Ein Punkt in die Magengrube

Wie Dynamo dem Trainer an seinem Geburstsag recht gab

Ja ja, Dresden und die Spitzengruppe und der mögliche Aufstieg. Wurde in der Presse alles bis zum Erbrechen durchgekaut nach dem Sieg über Fürth. Und Uwe Neuhaus? Er meinte nur knapp, es mangele der Mannschaft für eine wirkliche Spitzenelf an Konstanz. Ob seine Spieler nun der Meinung waren, dem Trainer an seinem Geburstag nicht widersprechen zu wollen, kann ich nicht sagen, aber mit ihrer schwankenden Leistung haben sie es am Voradvent getan. Natürlich ist das Jammern auf hohem Niveau: 23 Punkte und ein zum Zeitpunkt gefestigter Platz in der oberen Tabellenhälfte sind absolut zufriedenstellend. Aber zum Fußball gehört auch das Sich-ärgern-Müssen, und so hatte ich gestern mit dem einen Punkt einen Anflug von Bielefeld in der Magengrube.

Halbzeit eins: Bochum aus dem Bob, Dresden aus dem Mustopf

Los ging es mit dem Abfeiern einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung: „Wer nicht hüpft, ist Magedburger, hey, hey!“, schallt es immer wieder aus dem K. Der Spruch ist so alt, dass niemand ahnen konnte, dass er irgendwann einmal Wirklichkeit werden sollte. Ein anderer Spruch unserer Zeit ist „Merkel muss weg!“ Und der schießt mir durch den Kopf, als Alexander, der Kasache mit dem Kanzerinnennamen, in Minute drei bei Fabian Müller einfach mal ordentlich drüberhält. Und es sollte nicht das einzige Mal sein, denn die Ruhrpöttler langen - vor allem in Halbzeit eins - ordentlich und auch überhart zu. Dagegen findet der feine Herr Stegemann allerdings kein wirksames Handlungsrezept. Überhaupt der Pfeifenmann: Sechs Niederlagen und nichts anderes gab es bisher unter seiner Leitung für Schwarz-Gelb.

Der Gegner macht derweil, was inzwischen fast alle gegen Dresden spielen. Man presst hoch, um lange Bälle zu erzwingen und die dynamische Spielweise zu unterbinden. Das führt diesmal zu anfänglichem Kuddelmuddel in der Defensive. Doch dann, in der sechsten Minute, wirft Florian Ballas den Kopierer an, um das Fürth-Eins-zu-Null noch einmal aufzulegen: langer Ball auf Akaki Gogia, der mumelt den Ball am Keeper vorbei, doch auf der Linie wird das Runde weggekratzt. Kein Hawk-Eye, nur Referee-Augen, kein Tor. Zwei Zeigerumdrehungen versucht es der Schütze aus 16 Metern noch einmal, vorbei. Nach einer Kreuzer-Ecke schon wieder: gehalten.

Taktisch wird variabel gespielt, mal Hauptmann auf der 6, dann wieder der sehr agile Aosman, der hier und heute - für Lumpi in der Startelf - etwas beweisen will. Die Außen wechseln immer wieder die Seiten, nur Erich Berko hat gegen die kantigen Defender aus NRW mehr Probleme sich zu zeigen, als in den letzten beiden Partien. Aber was von Anfang an auffällt: Ballverluste im Vorwärtsgang und leichtsinnige Fehlpässe. Nach einem solchen kommen die Bochumer nach einer Viertelstunde zu einer Ecke. Die wird abgewehrt, eine zweite folgt. Diese wird nach einer konfusionserzugenden Bob-Aufstellung per Kopf an den zweiten Pfosten verlängert, wo ein vergessener Wutz nur noch den Schlappen hinhalten muss. 0:1. Aber was bedeutet schon Rückstand, remember Braunschweig.

