Down! Set! Hut!

In ihrem 30. Jahr gehen die Dresden Monarchs als deutscher Meister 
in die Saison 2022. Ein Special in fünf Kapiteln zum Geburtstag.

Eingebettet in die Kleingärten am Rande des Hechts liegt das »Feld der Träume«. Man könnte fast meinen, mitten im Nirgendwo ist dieser Sportplatz zu finden – wie Ray Kinsellas Baseball-Rasen im gleichnamigen Film. Nur, dass hier keine Geister aus dem Nebel treten, sondern echte Menschen sich für einen Sport begeis­tern, der langsam, aber sicher den Status der Nische abwirft. Daran war im Februar 1992 aber kaum zu denken, ja nicht einmal zu hoffen, als eine Gruppe wild Entschlossener anfing, dem ledernen Ei nachzujagen, das auch im American Football Ball genannt wird. American Football? Zu komplizierte Regeln, hört man oft. Eigentlich nicht: Eine Mannschaft hat vier Versuche, um zehn Yards nach vorn zu überbrücken. Schafft sie es, hat sie wieder vier Versuche – bis der Ball in der Endzone des Gegners landet, dann gibt es Punkte. Schafft man es nicht in vier Versuchen, bekommt die andere Mannschaft den Ball und es geht andersherum. Mehr muss man für ein erstes Spiel nicht wissen, alles andere erklärt der Stadionsprecher oder der Fernsehkommentator, als Einstiegsdroge dient auch stets der Superbowl.

Für Elbflorenz war aber schon der 9. Oktober 2021 ein besonderer Tag in der regionalen Sportgeschichte, denn in Frankfurt am Main wurden die Dresden Monarchs mit dem Gewinn des German Bowls im Saisonfinale erstmals Deutscher Meister. Endlich! Nun steht der beulige Pokal im Glaskasten der Geschäftsstelle auf der Bärnsdorfer Straße. Doch der Weg zu diesem Pott war ein langer. Und geht man dem Gründungsmythos der Dresden Monarchs nach, fallen immer wieder drei Namen: Robert Irrgang, Ralph Neubauer und Frank Kaiser.

Der Kaiser unter den Königlichen

Klettern, Ski- und Fahrradfahren, Fußball oder Wandern waren in der Jugend von Frank Kaiser die prägenden sportlichen Elemente. American Football erreichte den damaligen Teenager jedoch in den Neubauten von Prohlis. Dort, wie auch in anderen Siedlungen am Stadtrand, entstanden Antennenanlagen, mit denen bereits zu DDR-Zeiten Westempfang im »Tal der Ahnungslosen« möglich war. Bei einer Freundin sah Frank 1988 auf Tele 5 jenen Sport, der ihn schnell faszinieren sollte. Nach einem Wendeumzug nach Hannover kehrte er im Oktober 1990 nach Dresden zurück und wenig später wurde bei einem Treffen mit unter anderem Robert Irrgang und Ralph Neubauer beschlossen: Wir gründen einen Football-Club. In Radeberg. In Radeberg? Die Bierstadt spielt in der frühen Historie der Dresden Monarchs eine entscheidende Rolle, denn hier flog das Ei zum ersten Mal in Dresden und Umgebung live auf dem Rasen. Der umtriebige und noch heute in der Szene aktive Ulrich Kramer aus Göttingen, vorher selbst Spieler, Trainer und mehrfach Vereinsmitgründer, organisierte ein Freundschaftsspiel der damaligen Bundesligateams Stuttgart Scorpions und der Dortmund ­Giants in Radeberg. Dieses Spiel war eine Initialzündung, die schon bald einige Football-Interessierte zusammenbrachte, zu denen auch Frank Kaiser gehörte – obwohl der das Spiel leider verpasst hatte. Fun Fact: Zu den Erstlingen gehörten auch Christoph Neumann und Mirko Glaser, deren Namen man schon bald eher mit Klubkultur, Rock’n’Roll und Eis in Verbindung bringen würde.

Schon bald fanden ab Februar 1992 erste abendliche Trainingsstunden auf dem Gelände der BSG robotron statt; weil es hier aber kein Flutlicht gab, nutzte man die laternenbeleuchtete Straße neben dem Sportplatz. Und auf dem Asphalt wurde Frank Kaiser der erste Quarterback des Teams, das sich anfangs noch Saxonia Monarchs nannte. »Ich hatte durch das Skifahren ein kaputtes Knie, war also nicht schnell, aber auch nicht schwer«, erinnert sich der heute 51-Jährige. »Nachdem alle ihre Positionen gefunden hatten, war ich irgendwie übrig und wurde zum Quarterback bestimmt.«

Nun gab es zwar 1992 eine erste Mannschaft, aber einen eigenen Verein noch lange nicht. Da viele Spieler aus Dresden kamen, wurde ein Sportverein gesucht, der die Monarchs als Sektion aufnahm. Fündig wurde man schließlich bei der TSV Dresden-Bühlau, der Umzug brachte dann auch das Wort »Dresden« in den royalen Namen. »Den Rasenplatz konnten wir nur sehr selten nutzen, meist spielten wir auf einem Hartplatz, der von Geländern umfasst war, in die immer mal wieder jemand reingeflogen ist«, sagt Kaiser über die Anfangszeit. »Aber das war der Inkubator für das ganze Projekt.«

