Die Moleküle tanzen Tango

Sebastian Eckhardt und sein Lakritzlikör »Dicke Tinte«

Die DDR-Salmiakpastillen? Sebastian Eckhardt erinnert sich genau: kleine rautenförmige Bonbons, welche mit ihrem bizarren Aromenmix aus Salzig-Würzig-Süß einen regelrechten Gefühlstsunami heraufbeschworen. Irgendwas zwischen Anziehung und Abscheu. Und ja, es sollte Jahrzehnte dauern, bis Sebastian Eckhardt seine Ablehnung gegenüber dem Naschwerk aus der Süßholzwurzel überwand. Ein Bonbon war schuld. Dass der eifrige Spender, ein Freund, gleich noch die Info hinterherreichte »in Skandinavien machen die daraus sogar Schnaps«, sollte schwerwiegende Folgen haben. Denn seit einem Jahr sorgt Sebastian Eckhardt unter dem Firmenlabel »Verflixt & Zugekorkt« in den Lakritzläden Deutschlands für Furore – mit seinem selbstgebrauten Lakritzlikör »Dicke Tinte«. Allein die knuffige Flasche mit einem wild ärmelnden Calamari, aus dem dicke schwarze Tinte rinnt, ist hitverdächtig. Und wie dicke Tinte sieht der 25-prozentige Likör denn auch aus, wenn er sich ins Likörgläschen ergießt.

Der Weg dahin war ein weiter. Denn einfach nur Bonbons in Sprit einlegen wollte Sebastian Eckhardt definitiv nicht. Die jahrelange Erfahrung bei der Herstellung feiner Obstweine hatten den hauptberuflichen Ingenieur gelehrt, dass ein gutes Produkt drei Dinge braucht: Zeit, gute Verarbeitung und feinste Zutaten. Die Basis für seinen schwarzen Tropfen bilden Weingeist und persischer Süßholzsaft, hinzu kommen Rohrzucker, Salmiaksalz und sieben streng geheime Gewürze. Aber wie viel von welcher Zutat? Dieser Frage ging Sebastian Eckhardt die letzten zwei Jahre in aufwendigen Versuchsreihen nach. Gleich einem Parfumeur hieß es immer wieder: ansetzen – abwarten – ausprobieren – nachjustieren. Denn gleich einem guten Parfum benötigen die Zutaten ein Quäntchen Zeit, um sich miteinander zu vermählen. Oder wie Sebastian Eckhardt treffend formuliert: »Die Moleküle tanzen Tango miteinander.« Das tun sie in seinen kleinen Genusslabors in der Neu- und Südvorstadt ganze zwei Monate lang, dann füllt der gebürtige Striesener die »Schwarze Tinte« in Flaschen.

Apropos Flaschen. Mitten im Rezeptfindungsprozess kam irgendwann Sebastian Eckhardts Papa um die Ecke mit einer alten Likörflasche. Ins Glas eingeprägt war der Schriftzug »Likörfabrik Adolph Eckhardt Dresden 1911«. Tatsächlich fand der umtriebige Lakritzkreateur heraus, dass ein entfernter Verwandter vor dem Krieg am Neumarkt eine Likörfabrik betrieb. Back to the roots? Ganz genau, denn der 42-jährige Spirituosenconnaisseur hat schon zwei weitere Testballons am Start, welche Mitte des Jahres in den Pichel-Orbit steigen sollen. Bis dahin heißt es, vertriebstechnisch noch ein wenig Süßholz raspeln – für die »Dicke Tinte«. Deren Geschmack? Ganz ehrlich, ein bisschen wie Salmiakpastillen. Und damit aufregend anders als alles bisher Likörerlebte: verrucht salzig, exotisch würzig und im Abgang von sanfter Süße. Also genau die Geschmacks-Achterbahn, bei der man mittendrin »Huaaaaah« und danach »Noch maaal« schreit.
Mutti

Verflixt & Zugekorkt – Die Likörmacher
Erhältlich in Dresden bei: Tee-Kontor (Louisenstraße 4) oder Catapult (Rothenburger/Ecke Böhmische).
www.dicketinte.de