Doppelt hallt schlechter

Dresden kurz vor dem 13. Februar

Dresden ward am 13. Februar 2010 zum Symbol: Erstmalig war es hier gelungen, den alljährlichen Trauermarsch der „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschlands“ (JLO) zu stoppen, der Tag verlief zudem ohne größere Gewaltausbrüche – die Taktik der Demonstranten hatte Erfolg und gab Auftrieb für einige anders artige Massenproteste im Jahr 2010. Die bundesweit nachhaltige Wirkung des Erfolges bestätigt Hannes Roth. Er ist einer der Aktivisten vom Aktionsbündnis „Dresden nazifrei!“, die mit dem Slogan „Dresden stellt sich quer“ zur neuerlichen  gewaltfreien Blockade der Aufmarschroute ruft, und der seinen mehrwöchigen ehrenamtlichen Einsatz im Vorfeld in Dresden ganz profan mit dem Motiv, etwas gegen gesellschaftliche Fehlentwicklungen tun zu müssen, erklärt. ###MORE###

Im Februar 2011 ist die Terminplanung nun simpler, die Gewissenkonflikte der Dresdner geringer, nur die Einsatzzeit aufwendiger: Am 13. Februar, dem 66. Jahrestag der Zerstörung, plant die Junge Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) nur einen kleinen Fackelmarsch – der garantiert nicht ins historische Zentrum führen wird, weil das subtile sächsische Versammlungsgesetz diverse Erinnerungsorte sowieso ausschließt. Da Fackeln sich nur im Dunkeln gut machen, Menschenketten sich hingegen besser im Hellen finden (und fotografieren lassen) und die beiden Außenlager für den 13. bislang nur regional mobilisieren, wird wohl einigermaßen Sonntagsruhe herrschen und wirkliches Gedenken – in Dresden gern als stilles stilisiert – möglich sein. Die Menschenkette ist allerdings bei weitem ambitionierter als 2010 angelegt. Heike Großmann, amtierende Pressesprecherin der Stadt Dresden, nennt die Route: 13 Uhr ist Treff an der Goldenen Rathauspforte, danach werden sich die Bürger und ihre Gäste von Rathaus über Synagoge, Carolabrücke, Königsufer, Augustusbrücke und Altmarkt zurück zum Rathaus verteilen. Um 14 Uhr werden alle Glocken der Innenstadt läuten, rund zwanzigtausend Armlängen plus zehntausend Schulterbreiten braucht man für das Vieleck, die zwei Brücken sollen eine neue Symbolwirkung entfalten. Stoppen wird die schützende Menschenkette nur den Verkehr, denn der JLO-Fackelmarsch wird wohl erst ab 15 Uhr mit ein- oder zweitausend Teilnehmern hinterm Hauptbahnhof beginnen, jedweder weiterer Protest (außer Mahnwachen an den drei City-Kirchen) in der Altstadt wurde ordnungsamtlich und gerichtlich als unerwünscht erklärt – die Altstadt soll  allein den jungbraunen Illuminatoren vorbehalten bleiben, nur keine bösen Bilder von hartem Widerstand.

Das stört natürlich das Aktionsbündnis „Dresden nazifrei!“, auch Hannes Roth: „Wir können nicht alles preisgeben“, sagt er und bezeichnet sich selbst als 27-jährigen Philosophie- und Soziologiestudenten, der nicht aus Sachsen, aber aus dem Osten stamme und keinesfalls Berufsdemonstrant sei. Wie er widmen seit Anfang 2011 rund 60 bis 70 Leute in Dresden ihre komplette Freizeit dem Gegenprotest, inklusive jedem zweiten Wochenende. In fast allen deutschen Großstädten gäbe es solche Komitees, für die der 13. Februar der wichtigste Tag im Jahr darstellt. „Man muss wissen, worauf man sich einlässt: Sowohl Nazidemos als auch Polizeieinsätze sind kein Spaß. Auch ist Blockieren kein Spaziergang und nach dem Mutlangen-Urteil zumindest eine Ordnungswidrigkeit“, warnt Roth. 

Dennoch rät er nach dem Menschenketten zum Straßensitzen: „Dabei immer auf Konsens in der Bezugsgruppe achten – nichts riskieren, was nicht alle wollen oder man nicht einschätzen kann. Einfach überfordernde Situationen meiden!“ Denn dass dieses Jahr zumindest beim zweiten Termin am 19. Februar ein anderer Wind weht, weiß jeder Prophet – und zwar seit dem Abend des 13. Februar vor einem Jahr. Das wurde bestätigt erst in dieser Woche durch aktuelle Gerichtsurteile zugunsten der beiden Trauermärsche und Verbannungen offizieller Gegendemonstrationen auf die jeweils andere Elbseite bestätigt. Die Zeichen sind klar: Harte Blockierer müssen damit rechnen, von der Ordnungsmacht im Namen der Versammlungsfreiheit weggetragen, -gespült und -geprügelt zu werden. Und es ist im Nachgang zu erwarten, dass auch die sächsische Justiz verstärkt ihr Schärflein dazu beiträgt, dass Mobilisierern und Mobilisierten die winterliche Dresdenreiselust künftig vergeht. Denn vielleicht – wenn 2011 so gut und friedlich läuft wie 2010 – gibt es ja 2012 schon drei genehmigte JLO-Trauermärsche …
Andreas Herrmann

Netzinfos:
www.dresden-nazifrei.com (Aktionsbündnis)
www.13februar.dresden.de (Stadtbündnis); 

Die Lang- und Urversion (mit weiteren Tipps für wetterfeste Demonstranten und den Aktionen der Aufruf-Unterzeichner) findet sich im aktuellen SAX 2.2011