Der reguläre Spielbetrieb begann 1993 in der Aufbauliga Ost. »Das erste Spiel gegen Leipzig haben wir mit 0:69 verloren, trotzdem haben wir uns nach dem Abpfiff wie verrückt gefeiert, denn wir hatten unser erstes Game überlebt«, kann sich Frank Kaiser erinnern. Trotz dieser Ergebnispleite schaffte man sofort die ersten Aufstiege – in nur neun Jahren kletterten die Monarchs von der 7. Liga in die German Football League, die höchste Spielklasse in Deutschland, seit 2002 ohne Unterbrechung. Das wäre aber ohne eine zügige Professionalisierung nicht möglich gewesen. Der erste Schritt war 1995 ein erneuter Umzug, diesmal zu den Sportfreunden 01 in das traditionsreiche Fußball-Stadion mit alter Radrennbahn an der Bärnsdorfer Straße – hier sollte die Heimstatt des American Football in Dresden entstehen. Diese bestand zunächst aus einem vermüllten Nebengebäude, das man sich selbst herrichtete, zudem waren Umkleidekabinen und funktionierende Duschen vorhanden. Aber erstmals hatten die Monarchs etwas Eigenes, Identitätstiftendes.
Tranierte man sich anfangs noch weitestgehend selbst nach dem Prinzip »Try and Error«, kam mit Bob Guice 1997 der erste richtige und auch hauptamtliche Football-Trainer nach Dresden. Eindringlich, launig und oft auch laut sorgte der Mann aus Mississippi für Ordnung und Respekt in den Reihen, schuf ein Spielsystem und prägte auch den Spruch »Football is Sex, Baby!«, der später zur Stadionhymne werden sollte, geschrieben von der Dresdner Band Free Little Pigs. Guice schuf auf seine mitreißende Art die »große Klammer um das Team«, wie es Frank Kaiser nennt, die für die Fortentwicklung unabdingbar war. Der 2014 im Alter von 74 Jahren verstorbene Trainer wirkte bis 2000 bei den Monarchs, schaffte zwei Aufstiege und wird bis heute im Verein und von den Fans verehrt.

Relativ zeitig wurde auch darüber nachgedacht, wie man die Mannschaft und den Sport vermarkten könne. So wuchs schnell der Bekanntheitsgrad, obwohl American Football Mitte der 1990er-Jahre weit entfernt war von heutigen Hypes – TV-Übertragungen waren nur beim Bezahlsender Premiere zu sehen. Und so kümmerte sich Frank Kaiser nicht nur um die Ballverteilung auf dem Platz, sondern auch um Pressearbeit und Marketing, während er in den neun Jahren seiner Spielerkarriere parallel noch eine Ausbildung machte und in verschiedenen Firmen arbeitete. »Aber das ganze Leben ordnete sich dem Football unter«, blickt Kaiser zurück, »Familie, Geschäftliches, bis hin zum Urlaub.« Als im Jahr 2000 die aktive Laufbahn nach dem ersten Jahr in der zweiten Liga endet, macht der Leader deshalb einen harten Cut. »Es kam dann auch ein amerikanischer Quarterback, der viel gespielt hat, da habe ich meine taktischen Defizite gesehen. Als Späteinsteiger mit Anfang 20 habe ich das Spiel ja nicht von klein auf gelernt.« Zwei Jahre arbeitet Kaiser noch im Vorstand des Vereins, dann kümmerte er sich erst mal wieder ganz um sein eigenes Leben.

Spiele der Monarchs hat Frank Kaiser danach nur noch sporadisch besucht, aus seinem Herzen sind die Monarchs aber nie gefallen. 2017 wird er – gemeinsam mit Robert Irrgang und dem im Jahr 2000 tödlich verunglückten Ralph Neubauer – in die Hall of Fame des Vereins aufgenommen. Und auch Kaiser merkt, dass 2021 eine besondere Saison ist. Das Finale in Frankfurt am 9. Oktober sieht er im Fernsehen, da er am Folgetag, seinem Geburtstag, Familienbesuch aus Hannover erwartet. »Ich habe mich zunächst vor den Fernseher gesetzt und wollte das Spiel ganz entspannt anschauen. Es war dann aber so, dass ich nach langer Zeit in dem Spiel so drin war, als wäre ich selbst mittendrin. Das letzte Viertel habe ich nur noch gestanden. Ich freue mich wahnsinnig für den Verein.« Zudem wählte das Internetportal American Football International mit einer Jury aus ehemaligen Spielern und Coaches die Dresden Monarchs zur besten Mannschaft Europas 2021. »Wenn man mal überlegt, wie das in Radeberg begann, dann ist das eine Belohnung für den ganzen Weg.«

2002 wurden die Monarchs mit dem Aufstieg in die Erstklassigkeit zu groß für eine weitere Teilung des Trainingsgeländes mit den bisher gastgebenden Sportfreunden 01. Die Stadt sprach letztlich den Footballern die komplette Sportstätte zu, die Nulleinser mussten ins Industriegelände umziehen – nicht ohne Bitternis. Immerhin wurde das frühere Ring-Stadion vor über 100 Jahren für Fußball und Radrennen eingeweiht und galt bei der Eröffnung 1921 als größte Sportanlage Deutschlands mit einem Fassungsvermögen von über 10.000 Zuschauern (es gab ein 3:3 zwischen dem Dresdner Fußballring 1902 und Bayern München). Doch strategisch war klar: Der Football benötigt in Dresden eine entwicklungsfähige Basis mit ausreichend Trainingsmöglichkeiten für die vielen Teams und das Cheerleading. So wurde aus dem Rasenfeld, das man vormalig im Sommer oft nicht nutzen durfte, auch der erste Football-Kunstrasenplatz Deutschlands.

Was viele nicht wissen: Regionale Spieler wie Frank Kaiser sind die Basis des Erfolgs, bekommen aber kein Geld. Im Gegenteil: Sie zahlen Mitgliedsbeiträge und finanzieren ihre Ausrüs­tung selbst. Nur die ausländischen Gastspieler werden entlohnt, ebenso die GFL-Coaches und die Geschäftsführung. Das ist zwar ein Nachteil, wenn andere Teams mit Geld locken, aber der Vorteil ist: So hat man nur Menschen im Kader, die zu hundert Prozent aus Überzeugung dabei sind. Dazu bietet der American Football eine breitere Basis für Menschen unterschiedlichster Größe und Gewichtsklasse. Zwar ist ein gerüttelt Maß an Athletik und Fitness in jedem Fall notwendig, aber auch ohne Slim-Figur kann man hier eine Position finden.
Nach vielen Jahren im Harbig- und Steyer-Stadion gibt es jetzt für zwei Jahre die Rückkehr des Spielbetriebs an die Bärnsdorfer Straße. Und damit auch die Faszination, den Sport aus allernächster Nähe zu erleben. Etwa 2.500 Menschen werden hier Platz finden, und sicher müssen keine Spieler wie einstmals in der Halbzeitpause Bratwürste organisieren, weil niemand mit 500 Fans gerechnet hatte. Frank Kaiser wird sicher auch hier das eine oder andere Spiel verfolgen; zur Titelfeier im Herbst war er schon mal da, um das »Ding« zu berühren. Und ja, es ist auch sein Pokal.

