Der Impf-Tanz

Mit wie vielen G kann ein Club überleben?

Ende August gab es mal wieder einen Corona-Bohei in der Stadt. Zwei Clubs hatten verkündet, fortan in ihren Häusern das 2G-Modell einzuführen, Zutritt also nur für Genesene und vollständig Geimpfte bei den Veranstaltungen in den Innenräumen. Das objekt klein a im Industriegelände meldete dies am 24. August und erklärte die Entscheidung zu einem »kontrollierten Ausnahmezustand«. Zwei Tage später folgte der Club Gisela. Das Interessante daran: Es drückten zwei Läden als erste den 2G-Knopf, die vom Konzept her kaum gegensätzlicher sein könnten, und sie wählten einen Zeitpunkt, an dem die sächsische Regierung wohl noch in der Vordiskussion zum Thema war. Aber sowohl in Löbtau als auch im Norden wollte man mit einer gewissen Planungssicherheit in den Herbst gehen. Die Gründe wurden unterschiedlich formuliert, laufen aber auf das Gleiche hinaus: Feiern mit Abstand und Maske sowie stark verminderter Kapazität ist unsinnig bis nicht möglich, inhaltlich wie wirtschaftlich unterläuft 3G die pure Existenz.

Es kam natürlich, wie es kommen musste: Sofort wurde vom querdenkenden Klientel die Hasskarre aufgefahren und in den »sozialen« Netzwerken wirklich nichts an Unsinn, Lügen und Verdächtigungen ausgelassen. Und während das oka inzwischen weitgehend Ruhe hat, muss sich Gisela noch immer mit teils abstrusen geführten Diskussionen herumärgern. Dazu kommt, dass selbst in der Presse teilweise irreführend über die Möglichkeiten der verschiedenen Hygienekonzepte berichtet wird. Und fast immer geht es in der Auseinandersetzung nur um eine Perspektive: Werden hier Menschen ausgeschlossen? Es ist an der Zeit, der Diskussion auch einen anderen Fokus zu geben.

Reden wir als erstes über etwas, das in diesem Land heiliger ist als alles andere: das Eigentum. Die meisten Clubs befinden sich im Besitz von Firmen, Privatpersonen oder Vereinen, die wiederum eine Geschäftsführung haben. Um es klar und verständlich zu machen, zitieren wir mal wie aus dem Handbuch für Wirtschaft: »Die zentrale Aufgabe der Geschäftsführung ist es, den Gesellschaftszweck zu erfüllen und alle organisatorischen, kaufmännischen und personellen Maßnahmen zu ergreifen, die dafür notwendig sind.« Wenn nun der Gesellschaftszweck unter anderem darin besteht, Partys und Konzerte zu veranstalten, dann hat man geradezu die Pflicht, alles gesetzlich Erlaubte zu unternehmen (man ist ja Unternehmer), um genau das möglich zu machen. Dafür benötigt es nicht einmal die Corona-Verordnung einer Regierung, denn ganz einfach gesagt, es gilt immer: Mein Laden, meine Regeln. Und dass reine Gastronomie, Kino, Theater, Museen oder Open Airs mit anderen Voraussetzungen agieren können, sollte auch klar sein.

Wer jetzt schon wieder davon spricht, dass 2G eine Impfpflicht durch die Hintertür sei, dem sei gesagt: Tanzen in geschlossenen Räumen ist kein Menschen- und kein Verfassungsrecht. Ebenso wenig die Teilnahme an Stehkonzerten. Ganz im Gegenteil: Die Veranstalter dieser Events tragen das alleinige finanzielle Risiko, weil man davon ausgehen darf, dass die bisherige Sonderfonds-Unterstützung des Staates für die Kultur nicht ewig weitergehen kann. Zusätzlich können 2G-Veranstaltungen dazu beitragen, dass weniger Steuermittel notwendig sind, um Verluste der Veranstaltungsbranche auszugleichen oder Kurzarbeitergeld zu zahlen. Sie können sogar Steuerzahlungen erwirtschaften und dazu wieder Menschen in Jobs bringen. Apropos Jobs: Es kann ja auch nicht im Interesse eines Clubbetreibers sein, die zur Verfügung stehende Zeit noch auf Monate mit dem Schreiben von Unterstützungsanträgen und deren Verfolgung durch die Behörden zu vertun. Da ist es ein Treppenwitz, dass von Trollen behauptet wird, die Clubs würden für ihre 2G-Entscheidung vom »Merkel-Regime« bezahlt. Im Gegenteil: 2G bedeutet eine Abkehr von staatlicher Unterstützung hin zur üblichen Eigenverantwortung. Und nicht zuletzt gibt es Clubs, die sich in ihrer Programmatik als Teil der Gegenkultur sehen, und von daher eine Abhängigkeit von »Papa Staat« kritisch sehen.

