Die Kurzen werden länger
Das Filmfest Dresden geht vom 17. bis 22. April in seine 24. Ausgabe
Doppelspitzen in Führungsgremien sind immer häufiger anzutreffen, und meistens steckt eine seltsam anmutende Quote dahinter. Das Filmfest Dresden macht sich um Proporz dieser Art keine Gedanken. Sonst hätten sie mehr Männer dabei… Auch im zweiten Jahr gibt es mit Alexandra Schmidt, Katrin Küchler und Karolin Kramheller sogar eine weibliche Dreierspitze beim Internationalen Festival für Animations- und Kurzfilm.
Es ist »Zug« im Programm. Vorbei die Zeiten, als sich vieles darum drehte, vorsätzlich neue Bewerberrekorde aufzustellen und noch das letzte exotische Land mit einer Einladung zu ehren. Man darf als Zuschauer mittlerweile auf Vielfalt u n d Qualität vertrauen. Trotzdem oder deswegen haben es auch Streifen aus Uruguay und Kirgisistan geschafft. Und aus China – wobei es nicht einfach gewesen sein soll, sich durch die Vielzahl eingereichter Beiträge von dort zu arbeiten und Kunst statt »angewandte Animation wie in der Werbung« zu entdecken. ###MORE###
Filmfest-Säule ist der mit 64 000 Euro dotierte Wettbewerb. Über 2200 Filme aus 80 Ländern wurden für den internationalen und nationalen Sektor eingereicht, 42 beziehungsweise 29 sind »drin«. Gibt es Tendenzen? Die einheimischen Regisseure testen immer offensiver die Grenzen der Lauflänge aus, was meint: Mehr und mehr Filme reichen an die 30 Minuten heran. Dabei kommt der Humor immer kürzer weg. Nicht unbedingt der beste Tausch. »Seinsfragen«, stehen im Mittelpunkt, so die Veranstalter. Mit dabei unter anderem ein Kurzer von Lars Jessen mit Heinz Strunk sowie die lebendige Knete der Izabela Plucinska. Ihr »Afternoon« ist eine Premiere, während andere Werke schon auf Festivals präsent waren und zum Teil Preise abräumten: Apropos: »Filou Film« aus Dresden ist mit zwei Arbeiten dabei, »DVA« mit Stipe Ercek gewann gerade auf dem Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken einen Hauptpreis. International sind unter anderem die für den Kurzfilm-Oscar nominierten Beiträge aus Kanada und England vertreten und konkurrieren um einen der insgesamt sieben »Goldenen Reiter«.
Als das Filmfest 1989 gegründet wurde, zielte ein Anspruch ganz klar auf ausgefallene Filmkunst, provokative auch, solche, die keine Chance hatte, die wirklich große Leinwand zu erreichen. In einigen Nebensträngen wird auch Durchgang 24 diesem Ansinnen noch gerecht. 2012 sind es 29 Programme – wobei man sich hier für die Zukunft durchaus einschränken könnte, um schlicht der Reizüberflutung entgegenzusteuern.
Speziell, wenn man ein derartiges Highlight setzt, wie es ohne Zweifel die Präsentation von »Collapse Into Now« ist. R.E.M.-Frontmann Michael Stipe – selbst auch Schauspieler und Filmproduzent – hatte im Zusammenhang mit der (bis zur prognostizierten Wiedervereinigung) letzten CD erstmals in der Bandgeschichte zu jedem Song einen Clip in Auftrag gegeben. Unter den Beteiligten der 85jährige Dokfilmer Albert Maysles, der Oscar-nominierte US-Schauspieler und Regisseur James Franco, die französische Künstlerin Sophie Calle oder die englische Regisseurin, Fotografin und Konzeptkünstlerin Sam Taylor Wood. Komplett war die Kollektion bislang nur in London, Istanbul und New York zu sehen – die Aufführung in Dresden ist ein Ereignis, das derzeit selbst auf der R.E.M.-Homepage angekündigt wird. Dank der neuen Kooperation des Filmfestes mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden fand sich mit dem Lichthof des Albertinums für das außergewöhnliche Projekt auch eine außergewöhnliche Kulisse. Am 19. April werden die zwölf Filme – ergänzt durch die beiden R.E.M.-Videos zum Abschiedssong »We All Go Back to Where We Belong« – dort gezeigt, eine weitere Aufführung findet zwei Tage später in der Schauburg statt. Die Veranstaltung im Albertinum wird von einer Ausstellung von Star-Fotograf und R.E.M.-Intimus Anton Corbijn begleitet, der die Band unter anderem während der Aufnahme-Sessions zu dem Album mit der Kamera begleitete. Wie es der Zufall will startet am 19. April übrigens auch die Porträt-Dokumentation »Anton Corbijn Inside Out« im regulären Kinoprogramm.
Auf die Plakate des Filmfests hat es eine offensichtliche Matrjoschka geschafft. Das liegt am Fokus »Ostwind« in den Sonderprogrammen mit 38 in den 1960er Jahren entstandenen Streifen aus Ungarn, Polen, Jugoslawien oder der DDR. Dass darunter auch frühe Werke von Roman Polanski und Istvan Szabo sind, sollte nicht verwundern.
Kinderprogramme, Fokus auf Großbritannien, Israel, Quebec und Frankreich, Retrospektiven für den Drehbuchbuchautor und Regisseur Curt Siodmak (der 1902 in Dresden geboren wurde!), für Peter Sachs und Marran Gosov – es ist angerichtet! Der Vorzug immer: Viele Filmemacher kommen persönlich an die Elbe und stellen sich in den (Haupt)Festivalkinos Schauburg, Programmkino Ost und Thalia den Zuschauern. Und eine echte Party gibt es diesmal auch. In »So Electric!« legen nach der Preisverleihung am 21. April im Kleinen Haus unter anderem DJs auf, die mit Bedacht ausgewählt wurden und nun wirklich Exklusivität versprechen. Patrice Bäumel aus Amsterdam ist dabei und Kiasmos, hinter denen sich die Isländer Òlafur Arnalds und Janus Rassmussen (Bloodgroup) verbergen.
Andreas Körner
Filmfest Dresden 17. bis 24. April, www.filmfest-dresden.de