Vom Feld ins Büro: Der Macher

Mit der nun kommen Saison 2022 ändert sich nicht nur die Spielstätte der Dresden Monarchs, sie gehen auch erstmals als Meister das Ziel Titelverteidigung an, sind nun Favorit. »An der tagtäglichen Herangehensweise ändert sich aber deshalb nichts«, sagt Jörg Dreßler, Geschäftsführer des Vereins. Aber voller Stolz zeigt er dann doch auf das neu entstandene Schmuckkästchen hinter seinem Büro. Wo früher eine fast windschiefe Baracke stand, wuchs 2021 ein Nachwuchsleistungszentrum aus dem Boden, das nicht nur hervorragend seinen Zweck erfüllt, sondern auch noch hübsch anzusehen ist. »Vorher haben die zweite Mannschaft und die Kids ihre Klamotten in den Dreck geschmissen, jetzt gibt es richtige Umkleidekabinen, Schulungsräume und auch Lagermöglichkeiten.« So können Kinder und Jugendliche direkt nach der Schule herkommen, hier ihre Hausaufgaben machen, auch mal die Tür hinter sich schließen. Für die Zukunft denkt man auch daran, generationsübergreifende Möglichkeiten des Lernens oder der Nachhilfe anzubieten. Und warum nicht auch ein Platz zum Daddeln oder Entspannen, bevor es ins Fitnessstudio und auf den Platz zum Training geht? Die große Richtung: Kaderschmiede und Landesstützpunkt werden, um so die Zukunft des American Football als Vereinssport zu sichern. Und das ist absolut notwendig: »Pandemiebedingt kam im letzten Jahr etwas weniger Nachwuchs zu uns als gewohnt, wobei wir im Dezember immerhin unser 900. Vereinsmitglied begrüßen konnten.«.

Obwohl im Zentrum des öffentlichen Interesses meist das GFL-Team steht, sind es in Wirklichkeit aber acht Mannschaften von der U11 bis zur U19, dazu die Flag-Teams und die Quereinsteiger der M2. Auf keinen Fall vergessen darf man die sieben Cheerleading-Squads in Altersgruppen ab fünf Jahre. In der Summe werden da für den Gesamtbetrieb etwa 60 ehrenamtliche Trainer benötigt, denn im Football gibt es spezielle Coaches für alle nur denkbaren Mannschaftsteile, deren Zusammenwirken vom Head Coach koordiniert wird. Zwar gibt es im Nachwuchs und im Flag Football gemischte Teams, eine reine Frauenmannschaft zurzeit aber nicht. Die 2000 gegründeten Dresden Diamonds waren einige Jahre durchaus erfolgreich in der DBL, doch ab 2005 wurde der Kader immer kleiner und das Projekt musste mangels Nachfrage aufgegeben werden.

»Der Erfolg unseres Vereins basiert auf Kontinuität. Da dauert manches vielleicht etwas länger, aber mit einem Meisterpokal in der Hand kann man jetzt sagen, dass dieser Weg richtig war«, resümiert Jörg Dreßler. »Und das Gute bei der Rückkehr an die alte Spielstätte ist, dass die maßgeblich handelnden Personen im Verein das alles schon selbst erlebt haben.« Die Stadt Dresden unterstützt dabei den Bau von Traversen, die Parksituation allerdings ist herausfordernd. So wird die Nutzung von Bus und Bahn mit Sicherheit angeraten sein.

Nicht ganz so prekär war das nach dem Aufstieg in die GFL, als die Monarchs im Wechsel mit Dynamo Dresden das Rudolf-Harbig-Stadion bespielten. Die Fußball-Fans wunderten sich damals über die plötzlich auftauchenden Querlinien über den gesamten Platz, die zwischen den Spielen natürlich nie ganz verschwanden. 2007 schließlich wurde das Heinz-Steyer-Stadion Heimspielstätte der Footballer, in Anlehnung an die Arena der Pittsburg Steelers liebevoll Heinz Field genannt. Hier wurde zwar inzwischen eine neue Tribüne gebaut, aber der Gesamtzustand des Stadions erfordert jetzt eine Komplettsanierung, die eher einem Neubau gleichkommt. Wenn alles rechtzeitig fertig wird, ist die Rückkehr für die Saison 2024 geplant.

Geschaftsführer Jörg Dreßler, Jahrgang 1975, wird dann 30 Jahre bei den Monarchs sein: »Ich bin 1994 dazugekommen, also ziemlich spät«, schmunzelt er. »Das erste Football-Spiel, das ich erlebt habe, war das erste, das ich gespielt hatte«. Bis 15 als Judoka im Leistungssport, kam danach eine kleine Durststrecke in Sachen körperlicher Ertüchtigung. »Dann hat mich jemand nach Bühlau zum Training der Monarchs mitgenommen. Das war dort eine gute Truppe, ein wilder Haufen – es hat Spaß gemacht, also blieb ich dabei.« Auf welcher Position? »Ich war klein und wendig, konnte aber nicht gut fangen – also wurde ich Runningback (trägt den Ball im Laufspiel nach vorn, d. R.). Und nebenbei widmete ich mich mehr und mehr auch organisatorischen Aufgaben.« Dreßlers erstes Punktspiel ging verloren – am 4. Juni 1995 gab es ein 6:9 gegen die Berlin Bullets, einem heutigen Viertligateam aus Marzahn. Schon als Spieler wird er aufgrund seines Orga-Talents als Chef der Geschäftsstelle vom Verein angestellt. Das führte ab 1998 zur Kuriosität, dass Jörg Dreßler als Spieler dem Head Coach folgen musste, jedoch außerhalb des Rasens Chef des Trainers war. Diese Doppelbelastung forderte ihren Tribut, also beendete Dreßler im GLF-Aufstiegsjahr 2002 seine Aktivität als Spieler, um sich voll und ganz der Arbeit als Geschäftsführer zu widmen.

»Bei allem, was wir erreicht haben, dürfen wir aber nie vergessen., wo wir herkommen«, betont er. Stolz sei gut, aber Demut auch. Dass die Stadt Dresden eine sogenannte »Randsportart« immer wieder unterstützt hat, auch Freistaat und vor allem Sponsoren über Jahrzehnte Support leisten, sei nicht selbstverständlich. Und dann die Fans: Im spielfreien Pandemiejahr 2020 spendeten sie die Beträge ihrer Jahres- und Eintrittskarten, was auch half, gut durch diese schwierige Zeit zu kommen. Dazu kam, dass die Werbepartner ihre Gelder in voller Höhe trotz Saisonausfall überwiesen, und es flossen Coronahilfen vom Bund.

