähnen. An diesem Abend zeigt sich früh, das einige Dresdner nicht nur pfeifen und schreien, sondern auch ganz zivilisiert klatschen können. Zum Abschluss ihrer kurzen Ansprache zitiert sie noch Professor Dr. Werner Patzelt, welcher nicht nur Politikwissenschaftler an der TU Dresden, sondern auch ein hervorragender Blogger ist. In seinem Blog schreibt er: „Streit um Kunst ist gut. Streit um Kunst im öffentlichen Raum ist erst recht gut. Eben durch solchen Streit wird Kunst nämlich politisch. Und dass Kunst auch politisch ist, tut einem freiheitlichen Gemeinwesen gut.“. Eines sei gesagt: Während meines Studiums habe ich gelernt, dass es immer gut ist, Professoren zu zitieren. Dann folgt noch einmal die übliche Belehrung, übrigens auch aus Professor Dr. Patzelts Blog, „Zum Streit aber gehört: Dem anderen zuhören. Seine Argumente verstehen wollen. Sorgfältig auf sie antworten. Mit gutem Willen reden.“ Dazu die Betonung, dass es nicht das Ziel der Veranstalter ist „irgendjemanden umzuerziehen, sondern produktiv […] mit der Stadtgesellschaft ins Gespräch zu kommen“. Wäre dies alles Teil eines Theaterstücks, würde jetzt bestimmt irgendjemand klatschen.

Stattdessen ergreift einer der Moderatoren das Wort und erklärt, dass man über Kunst sehr schwer diskutieren kann, da jeder seine persönliche Meinung dazu hat. „Kunst ist das, was wir zu Kunst machen“ – und wieder fühle ich mich wie in der 6. Klasse, dieses Mal nur im Kunstunterricht. Meine Lehrerin versucht uns möglichst diplomatisch zu erklären, dass alles Kunst sein kann und es kein Richtig und Falsch gibt. Und abermals folgt eine Ermahnung. „Wir wollen versuchen sachlich, respektvoll und ehrlich zu sein. … Jede Wahrnehmung hat Gültigkeit und jede Meinung ist zu sagen und darf gesagt werden.“ Denn das nennt man Meinungsfreiheit. Herzlichen Glückwunsch. Es folgt die erneute Verlesung des Regelwerkes für alle, die zu spät gekommen sind. Zum Schluss seiner kurzen Ansprache wünscht sich der Moderator, dass alle „in gewissen Rahmen Spaß haben und … dass wir alle gut gelaunt nach Hause gehen.“. Dresden will sich übrigens als Kulturhauptstadt 2025 bewerben.

Mit dem Satz „Wir Moderatoren sind nicht schlauer als sie und in diesem Sinne gute Unterhaltung“ wird der imaginäre Gong zur Diskussion eingeleitet.

2. AKT

Dies war nun der erste Streich und der zweite folgt sogleich. In anderen Worten: Herzlich willkommen im Teil 2 „Des Bürgerforums – Die Bürger melden sich zu Wort“.

Erster Auftritt: Helga B., die seit über 50 Jahren in Dresden wohnt. Sie mag besonders das Wort „Pseudokunstwerk“ und fragt sich, wer dieses genehmig hat, was es kostet und vor allem wer es finanziert hat.

Zweiter Auftritt: Kerstin S. hinterfragt berechtigter Weise das Wort „Pseudokunstwerk“ und befürwortet „Monument“ als zeitgenössische Kunst. 

Dritter Auftritt: Lydia E.. Sie glaubt, dass es schwer ist, uns Wohlstandbürgern zu vermitteln, was in Aleppo passiert. Dessen ungeachtet würde sie das Geschehen am 13.Februar trotzdem gern davon trennen. Sie sieht in dieser Installation vor der Frauenkirche eine „grauenhafte Gegenüberstellung“. Sie ist empört darüber und kann die dafür Verantwortlichen nicht verstehen.

Vierter Auftritt: Klaus B. hat den Wiederaufbau der Frauenkirche kritische begleitet, weil er fürchtet, dass damit Erinnerungen verloren gehen. Er begrüßt die Bus-Installation und dankt der Stadtregierung für dessen Realisierung.

Fünfter Auftritt: Hans B. hat verstanden, dass die Frage, ob es Kunst ist oder nicht, zweitrangig ist. Er erkennt, dass die Installation ein Mahnmal von erster Qualität ist. Für diese Aussage bekommt er einige Lacher aus dem Publikum.

