Die klingende Elbkarawane

Die Dresdner Sinfoniker spielen am 4. September ein 
Konzert für Schaufelraddampfer und Orchester

Im September 2020 sorgten die Dresdner Sinfoniker einmal mehr für Aufsehen – und Hochsehen. Denn mit dem Projekt »Himmel über Prohlis« spielte der Klangkörper nicht nur mitten zwischen den Hochhäusern des Neubauviertels, sondern auch auf den Dächern. Im Juli dieses Jahres wiederholten die Sinfoniker den künstlerischen Coup, diesmal auf Vielgeschossern in Hamburg. Und jetzt wird im Rahmen des Dresdner Kultursommers die Elbe zu ihrer Bühne: Am 4. September um 18.30 Uhr gesellen sich fünf historische Schaufelraddampfer zum Orchester auf einer schwimmenden Plattform. Die durch Kesseldruck betriebenen Dampf-Pfeifen der Schiffe werden zu Mitspielern in einem einmaligen musikalischen Experiment. Vom Elbstrand aus und auf den Dampfern erlebt das Publikum ein vollkommen neues Konzertformat vor dem Hintergrund der grandiosen Dresdner Altstadt.

Bereits seit 1836 schippern die Schiffe der Dresdner »Weißen Flotte« ihre Gäste zu den landschaftlichen Attraktionen an der Elbe vor den Toren der Stadt – sie ist mit ihren neun his­torischen Schaufelraddampfern die älteste und größte Raddampferflotte der Welt. Wie die Wasser­oldtimer aber nun Teil eines Kunstwerkes werden, wird in der Historie der Elbschifffahrt ein ganz neues Kapitel aufschlagen. Bereits mittags werden sich einzelne Instrumentalgruppen der Dresdner Sinfoniker in Dresden-Pillnitz einschiffen. Von kleinen Booten aus geben sie auf ihrem Weg in die Innenstadt an zahlreichen Anlegestellen sowie an Kieselstränden und Uferwiesen der Elbe kostenfreie Mini-Konzerte. Wer mag, kann der Karawane auf dem Fahrrad oder im eigenen Faltboot von Haltepunkt zu Haltepunkt folgen und musikalische Entdeckungen machen. In der Dresdner Altstadt wechseln die Mitwirkenden das Transportmittel, bereit für den Höhepunkt der Elbkarawane. Auf einem 100 Meter langen Schubverband erreichen sie ihre endgültige Position inmitten der Elbe.

Für genau 1.000 Zuschauer*in­nen wird ein Areal mit allerbester Sicht und Akustik am Elbstrand des Königsufers reserviert. Von hier spannt sich die Konzertbühne vor dem am Strand sitzenden Publikum perfekt auf. Mehrere Hundert Meter lang reihen sich die Dampfer am gegenüberliegenden Terrassenufer, vor ihnen mittig der Schubverband mit dem Orchester der Dresdner Sinfoniker. Für alle Konzert­besu­cher*innen gilt die bekannte 3G-Regel (geimpft, genesen, getestet), Tickets für den Elbstrand und die Plätze auf den Raddampfern können vor der Veranstaltung online erworben werden unter www.dresdner-sinfoniker.de, eine Abendkasse wird es nicht geben. Der ursprüngliche Plan, das Gelände offen zu lassen für alle, scheiterte leider an den Corona-Bestimmungen. Immerhin: Die ersten 200 Ticketkäufer:innen zahlen nur 8 Euro statt 19.

Auf dem Programm steht ein »Concerto Grosso für fünf Schaufelraddampfer und Orchester«. Andreas Gundlach setzt im Eröffnungsstück neben Bläsern, Schlagwerk, Klavieren und einem Streichquintett die Dampfpfeifen von fünf Passagierdampfern ein und behandelt sie dabei wie Solisten. Genauso wie die Schiffe selbst sind ihre alten Dampfpfeifen einmalige Charaktere, haben unterschiedliche Stimmungen und können differenzierte Töne von unglaublicher Lautstärke produzieren. Im Konzertstück werden die Dampferpfeifen »Unterhaltungen« mit einzelnen Orchesterinstrumenten beginnen, sich in Akkorde einfügen und dabei Dampfstöße in den Abendhimmel schicken. Einen wichtigen Beitrag zum Konzert­abend leisten dabei auch die fünf Schiffsbesatzungen: Unermüdliche Heizer sorgen für einen konstanten Kesseldruck, die Kapitäne bedienen die Dampfpfeifen per Pedal. Auf jedem Schiff wird es außerdem einen eigenen Schiffsdirigenten geben, der die Partitur verfolgt und die Anweisungen des Hauptdirigenten auf dem Schubverband – an diesem Abend wird dies Premil Petrovic sein – an den Kapitän weitergibt. Im Teamwork wird so die Dampfpfeife zum Orchesterinstrument.

Nach diesem fulminanten Auftakt folgt als zweite Uraufführung des Abends »Being« von Michael Torke, einem der führenden amerikanischen Komponisten. Das Stück für 24 Instrumentalist*innen ist in neun Sektionen unterteilt, die ohne Unterbrechung aufeinanderfolgen. Torke gilt als Vertreter des Post-Minimalismus, also jener Richtung, die der Minimal Music der 1960er-Jahre mit ihren spannungsfreien Repetitionen kleinster motivischer Einheiten wie bei Steve Reich neue Elemente aus Jazz und Pop hinzufügen. So entsteht bei Torke pure Freude am Rhythmus und eine Musik, die gute Laune versprüht und immer wieder mit neuen Einfällen überrascht. Torke gelingt das Kunststück, für viele zugänglich und gleichzeitig komplex und vielschichtig zu sein.

Es ist keine Frage, dass die Dresdner Sinfoniker als hochspezialisiertes Orchester für Neue Musik für eine solches Projekt prädestiniert sind, das mit seinen visionären, sozial wie politisch engagierten Projekten weltweit präsent ist. Am 4. September aber bleiben die Musiker*innen in ihrer Heimatstadt und holen ihre Zuhörer dort ab, wo diese zu Hause sind. Mit einem großen Projekt im öffentlichen Raum wollen sie – mit den Partnern von Seebühne und Weißer Flotte – ein engagiertes Zeichen setzen und bekräftigen, dass auch und gerade in Zeiten der Pandemie der Kontakt zwischen Künstler*innen und Publikum nicht abreißen darf.

Elbkarawane 4. September, 
Minikonzerte an verschiedenen Anlegestellen von 12 bis 15 Uhr, finales Konzert ab 18.30 Uhr am Königsufer
Tickets für 19 Euro nur über www.dresdner-sinfoniker.de