Den Grundstein des Erfolges bilden aber auch jene Beteiligten, die seit Mitte bis Ende der 1990er-Jahre im Verein sind wie Geschäftsführer Jörg Dreßler, Präsident Sören Glöckner und Schatzmeister Sven Büchner, die langjährigen Ehrenamtler wie zum Beispiel Sven Gräbner und auf der sportlichen Seite die langjährigen Trainer und hier vor allen das Gespann Robert Cruse und Thomas Stantke. Dazu kommt die Kunst, immer wieder Trainer und Spieler nunmehr über drei Sport-Generationen so zusammenzuflechten, dass sie den Weg der Dresden Monarchs verstehen und mitgehen. Nicht zu vergessen die riesige Cheerleader-Abteilung, welche ihresgleichen sucht – gegründet in den 1990er-Jahren von Bianka Morchner und in den vergangenen Jahren von Juliane Donner geprägt. Es gibt so viele Weggefährten über die vielen Jahre und da sei auch Stefan Brock erwähnt, welcher nicht nur selbst aktiver Spieler war, sondern seit Jahrzehnten der Monarchs-Grafik seinen Stempel aufsetzt, oder Falk Lehmitz der schon seit Anfang an die Musik im Stadion spielt. »Allein für das Ehrenamt könnten wir vielen Seiten füllen, dafür sind wir unglaublich dankbar!« so Dreßler.

Derweil gehen einige in Deutschland einen anderen Weg in Sachen Football: Denn 2021 ging die European League of Football an den Start, ein Franchise, das mit den Leipzig Kings auch einen Ableger in Sachsen hat. Abgänge sind immer ärgerlich und tun weh, doch den Kopf in den Sand stecken zählt nicht, sagt der Geschäftsführrer. »Abgänge haben wir immer wieder. Im letzten Jahr sind drei Spieler nach der Pre-Season nach Leipzig gegangen, die werden sich später vielleicht geärgert haben. Auch jetzt wissen wir von Spielern, die weggehen werden. Das ist normal. Der Unterschied zu anderen Konstrukten ist: Was wir leben, ist der Vereinssport. Nur hier, in der GFL, kann man deutscher Meister werden. Wir leben das solidarische Sportsystem von der Pike auf und da gehören der sechsjährige Footballer oder die Cheerleaderin genauso dazu wie unsere Bundesligaspieler.«

Ein Ingenieur des Erfolges

Der Pres. Er ist ein Sportfan durch und durch, engagierte sich auf verschiedensten Gebieten, aber zum American Football kam Sören Glöckner 1993 in Cottbus, wo er als Stundentenvertreter etwas Außergewöhnliches zum dortigen Stadtfest organisieren wollte. Zufälle brachten Football in den Fokus und so holte man ein Ligaspiel von Berlin in die Niederlausitz. Und wie beim legendenumwobenen Game in Radeberg, fanden sich auch hier schnell Interessierte, die selbst spielen wollten. Auch Glöckner, Jahrgang 1967, aus dem Harz stammend und eher dem Skilanglauf verbunden, spürte das Verlangen, diesen für ihn neuen Sport zu testen. Also wurden noch 1993 die Cottbus Crayfishs gegründet (heute in der Regionalliga Ost). »Ich war sofort begeistert«, sagt der heutige Ingenieur mit langjähriger Bauerfahrung. Seine Position fand sich in der O-Line, also bei jenen Burschen, die den Quarterback vor einem feindlichen Zugriff, dem Sack, schützen sollen. »Als ich dann 1995 nach Dresden kam, war es naheliegend für mich, bei den Dresden Monarchs Fuß zu fassen.« Fast genau zu diesem Zeitpunkt ging es von Bühlau an den Hecht-Rand.

Dort spielt Sören Glöckner noch zwei Jahre auf dem Feld, stellt dann aber fest, dass einerseits die zeitlichen Überschneidungen mit seinem Job kaum noch zu schaffen sind, andererseits seine Talente in der Vereinsorganisation besser aufgehoben sind als auf dem Rasen. Also gehörte er zu jenen, die 1998 die Gründung eines eigenen Vereins vorantrieben und vollbrachten. Seitdem ist er auch der Präsident.
»Mir war schnell klar, dass wir gute Strukturen benötigen, wenn wir Richtung erste Bundesliga gehen wollen. Und mit Jörg Dreßler hatten und haben wir genau den richtigen Mann als Geschäftsführer. Mit ihm wie auch mit Schatzmeis­ter Sven Büchner oder Vize-Präsident Robert Gröber verstehe ich mich blind.«

Wichtig ist ihm, dass es eine hohe Identifikation aller Beteiligten mit dem Verein gibt, und er sieht es als Vorteil, dass so viele unterschiedliche Menschen diesen Sport betreiben können. »Wir haben Spieler, die vom Ringen oder Judo kommen, ebenso aus der Leichtathletik wie auch vom Fußball. Viele waren vorher in anderen Vereinen und haben sich bei uns wohlgefühlt, weil alles bei uns organisatorisch gut lief.« Mit einem hohen Kümmerfaktor ist es ihm bis heute ein dringliches Bedürfnis, dass sich die Mitglieder bes­tens aufgehoben fühlen. Im Jetztzustand mit dem neuen Nachwuchszentrum sieht Sören Glöckner eine Kapazität von 1.400 Mitgliedern realistisch. »Dann werden wir wieder bauen müssen.« Aber ist es nicht etwas merkwürdig, dass der Nachwuchs so ein tolles neues Gebäude hat, aber die GFL-Herren noch im Flachbau ausharren? Ja, da sei man eben etwas anders als Dynamo, lacht Glöckner, der Jugend nur das Beste vom Besten. Aber, dass es so schnell ging mit dem Bau, hat ihn dann doch überrascht. Im September 2020 war der Fördermittelbescheid da, im Juni davor wusste man, dass frühzeitig begonnen werden darf. Und weil hier jemand am Werk ist, der sich mit Baukalkulationen auskennt, wusste Glöckner sofort: Wir müssen so viel wie möglich noch 2020 erledigen, um die verminderte Mehrwertsteuer zu nutzen. Trotzdem gab es 2021 mit den überall ansteigenden Baukosten erhebliche Mehrkosten, doch zeitlich ging es mit der Errichtung ratzfatz.