Letztendlich ist die Klage des impfskeptischen bis impfablehnenden Klientels, sie würden ausgeschlossen, vor allem eine egozentrische Sichtweise. Denn man muss immer auch die andere Seite betrachten: Nur wenn man jetzt (!) das Überleben der Clubs sichert – und sei es mit zeitweisem 2G-Konzept –, wird es im kommenden Frühjahr überhaupt noch Kulturstätten geben, in die man Tanzen gehen kann. Dieses Überleben kann jedoch keine Regierung leisten, sondern das werden nun die Geimpften/Genesenen mit ihrer Teilhabe am möglichen Feier- und Konzertbetrieb leisten, sodass Einnahmen fließen und dazu die ganze daran hängende Wertschöpfungskette wieder in Gang kommt.

Natürlich ist 2G auch unter infektionstechnischer Sicht zu betrachten. Der Irrglaube, dass eine Impfung die Ansteckung mit dem Corona-Virus und dessen »Weitergabe« verhindern kann, ist nach wie vor ebenso weit verbreitet wie falsch. Die inzwischen bundesweit beachtete Party von Münster hat das erst kürzlich mehr als deutlich gemacht, als sich von 380 Feiernden über 80 angesteckt hatten. Auch hier galt 2G, es fand nach jetzigem Stand kein Nachweisbetrug statt (außerdem hat die Stadt eine Impfquote von etwa 80 Prozent). Bis drei Wochen nach der Feier wurden keine schweren Verläufe und kaum Symptome vermeldet. Letztlich gibt es noch eine Erkenntnis, die sich nur schwer durchsetzt: Es werden fast alle irgendwann mit dem Virus infiziert, das ist kaum zu vermeiden. Die Frage ist dann, ob das Virus im Körper einen gepieksten Gegner oder ein nicht immunisiertes Opfer findet. Natürlich stecken vor allem jüngere Menschen eine Infektion leichter weg, aber es bleibt ein Lottospiel – ein Blick in die entsprechenden Stationen der Krankenhäuser reicht. Diese sind zwar noch weit von einer Überlastung entfernt, aber: winter is coming. Die Impfdurchbrüche wiederum, oft von Skeptikern als Argument herbeigeführt, lagen Mitte September in Deutschland bei knapp 40.000 gegen 52,7 Millionen vollständig geimpfter Menschen. Der Rest ist Mathematik.

Und da kommen wir wieder zum Thema der inhabergeführten Clubs: Zum Geschäftszweck gehört nämlich auch, dass sich das Publikum sicher und wohl fühlt – niemand will, dass jemand mit einer schweren Erkrankung nach dem Tanz nach Hause geht. Und so wird es mit sehr großer Wahrscheinlich dazu kommen, dass in den kommenden Tagen weitere Clubs für einen Teil oder für alle ihre Indoor-Veranstaltungen 2G verkünden werden. Intern wird das hart diskutiert, niemand macht sich diese Entscheidung leicht, selbst wenn alle Beschäftigten im Haus geimpft sind. Aber die populistische Losung »Alle oder keiner« ist eben genau nur das: eine populistische Losung, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat.
Uwe Stuhrberg

Zitat Objekt klein a

Wir sind uns bewusst, dass diese Maßnahme alles andere als all inclusive ist. Doch gegenüber Clubs, die Menschen aufgrund diskriminierender Zuschreibungen den Einlass verwehren, glauben wir an dieser Stelle (ebenso wie in Bezug auf gruppenbezogene Menschenfeinde) ausnahmsweise einen triftigen Grund zu haben. Lieber wäre uns, der Staat übernähme bei einem 3G-Modell die Testkosten – wie es in Österreich der Fall ist – sodass mit der Testung ALLER Clubbesucher:innen der höchst mögliche Schutz für ALLE gewährleistet werden kann. Solange dies aber nicht der Fall ist, möchten wir dennoch für die vielen Geimpften unter euch öffnen und hoffen dabei auf euer aller Verständnis.

Zitat Club Gisela
Nach stundenlangen Gesprächen, Telefonaten und nachdenklichem Schweigen müssen wir Euch leider mitteilen, dass die einzige Möglichkeit unser so geliebtes Business, welches offensichtlich 0 Lobby hat, weiter betreiben zu können darin besteht auf 2G zu gehen. Also gilt bis auf Weiteres Einlass nur mit Impfpass oder Genesenennachweis.
Ums gleich klarzustellen: Wir wollen NIEMANDEN ausgrenzen oder ähnliches, wir MÜSSEN aber diesen Schritt gehen, um unseren Betrieb weiter am Leben zu halten.
Club Gisela