Eigentlich ist sie doch eine Deutsche

Tanita Tikaram war im Club Tante Ju

Ra. Schon wieder so ein 1-Hit-Sternchen mit dem verzweifelten Versuch eines Comebacks dachte ich, als ich die Ankündigung las: Tanita Tikaram kommt nach Dresden in die Tante JU. 1988, damals studierte ich noch in Münster, hatte sie ihren einzigen Hit: Twist in my sobriety, erschienen auf dem Erstlings-Album „Ancient Heart“. Der Leser erinnert sich: dieses eingängige Lied gesungen von dieser Sängerin mit dem tiefen Alt, verfeinert durch ein eingängiges Oboen-Solo. Die Zeitungen in Münster waren damals voll davon, daß sie 1969 in Münster geboren war und dann 11 Jahre dort gelebt hatte (tatsächlich war sie in diesen 11 Jahren dreieinhalb Jahre zwischendurch in England), bevor die Familie zurück nach England zog. Zur Zeit Ihres großen Hits hatte sie nach dieser Rechnung länger in Deutschland gelebt als in England. Folgerichtig hieß es damals: „Eigentlich ist sie doch eine Deutsche“. ###MORE###

Danach ist sie aber standhaft weiter in England geblieben und das hat sich bitter gerächt: keines der Folgealben wurde ein Erfolg. Vielleicht heißt deshalb ihr aktuelles Album „Can´t go back“. Ich habe mich durch gewissenhaftes Youtube-Studium sorgfältig auf das Konzert vorbereitet und war auf das Schlimmste gefaßt: Nette Lieder, aber stinklangweilig! Aber nostalgiegeschwängert trieb es mich dann doch in die Tante JU und siehe da: Ja, sie sprach kein Deutsch, sondern Englisch. Ja, sie fremdelte ein wenig mit dem Deutschland von heute. So amüsierte sie sich darüber, daß die Hinweisschilder für das Veranstaltungslokal Tante JU in dieselbe Richtung wiesen, wie jene für den Erotic Car Wash, für sie offenbar ein Faktum von besonderem Gewicht. Jedenfalls kam sie während des Konzerts mehrfach auf dieses Thema zurück. Das wundert auch nicht. Darf man doch annehmen, daß in ihren ersten 11 Lebensjahren in der Bischofsstadt Münster, der Hauptstadt des trockenen Westfalens, Hinweisschilder auf eine Tante JU wahrscheinlicher gewesen wären als solche auf einen Erotic Car Wash.

Aber die dritte Feststellung widersprach dann doch allen Erwartungen: Nein, schon von den ersten Takten an, war hier nichts langweilig, sondern es entwickelte sich ein richtig mitreißendes Konzert. Tanita Tikaram schaffte es, den Saal trotz gehobenen Altersdurchschnitts (der Autor fühlte sich wohl) zu rocken. Zwar entfielen Wunderkerzen und ähnlicher Firlefanz. Aber die Zuhörer klatschten mit,  johlten, sprangen zum Teil und bewegten sich im Takt - auch ohne die strengen Augen des Fitneß-Trainers. Es waren nicht große Melodien mit eingängigen Weisen, die begeisterten, sondern eine wunderbare Rhythmik und ein Zusammenspiel der Musiker von höchster Musikalität. Die Einsätze waren raffiniert und die sparsame Instrumentierung, die ohne Schlagwerk auskam, sondern lediglich aus Kontrabaß, Holzbläser (wahlweise Klarinette, Saxophon oder Querflöte) und wahlweise 2 Gitarren oder einer Gitarre und Piano bestand, sorgte für ein puristisches, aber zugleich magisch vereinnahmendes Klangerlebnis, das so und nicht anders sein musste. Die einzige Enttäuschung gab es dann überraschenderweise beim als Höhepunkt gedachten „Twist in my sobriety“. Zwar war die Altstimme tief und faszinierend wie eh und je. Aber den Oboen-Part übernahm dieses Mal die Klarinette und obwohl beide Instrumente eine verwandte Klangcharakteristik haben, ging durch diese Umbesetzung doch etwas von der besonderen Rafinesse der Ursprungsversion verloren.

Die Altstimme entschädigte dafür. Hebt sie sich doch wohltuend von dem Gepiepse ab, das uns heute bei den neu auf den Markt drängenden Sängerinnen meistens geboten wird. Egal ob rockig, jazzig oder balladesk: Tanita Tikaram und ihre Begleiter, insbesondere der virtuose Holzbläser Martin Winnig, packten nicht nur den Song, sondern auch das Publikum. Intelligente Texte rundeten das Erlebnis ab. Mit diesem Programm verdient Tanita Tikaram Erfolg. Das meinte auch das Publikum, das sie mit tosendem Applaus zu mehreren Zugaben verdonnerte.

In der Tante JU finden immer wieder Konzerte mit interessanten Künstlern statt. Vom 24. bis 25. Mai bietet das 30. Internationale Blues-Festival weitere musikalische Leckerbissen. Auf der Homepage www.liveclub-dresden.de können sich Interessierte für einen kostenlosen Tante JU Newsletter eintragen und werden so rechtzeitig über bevorstehende Highlights informiert.