Die Spielbetriebsrückkehr an die Bärnsdorfer Straße sieht der Präsident durchaus als Herausforderung, aber auch als Erlebniszugewinn für die Fans. Eine erste Kostprobe gibt es bei einem Testspiel am 7. Mai. Das Highlight wird jedoch das Jubiläumsspiel zum Vereinsjubiläum, das die Footballer mal wieder ins Rudolf-Harbig-Stadion führen wird: Am 28. Mai geht es hier gegen die Kiel Baltic Hurricanes. Auf die kommende Saison blickt er derweil mit ruhiger, aber spürbarer Vorfreude: »Es wird etwas anders als Gejagter, aber wenn man den Pokal erst mal hat, ist man etwas entspannter.«

Wie kaum jemand anderes steht Sören Glöckner mit seiner eher zurückhaltenden Ausstrahlung für den »Weg der ruhigen Hand«, der in den 1990er-Jahren eingeschlagen und bis heute beibehalten wurde; so bildet er mit dem eher extrovertierten Jörg Dreßler ein kongeniales Duo. Der Präsident erwähnt, dass dieser Weg auch immer mal infrage gestellt wurde, letztlich hielt man daran fest: »Abkürzungen zum schnellen Erfolg hätten uns hier an diesem Standort und mit unseren Möglichkeiten in ziemliche Turbulenzen gebracht.« Umso mehr ist es wichtig, dass das Produkt Dresden Monarchs professionell vermarktet wird, dass Coaches und Geschäftsführung fest angestellt sind, um für den Sport langfristig ein bestmögliches Umfeld zu schaffen. Das schließt auch die Qualität der TV- und Netzübertragungen mit ein. Dabei hilft es, dass sich die German Football League selbstständig gemacht hat, in deren Vorstand die Monarchs durch Jörg Dreßler vertreten sind.

Was sind nun die langfristigen Ziele? »Mit allen wichtigen Sponsoren haben wir Verträge über drei Jahre«, was Planungssicherheit bringt. Und natürlich soll die Basis, das Vereinsgelände weiterentwickelt werden. Die Erneuerung des Kunstrasens auf dem Hauptplatz steht da ebenso auf dem Programm wie der Plan für ein neues zweietagiges Gebäude für das GLF-Team, das in ein paar Jahren entstehen könnte. Dazu soll der Rasenplatz hinter dem Stadion – momentan eher eine Wiese – auch einen Kunstbelag bekommen. Und der Vorplatz – jetzt eine wilde Hoppelfläche voller Schlaglöcher – wird eine bessere Aufenthaltsqualität bekommen. Zusammengefasst: »Ich möchte, dass das unser Zuhause wird.« In Sachen Nachwuchs wünscht sich Glöckner, dass es mit der U19 sportlich weiter bergauf geht, damit auch hier mal um die Meisterschaft gespielt werden kann. Ein neues Frauenteam würde er auf jeden Fall unterstützen, aber nur, wenn es genügend Interessierte gibt und es sich trägt im Verein. Bis dahin können Frauen in der Flag-Mannschaft die kontaktlose Variante spielen – das Team hat immerhin auch die deutsche Meisterschaft gewonnen.

Da die Präsidentschaft bei den Monarchs ein Ehrenamt ist, stellt sich die Frage, wie hoch die Footballbegeisterung in der Familie ist, um das Engagement zusätzlich zur Arbeit im Ingenieur-büro mitzutragen. »Die Begeisterung für den Sport ist sehr hoch, aber meine Frau achtet sehr darauf, dass die Priorität bei der Familie bleibt. Zwar richtet sich unser Urlaubsplan schon etwas nach der Saison, aber ansonsten soll sich bei uns nicht alles nur um den Football drehen.«

Wäre noch eine Sache zu klären: Nein, Sören Glöckner ist weder verwandt noch verschwägert mit dem gleichnamigen Autohausinhaber, einem der treuesten Langzeitsponsoren der Monarchs.

Der Kopf zum Finale

Auf eine bewegte Football-Karriere kann Ulrich Däuber durchaus zurückschauen. Doch bei den Dresden Monarchs wird sein Name auf ewig in den Annalen stehen als der des Meistermachers. Seit 2017 im Verein als Head Coach tätig, hat der 1970 in Würzburg geborene Trainer als erster den Pott in die Elbestadt geholt. Wie war für ihn dieser Moment im Finale kurz vor Schluss, als der Ball bei einem Field-Goal-Versuch der Schwäbisch Hall Unicorns noch vor den Torstangen auf den Rasen fiel? »Es war pure Erleichterung. Wir wussten, die haben keine Chance mehr, an den Ball zu kommen.« Als Erstes fiel er sich mit Jörg Dreßler in die Arme, dann gab es kein Halten mehr. Dabei war dieses German-Bowl-Endspiel von purer Dramatik gekennzeichnet. Dresden ging in Führung, lag aber zur Halbzeit mit 7:19 zurück. Gleich nach der Pause misslang ein Onside-Kick, ein Touchdown wurde ungültig wegen einer zu früh abgepfiffenen Interception. Kamen da nicht an der Seitenlinie Zweifel auf?

»Der Onside-Kick war meine Entscheidung, hinter der wir aber alle standen. Im Training klappte das fast immer. Aber, dass das im Spiel nicht aufging, war auch ein Zeichen an die Mannschaft: Wir nehmen das Spiel jetzt in die eigenen Hände. Und das ist das Wichtige: Das die Spieler an sich selbst glauben. Und nein, ich habe nie gezweifelt« Wie man das Team dazu bringt, das eigentlich fast Unmögliche aus sich herauszuholen, dafür hat Ulrich Däuber kein immer gleiches Rezept. Er entscheidet nach Situation, ob er laut oder leise in der Ansprache ist. »Wie ich diesen Finaltag angehe, darauf habe ich mich schon das ganze Jahr lang vorbereitet«, meint er heute und zieht für die Arbeit mit den Köpfen auch einen Teampsychologen zurate. »Es hat keinen Sinn, immer nur rumzuschreien, denn irgendwann verliert sich das, dann hören die Spieler nicht mehr zu.«

Wenn man die Saison 2021 mit einem Wort beschreiben müsste, wäre der Begriff Spektakel nicht unangebracht. In vielen Spielen wurde mit über 40 Punkten gescort. Ging die Saisoneröffnung in Köln noch mit 48:41 verloren, wurden alle anderen Spiele gewonnen, die hochgelobten Liganeulinge aus Potsdam wurden gar mit 63:7 aus dem Dresdner Stadion gekegelt, der Heimsieg gegen Kiel war mit 61:48 der punktreichste im ganzen Jahr.