Sechster Auftritt: Peter R. verweist auf das Dialogproblem in Dresden und mit der Bundesregierung. Der bemitleidenswerte, vermutliche Anhänger alternativer deutscher Parteien fühlt sich in seiner Redezeit etwas benachteiligt und erkennt, dass er fast am Ende seiner gestatteten Redezeit angekommen ist. Deshalb betont er, dass die Meinung von Pegida unterdrückt und verdreht wurde und dass das wirklich nicht fair ist.

Siebter Auftritt: Manfred ist gerne „Neu-Dresdner“. Er findet den Standort der Busse unverständlich und ist der Meinung, dass Kunst von Können kommt und dass das Aufstellen der Busse keine Kunst sein kann.

Achter Auftritt: Eine junge Dresdnerin meldet sich zu Wort. Für sie war die Frauenkirche immer ein Symbol des Vergessens, des Nationalismus und des Krieges. Die drei Busse inspirieren sie zum Nachdenken und verkörpern für sie mehr die Realität als die rekonstruierte Innenstadt Dresdens.

Neunter Auftritt: Manfred Nr. 2. Seiner Meinung nach hat man es nicht geschafft, ein würdiges Denkmal für die Oper der Bombardierung zu erschaffen, wofür er gewaltigen Applaus erhält. Für ihn sind die Busse am Neumarkt nur „Schrott“ und er kann darin keine Kunst erkennen. Trotzdem ist ihm bewusst, dass jede Bombe eine Bombe zu viel ist und dass die deutsche Rüstungsindustrie das Gegenteil von gut ist. Er will eine Friedenspolitik mit Russland.

Zehnter Aufritt: Der gebürtige Mann aus Strehlen erinnert sich gern an den sächsischen Protest „mit der Kerze“. Er möchte sich nicht näher zum Kunstwerk an sich äußern, aber wünscht sich mehr Sensibilität von der Stadtverwaltung.

Elfter Auftritt: Der junge Mann, der zwar denkt, dass der Krieg in Syrien schlimm ist und dass man Tote nicht politisch instrumentalisieren soll, vermittelt dies aber trotzdem in einem wohlbekannten alternativen Redestil. Außerdem ist es für ihn unerträglich, dass Linksextreme am 13. Februar durch die Stadt ziehen können. Er hebt zwar minimal die Altersquote an, aber seine Meinung erinnert trotzdem irgendwie an die Montage der vergangen zwei Jahre.

Zwölfter Auftritt: Der werte Herr, der seit 13 Jahren in Dresden lebt, stellt gern Fragen. 1. Warum gerade Aleppo? 2. War jeder im Rathaus so naiv nicht vorher zu wissen, welche Flagge wehte? 3. Irgendeine unverständliche Frage zum Künstler und seiner Tradition.

Dreizehnter Auftritt: Eine Frau, die bei der Eröffnung der Installation war und unglücklicherweise nichts verstanden hat, da irgendjemand auf die schlaue Idee gekommen ist, zu pfeifen und zu schreien. Jedoch hat sie kurzerhand eine Frage aus dem schreiende Mob aufgegriffen und auch die passende Antwort darauf gefunden. Gehören die Busse nach Dresden? – Ja, aber sie gehören ebenso an andere Orte. Außerdem wurde sie schon am Eingang, weil sie eine rote Jacke trug, als „Versiffte“ beschimpft. Irgendjemand war wohl leider nicht in der Lage, das Regelwerk zu lesen. 

Vierzehnter Auftritt: Kurze Anmerkung zur Kunst im Allgemeinen. Der Kunstbegriff sollte erweitert werden und toleranter betrachtet werden. Außerdem sind die Angriffe gegenüber dem Künstler grenzwertig und vor allem fragwürdig.

Fünfzehnter Auftritt: Als Sechsjähriger hat er Dresden brennen und den Schrecken in den Augen seiner Mutter gesehen. Er empfindet die Businstallation als ein „ganz großartige Idee“ und erkennt die Gemeinsamkeit der Tragik zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Und plötzlich hört man jemanden gehässig lachen und sogar ein kleiner Pfiff verirrt sich, welcher aber schnell von Applaus übertönt wird.

Sechzehnter Auftritt: Christiane Mennicke-Schwarz meldet sich als Mitverantwortliche für die Installation zu Wort und entschuldigt die krankheitsbedingte Abwesenheit des Künstlers Manaf Halbouni.