»Es gab im letzten Jahr einige außergewöhnliche Talente in den Teams der Liga. Bei uns waren das in der Offense vor allem als Quarterback Kyle J. Carta-Samuels und als Wide Receiver Darrell Stewart jr. Da konnten wir den Ball gut nach vorn bewegen. Aber das verlorene Spiel in Köln hatte uns auch einige Fehler aufgezeigt, aus denen wir schnell gelernt haben.« Und die Ergebnisse dieses Lernprozesses konnte man Woche für Woche mit wachsender Begeisterung begutachten. Wohl noch nie hat man schöne Pässe in Vollendung in solcher Regelmäßigkeit bei den Monarchs gesehen, mit denen die gegnerische Verteidigung oft schlichtweg überfordert war. Für die Playoffs wurde für das Laufspiel noch ­Devwah Whaley verpflichtet, was alle Gegner überraschte, die sich bei den Monarchs vor allem auf Passverteidigung eingestellt hatten. »Was wir zudem in der letzten Saison auch forciert haben, ist das Clock Management.« Und für die Kontrolle der Uhr benötigt man ein gutes Laufspiel. Das Ergebnis ist bekannt: In den Playoffs gab es ein 50:13 gegen Allgäu und ein 37:0 gegen Saarland, das Finale in Frankfurt gegen Schwäbisch Hall wurde mit 28:19 gewonnen.

Der Weg nach Dresden ging für Ulrich Däuber über den großen Teich. Nach 18 Jahren USA wollte er mit seiner Familie wieder nach Deutschland ziehen. Auf der Suche nach einem Trainerjob kontaktierte er auch die Dresden Monarchs. »Ehrlich gesagt, wollte ich nicht irgendwo in der dritten Liga wieder anfangen, und ich suchte auch einen Verein, der einen Fulltime-Head-Coach beschäftigt.« Kurioserweise begann Däubers Football-Karriere als Spieler ausgerechnet (!) bei den Schwäbisch Hall Unicorns, den Finalunterlegenen 2021. Seine langjährige Laufbahn als Trainer zeigt aber nur drei Stationen: seinen Heimatverein, 18 Jahre lang die University of Wisconsin-Platteville und seit über vier Jahren die Dresden Monarchs. »Ich sprach mit verschiedenen Vereinen, in Dresden hatte ich aber sofort das Gefühl, dass hier alles passt – die Personen, das Umfeld, die Möglichkeiten. Zudem war ich auf der Suche nach etwas für meine Familie und mich, wo wir längerfristig bleiben können.« Dieser Suche kam die konstante Entwicklung in Dresden sehr entgegen, ein Ort auf der Football-Landkarte, dem nur noch der Henkelpott fehlte. Drei Spielzeiten später – 2020 gab es ja keine – war das Ziel erreicht. »Einen German Bowl gewinnt man entweder mit viel Geld oder einem Programm. Wir haben zwar auch Geld ausgegeben, aber gewonnen haben wir mit einem Programm. Und was man nie vergessen darf: Es sind etwa 100 Menschen, die direkt an dem Titelgewinn beteiligt waren.«

Mit offenen Armen wurde er bei seiner Ankunft aufgenommen, dabei kam er ohne eigene Assistenten. Als Neuer in einer geölten Personalmaschinerie war für ihn schnell klar, dass man das Erreichte nicht wegwerfen, sondern das Vorhandene verbessern und noch mehr professionalisieren wolle. Kein Neustart, sondern auch hier Kontinuität nach vorn. Im Volksmund nennt man das wohl Arsch auf Eimer. Doch wenn man als Football-Coach in Deutschland eine Mannschaft übernimmt, ist die Saison meist vorbei, die ausländischen Spieler sind weg und man hat den Roster einheimischen Spieler vor sich. Und obwohl im Fokus der Medien meist die US-Gäste stehen, sind es am Ende doch die Hiesigen, die das Fundament des Erfolgs sind. »Ich war sehr begeistert vom Stand der regionalen Spieler. Da sind viele dabei, die auf dem GFL-Starting-Level sind oder dorthin kommen können. Das ist der absolute Grundstock. Aber nur mit deutschen Spielern kann man es nicht schaffen. Deshalb wollen wir unbedingt für Sachsen ein Talente-Stützpunkt werden.« Und es sei wichtig, noch mehr junge Menschen für den Sport zu begeis­tern, zudem es auch immer wieder passiert, dass sehr gute Talente aus verschiedensten Gründen plötzlich aufhören. Dabei bescheinigt der Head Coach der Jugendabteilung eine sich stetig verbesserte Arbeit. »Wir müssen es schaffen, dass der Dresdner Papa oder die Mama zum achtjährigen Kind sagt: Mach Sport, geh zu den Monarchs! Zu viele Talente gehen noch zum Fußball. Wir sind aber nun dabei, auch mit dem Nachwuchsleistungszentrum Bedingungen zu schaffen, dass mehr junge Menschen sagen: Hey, es ist cool, bei den Monarchs zu sein.«

Eine immer wieder gern gestellte Frage ist, auf welchem Level sich die GFL-Mannschaften, also auch die Dresden Monarchs, im Vergleich zu US-Teams bewegen. Highschool? College? »Auf jeden Fall sind wir besser als Highschool. Es gibt im College Football drei Divisions, da sehe ich uns mit dem Starterteam im unteren Division-1- oder oberen Division-2-Level. Was wir hier aber bieten, ist, dass wir für deutsche Spieler ein sehr gutes Level haben, auf dem man im professionellen Rahmen Football spielen kann. Man muss nicht in die USA gehen, um guten Football zu spielen. Und was man nicht vergessen darf: 99 Prozent der Spieler in den USA verdienen auch nichts mit dem Sport.«