Achtzehnter Auftritt: Helge M. richtet seine Frage an Frau Schwarz und erkundigt sich, ob ihr bewusst ist, wie viele Menschen mit dem Kunstwerk verletzt wurden und ob die Kunst Wirkung zeigt. Außerdem möchte er Frau von der Leyen und allen anderen mächtigen Rüstungsindustrieländern einen Bus zu senden.

Neunzehnter Auftritt: Auf ein Neues fallen die Worte „scheinheilig“ und „heuchlerisch“. Übrigens, falls sie es noch nicht wussten: Merkel ist an allem schuld, also wirklich an allem. Außerdem kommen keine bedürftigen Flüchtlinge nach Deutschland, sondern nur junge Männer, ausgestattet mit Smartphones. Dieses verrückte 21. Jahrhundert aber auch, mit seinen Smartphones. Zum Oberbürgermeister hat der sprechende Herr übrigens auch eine sehr starke Meinung.

Zwanzigster Auftritt: Frau R. eine gebürtige Dresdnerin, dankt für die Installation und ernter dafür nur Murren.

Einundzwanzigster Auftritt: Nun spricht ein Mann, der 1945 geborgen wurde und in seiner Kindheit „die Stadt wiederaufgebaut hat“. Er empfindet die Installationen als eine „Schande für Dresden“. Er äußert den Satz: „Mir führen keinen Krieg in Syrien und sind auch nicht dafür verantwortlich.“

Zweiundzwanzigster Auftritt: Inga B. ist nicht in Dresden geboren, aber mag die Stadt, welche sich traut, Kunst zu zeigen die berührt, die kritisiert und es wagt den Finger in die Wunde zu legt.

Dreiundzwanzigster Auftritt: Der Redner fragt, ob Dresden bereit ist, eine Partnerschaft zu Aleppo aufzubauen und damit eine direkte Verbindung zu den Menschen dort herstellen kann und möchte.

Vierundzwanzigster Auftritt: Holger D. mag den „scheinheiligen Schrott“ nicht und bezieht sich auf einen Bundestagsbeschluss von 2015, in welchem der Kriegseinsatz von Deutschland gegen Syrien beschlossen wurde. Bitte scrollen sie noch einmal zum Auftritt 21. Zwei sehr unterschiedliche Argumentationsansätze, trotzdem klatschen bei beiden Beiträgen die gleichen Zuhörer.

Man möge mir bitte die viel zu lange Ausführung des zweiten Aktes entschuldigen. Kurz zusammengefasst und ganz im Stil der „Lügenpresse“ auf die negativen Aspekte reduziert, sind folgende Worte oft gefallen: „Schrott“, „Schuld“, „scheinheilig“, „heuchlerisch“ „Schande“ und die ganz spannende Kombination „scheinheiliger Schrott“. Regel 3 der Veranstaltung besagte übrigens: „Wiederholungen sollten […] möglichst vermieden werden“. Das mit dem Regeln klappt schon mal.

3. AKT

Aber kommen wir jetzt mal zum Ernst der Sache. In dieser Welt sterben Menschen, weil sie eine andere Meinung haben, weil sie sich ein anderes politisches System wünschen, weil sie frei sein wollen. Es sterben Menschen und wir diskutieren ernsthaft über Kunst oder darüber, ob etwas unserer Kultur oder unserer Vergangenheit gerecht wird. Können wir nicht einfach mit dem Vergleichen aufhören und uns als ebenbürtige Weltbürger begegnen oder ist das zum jetzigen Zeitpunkt zu viel verlangt? Und ja, die deutsche Waffenindustrie ist erschreckend und unmoralisch und 57.000 Euro (die Stadt Dresden beteiligte sich mit 15.000 Euro) in ein politisches Kunstwerk zu investieren erscheint etwas banal, aber so lange es uns endlich mal aus unserer Wohlstandblase herausbringt und uns zum Nachdenken und zur Diskussion anregt, dann ist es das ganze Geld wert.

Die Installation „Monument“ ist ein Kunstwerk der Gegenwart, welches uns westlichen Bürger daran erinnern soll, dass es nicht überall auf der Welt so friedlich ist wie in unserem eigenen Land. Es holt uns auf den Boden der Tatsachen zurück – und das ist unbequem.  Da draußen tobt der Wahnsinn des Krieges, des Mordens und der Macht. Da draußen werden Fahnen gehisst, die wichtiger erscheinen als das Schicksal der zivilen Bevölkerung. Wie viele Bürgerforen braucht es denn alles noch, bis wir endlich begreifen, dass wir ein Herz haben und dass uns diese Situation in der Welt alle etwas angeht.
Man soll von mir aus wüten, schreien und pfeifen – so viel man will. Man mag reden von „aufgebrochenen Gräben“ und kategorisieren in „Alt- und Neudresdner“. Man soll sich beschweren – das ist das Recht der Meinungsfreiheit, was vielen Menschen in anderen Teilen der Welt untersagt wird. Aber nie sollte man vergessen, dass es reiner Zufall war, dass man auf diesem Stück Erde geborgen wurde, welches sich Deutschland nennt. Und wer gern kategorisiert in „gute“ oder „schlechte“, in „christliche“ oder „muslimische“ Menschen, wird vielleicht einmal erkennen: Wenn man die Adjektive weglässt, sind wir alle nur Menschen.

4. AKT

Kurz vor dem Ende der Veranstaltung ergreift Heidrum M. das Wort und plötzlich ist absolute Stille im Raum. „Mein Name ist Heidrun M. und mir fällt es nicht leicht hier zu sprechen. Hier hat sich so viel angesammelt. Ich lebe seit 1944 in dieser Stadt. Mein Vater war ein kleiner NSDAP-Mitläufer. Ich habe ihn geliebt, er war der beste Vater der Welt. Er hat nie darüber gesprochen. Er stand, als alle anderen eingezogen wurden, heulend nach zwei Tagen vor der Tür und heulte, weil er nicht in den Krieg durfte, sondern Panzer in Dresden reparieren musste. Ich bin großgeworden mit meinen zwei Schwestern, da war der 13. Februar ein tiefer Tag. Der 24. Dezember hatte nicht diese Wirkung, das war zwar auch wunderbar, aber am 13. Februar durften wir alle lange aufbleiben. 21.30 Uhr wurden alle Fenster aufgemacht und man hörte die Glocken, also das, was noch da war an Glocken. Es war so eine tiefe Besinnung nach Frieden. Wir haben es gar nicht ausgesprochen, aber alle wussten, dass das etwas ganz, ganz Lebenswichtiges ist. Ich habe mich dann später dafür eingesetzt, dass der 13. Februar ganz still bleibt, so wie wir das Jahrzehnte lang gewohnt waren. Dass sich alle mit einer Kerze an der Frauenkirche trafen und die Kerzen niederlegten. Ich glaube, keinem Dresdner hat etwas gefehlt. Ich habe zwar nicht in ihre Köpfe geschaut und jetzt erst rückblickend glaube ich, dass da sehr viel Unterschiedliches durch die Köpfe ging und ich will es auch gar nicht wissen. Für mich und für viele Dresdner war es einfach nur ‚Nie wieder Krieg’. Dann, ich war zwar nicht von Anfang an dafür, war ich sehr froh, dass die Frauenkirche wiederaufgebaut wurde, obwohl ich das Mahnmal noch sehr lange vermisst habe. Es gibt kein Denkmal, dass so gewirkt hat, aber jetzt freue ich mich. Zum Schluss noch der ganz große Bogen. Ich muss sagen, in der DDR haben wir nicht gelernt mit Aktionskunst umzugehen, wir waren nicht weltoffen und ich wünschte mir, dass Dresden eine weltoffene Stadt wird, die all das zulässt, was auf der Welt wichtig ist und dass wir darüber reden können. Den Deckel aufmachen und darüber reden, ist ein hohes Gut.“ (Das Zitat wurde gekürzt und minimal stilistisch verändert.)

Es ist mehr als wichtig, sich an die Vergangenheit zu erinnern, dass wir nicht noch einmal dieselben blinden Fehler begehen. Auch ist es wichtig, den Opfern – und zwar allen, denen der Vergangenheit und denen der Gegenwart – zu gedenken, aber würdevoll und bedächtig. Trotz alledem leben wir im Hier und Jetzt. Gerade passiert einfach viel zu viel Schreckliches, vor dem wir nicht unsere Augen verschließen dürfen. Diesbezüglich wirkt ein Bürgerforum, in dem man über Kunst, zwar politische Kunst, diskutiert, etwas komödiantisch. Trotzdem ist es aber die Realität: Drei Busse bewegen eine ganze Stadt und teilen diese im ersten Augenblick in unterschiedliche Lager, aber schlussendlich bieten sie auch die Möglichkeit der Begegnung und Diskussion.
Felicitas Galinat