Ein Kunststück bleibt es trotzdem, Jahr für Jahr die richtigen Spieler aus dem Ausland zu verpflichten. Das Scouting ist dank Internet heute einfacher als vor 30 Jahren. Dabei ist es Ulrich Däuber wichtig, nicht nur potenzielle Kandidaten per Videocall kennenzulernen, sondern auch mit Eltern und Trainern zu sprechen. Zudem muss ein Spieler andersherum genau wissen, was ihn hier erwartet, vor allem, wenn er zum ersten Mal fern der Heimat unterwegs ist. »Ob es charakterlich passt, weiß man natürlich erst dann genau, wenn sie hier sind. Aber ich selbst weiß, was es bedeutet, seine Heimat zu verlassen und woanders zu sein. Und je charakterstärker der regionale Spielerstamm ist, umso besser klappt es, die Neuen aufzunehmen und zu integrieren.«

In der kommenden Saison wird die Kaderstärke der regionalen Spieler etwas nachlassen, was kompensiert werden muss. Von den Internationals wird Wide Receiver Anthony Brooks zuückkehren, weitere haben zu-, andere abgesagt. »Aber so ist das eben im Sport«, meint Ulrich Däuber. »Das Gras scheint für manche auf der anderen Wiese immer etwas grüner, aber ob das auch wirklich so ist, wird man sehen.«

Der Angreifer mit Ansage

Den first contact zum American Football hatte Robert Cruse durch Radiowerbung: Dresden Monarchs vs. Wernigerode Mountain Tigers (heute Oberliga). Kurz darauf traf er zufällig auf der Straße seinen früheren Judo-Leistungssport-Buddy Jörg Dreßler. Nach dem üblichen Wasmachstnduso blieb die Einladung an Cruse, doch mal bei den Dresden Monarchs vorbeizuschauen. »Also habe ich mir ein Spiel angeschaut auf der Bärnsdorfer Straße, fand das ganz nett und arbeitete dann im Catering des Vereins mit. Als 1997 Bob Guice als Trainer kam, fragte er mich, ob ich mitspielen wolle. Im Winter fing ich dann als Fullback an.« Und das ist eine Aufgabe, bei der Judo-Kenntnisse nicht schaden, denn ohne die Blockarbeit der FBs haben die oft so gefeierten Runningbacks keine Chance. Dass nach vielem DIY auf den Trainerpositionen mit Bob Guice ein richtiger Coach kam, fand auch Robert Cruse gut. Selbst dessen Marine-Style konnte er einiges abgewinnen. »Was man aus dem Kino von Drill Sergeants kannte, hatten wir in der Kabine eins zu eins.

Auch die Begriffe waren die gleichen. Es hat aber auch einen gewissen amerikanischen Charme, wenn man auf Englisch beleidigt wird.« Letztendlich war die raue Tonart für die Spieler ganz normal. Man wurde nicht als Mensch runtergemacht, sondern für seine Fehler auf dem Rasen. Und Cruse selbst kannte aus seinen früheren Leistungssporterfahrungen keine andere Ansprache. Mit dem Heute sei das nicht vergleichbar.

Gespielt hat Robert Cruse, geboren 1974 in Dresden, bis Ende 2001, dann kam eine Knieverletzung und aus dem Nachwuchs drängten neue junge Wilde in den Kader. Sein Weg in das Coaching Team war da aber schon vorgezeichnet, denn schon ab 1998 leitete er das bei den Männern eingesackte Wissen an den Nachwuchs weiter. Damals gab es, auch über die NFL Europe, viele Coaching-Weiterbildungsangebote, und für Cruse war bald klar, dass er das auch beruflich machen will. Gesagt, getan. Im ersten GFL-Jahr trainierte er halbtags die Runningbacks unter Clifford Madison und 2005 sprang er in das »tiefe, tiefe Wasser«, wurde in Vollzeit Offensive Coordinator und war fortan verantwortlich für das Angriffsspiel in Dresden.

Doch ist es nicht manchmal ein wenig schade, dass in der Betrachtung von außen meist nur der Head Coach im Rampenlicht steht? »Nein, das kommt meiner Natur eher entgegen. Auch als Fullback hatte ich ja eine wichtige Position, die meist nicht so wahrgenommen wurde. Was immer am Ende bleibt: In einem Teamsport kann nie ein Einzelner gewinnen, sondern nur viele gemeinsam. Trotzdem, Hierarchien sind wichtig im Football, und da muss es einen Head Coach geben. Für mich wiederum ist die Stelle des ­Offensive Coordinators ein absoluter Traum und genau mein Metier.« Dabei hat Robert Cruse durchaus auch Head-Coach-Erfahrung im Bereich der Jugendmannschaften und der Landesauswahl, aber im Männerbereich strebt er diese Position nicht an.

Der Bundesligastatus des Vereins brachte im Coronajahr 2020 den Vorteil, dass man nicht komplett auf das Training verzichten musste – Kleinstgruppen, Krafttraining, Laufen, grundlegende Fitness eben. Das hatte den positiven Nebeneffekt, dass viel mehr Arbeit mit dem regionalen Kader möglich war als sonst – und das hat im Meisterjahr auch deutlich zum Erfolg beigetragen. Schade sind deshalb vor allem immer Abgänge von Spielern, die man selbst aufgebaut hat. »Immerhin haben wir inzwischen auf allen Positionen eine sehr gute sächsische Basis.« Das konnte auch Ersatz-Quarterback Eric Seidel in seinen Einsatzzeiten zeigen, selbst wenn diese manchmal etwas undankbar sind. »Meist spielt er nach hinten raus eine 4-Minute-Offense, bei der es vor allem um die Kontrolle der Uhr geht. Da benötigt man eine Menge Disziplin und Konzentration und hat nur selten die Gelegenheit, mit Pässen zu glänzen. Und das macht Eric super. Zudem hegen und pflegen wir aus der U19 noch ein Talent, das wir langsam an die GFL heranführen möchten.«

Das Geheimnis einer Offense ist es, verrät Cruse, so wenig wie möglich zu machen, weil niemand mit Schnörkeln und Schönspielerei verlieren will. Das verstehe nicht jeder Spieler. Bei der Defense wiederum muss man genau herausbekommen, wie diese unter absolutem Stress reagiere. »In der letztjährigen Auftaktniederlage gegen Köln hat man aber genau gesehen: Das System passt, aber einige Spieler waren noch nicht bereit. Und damit kann man arbeiten.« Überhaupt müsse man in der Fehleranalyse unterscheiden zwischen Problemen, die man abstellen kann und solchen, die einen durch die ganze Saison begleiten werden. So sieht man manchmal schon im ersten Spiel, wie das Jahr wohl laufen wird.

Doch das Jahr 2021 lief großartig. Aber wie hat der offensive Dirigent das verrückte Finale erlebt? »Die Ausgangslage war wie ein Jackpot für uns. Wir hatten Schwäbisch Hall im Endspiel auf neutralem Platz, deren Starting Quarterback ging angeschlagen ins Spiel und deren Starting Runningback stand nicht zur Verfügung. Offensiv hatten wir die besseren Spieler auf dem Platz und die Defensive spielte mit Risiko: lange Pässe verhindern, kurzes Spiel zulassen. Die Kunst ist es dann, den einmal gefassten Plan bis zum Ende durchzuziehen und sich nicht durch Rückschläge davon abbringen zu lassen.« Fumble, Fehler, Rückstand, misslungener Onside-Kick – nichts konnte die Crew an der Seitenlinie aus der Bahn werfen. Und genau das brachte am Ende den Sieg, weil das Vertrauen in die Spieler und den Plan in Selbstbewusstsein umgemünzt wurde – da klappt dann am Ende sogar eine Two-Point-Conversion.

Natürlich muss man mit dem Angriffsverantwortlichen auch noch über K. J. Carta-Samuels sprechen, den kalifornischen Quarterback, der wie kaum einer anderer auf seiner Position für sportliche Highlights gesorgt hat. »K. J. ist einer, dem die eigene Eitelkeit vollkommen fremd ist, Statusdenken ist ihm vollkommen egal. Ich glaube, er kennt seine eigenen Statistiken nicht. Ihm war nur wichtig, dass wir die beste Offense der Liga werden. Zudem ist K. J. ein sehr schlauer Quarterback, der taktisch denkt. Wenn es einmal nur darum geht, den Ball langsam zu bewegen, um die gegnerische Offense vom Platz zu halten, dann macht er das auch. Aber wenn uns das Spiel die Möglichkeit für die tiefen Pässe bietet, dann greifen wir natürlich zu.« Und so veränderte sich die Taktik in den Playoffs hin zum Finale unter Hinzunahme von Devwah Whaley als zusätzliche Waffe. »Unsere einheimischen Runningbacks laufen im Schnitt etwa vier Yards, was gut ist. Aber manchmal benötigt man auch einen, der im dritten Versuch bei acht Yards auch noch den First Down holen kann.«

Mehrfach war hier schon die Rede vom behutsamen Weg der Dresden Monarchs zum Erfolg. Wie blickt man darauf als Ex-Spieler und Coach, der schon so lange dabei ist?  »Zwischen Vereinsführung, Geschäftsführung und Trainern gibt es ein ewiges Reiben. Die einen geben das Geld aus, die anderen nehmen es ein. Und bei den Monarchs entsteht aus dieser Reibung etwas Gutes, alle machen dabei einen tollen Job – gerade wie Jörg Dreßler und der ganze Vorstand eine Vision des Ganzen auch außerhalb des reinen Sportgeschehens entwickeln.« Als Coach ist er zu hundert Prozent zufrieden mit dem, was hier passiert, weil die Leute, die hier arbeiten, den Fokus auf die Entwicklung eines Vereins legen, die jeden Stein, der sich hier auf dem Gelände bewegt, mitentschieden haben. Es sei einfach ein gutes Gefühl, bei so einem Projekt dabei zu sein.

»Wir als Trainer sagen: Wir wollen nicht mit einem Holzschwert in die Schlacht ziehen, aber es muss auch nicht die 100.000-Dollar-Samurai-Klinge sein. Das Ziel ist, die Chance zu haben, jeden in der Liga schlagen zu können.« Und das konnte man auch. Sieht man von der Seuchen-Saison 2007 ab, in der man die Klasse erst in der Relegation gegen die Hamburg Eagles sicherte, standen die Königlichen außer 2011 in jedem Jahr in einem Viertel- oder Habfinale, 2013 schließlich erstmals im German-Bowl-Finale, in dem ein unglückseliger Ballverlust von Trevar Deed im Berliner Regen die Titelchance zunichtemachte.

Was ich aber als Mensch mit Halbwissen erfahren möchte: Wer bestimmt denn nun die Spielzüge der Offense? »Das mache ich«, sagt Robert Cruse kurz und bündig, ein paar Einschränkungen gibt es aber. Bei vierten Versuchen entscheidet der Head Coach, ob gegangen oder gepuntet wird, ebenso, ob nach dem Touchdown um einen Punkt oder zwei Punkte gespielt wird. Und auch das Clock Managament obliegt dem Chef. »Aber natürlich spricht man den Gameplan im Training ab.« Dabei befindet sich das Playbook, die Grundlage allen Handelns, in beständiger Entwicklung. Doch sollte niemand glauben, dass hier andauernd neue Spielzüge herbeigezaubert werden, denn: »Es gibt nichts, was es nicht schon gegeben hat.« Allerdings beinhaltet jeder Spielzug sogenannte Options und man kann jede Idee mit verschiedenen Spielern besetzen. Dabei verändert sich der Football hin zu einer größeren Dynamik und Schnelligkeit. Das sah man nicht nur in der NFL bei Patrick Mahomes, Josh Allen oder Joe Burrow, sondern auch in Dresden 2021. »Ein Spieler wie K. J. ist ein Produkt des aktuellen Footballs. Er verkörpert den athletischen Quarterback mit einer modernen Wurftechnik. Dass unsere einheimischen QBs mit ihm ein Jahr trainieren konnten, davon profitieren wir am Ende auch.«

Und auch die Arbeit der Coaches verändert sich beständig, so hat Cruse noch die Spielauswertung und -vorbereitung mit VHS-Kassetten und DVDs erlebt und Playbooks, die mit Schreibmaschine und per Nadeldrucker verfasst wurden. Heute kann man darüber nur noch schmunzeln. Was aber bliebt ist, dass die Wahrheit auch beim American Football auf dem Rasen liegt, symbolisch gesagt: any given sunday.
Uwe Stuhrberg

30 Jahre Dresden Monarchs – Das Jubiläumsspiel
Dresden Monarchs vs. Kiel Baltic Hurricanes
28. Mai 2022, 18 Uhr, Rudolf-Harbig-Stadion
www.dresden-monarchs.de