Ohne Frage müssten die Gäste eigentlich ab der 25. dezimiert spielen, denn der bereits gelbbekartete Stiepermann foult Berko taktisch, doch die zweite Gelbe und die Rote verbleiben in den Taschen des Spielleiters. Diese Nachsicht sieht der Bochumer offensichtlich als Aufforderung zum Weiter-So, nur wenig später wird Kreuzer von ihm abgeräumt. Keine Konsequenzen. Und die harte Gangart sowie das Pressing zeigen bis hierhin auch Wirkung bei der Heimelf. Doch dann kommt einmal mehr Gogia. Über links pflügt er eine Furche bis kurz vor die Grundlinie, tritt einen strammen Pass in die Mitte, wo Kutschke durchlässt und Aosman in Karate-Kid-Manier den Ball einkickt - die Jubel-Tour führt den Syrer natürlich direkt in die Arme von uns Uwe. Und Dynamo zieht sich endlich aus dem Mustopf.

Es geht ein Ruck durch das Team der Gelbhemden, als hätte Roman Herzog eine Rede gehalten. Auf jeden Ball wird gegangen, so auch Berko, der wie ein Terrier auf Novikovas zustürmt, der gerade ein Tänzchen mit sich und dem Spielgerät versucht. Wegstiebitzt, auf Stefan Kuscthe durchgesteckt und der aus spitzem Winkel mit Glück und Spucke unterm Torwart durch. Und direkt vor der Pause muss auch noch das 3:1 fallen, aber Akaki Gogia bekommt eine Berko-Flanke volley aus drei Metern Entfernung nicht im Tor unter. War wohl nicht spektakulär genug.

Halbzeit zwei: Aosman trifft nicht mehr, Mlapa wacht auf

Gleich zu Beginn eine Schrecksekunde. Dem sonst sehr solide auftretenden Jannik Müller ist offenbar eine wenig tüdelig vom Pausentee, denn er missversteht sich im Rückgang mit Marvin Schwäbe, weshalb Mlapa kurz vor dem Tor dazwischengeht, aber nichts mehr ausrichten kann. Und weil wir gerade bei Schwäbe sind: Beim Autor dieser Zeilen lässt die anfängliche Begeisterung für den Keeper mehr und mehr nach. Kaum eine Flanke wird gepflückt, immer wieder gefaustet. Im Eins-gegen-Eins ist er sicher ein Bank, aber seine fußballerischen Vorzüge sind momentan kaum zu sehen. Fast alle Abschläge oder langen Bälle landen auch in diesem Spiel beim Gegner, auch, weil sie oft dahin gespielt werden, wo sich kein Dresdner befindet.
Aias Aosman wiederum befindet sich in der 51. Minute ein weiteres Mal Aug in Aug vor dem Bochumer Torwart, doch er schießt genau auf den Mann, und dieser bekommt die Arme noch schnell hoch. Überhaupt hätte sich der Mittelfeld-Mann zum Helden schießen können, doch er vergibt zwei weitere Hochprozenter. Haareraufen! Zudem köpft (!) der eher kleine Erich Berko eine Ecke an den Pfosten.

Danach passiert lange nichts. Es beschleicht einen das Gefühl, dass hier der Gedanke des Ergebnis-Haltens in den Köpfen spukt.  Und als der soeben für Hauptmann eingewechselte Lumpi mit einem Fehlpass eine gute Chance für Bochum „einleitet“, wird es so langsam flau im Magen. Denn Dresden macht so ab der 60. nicht mehr so viel nach vorn, die Gäste dagegen kommen auf. Erst in der 81. kann ein Gogia-Schuss nur duch eine ansehnliche Torwart-Reaktion abgewehrt werden. Leider. Denn fünf Minuten vor dem Abpfiff landet eine vermeidbare Flanke auf dem Kopf von Peniel Mlapa. Zwar wandelte der 1,93-Meter-Mann schon fast die gesamte zweite Hälfte eher lustlos über den Platz, doch jetzt steht er goldrichtig. Zwar hat er Jannik Müller und Niklas Keuzer im Schlepptau, doch die schubsen sich irgendwie selbst gegenseitig um. Marvin Schwäbe wiederum hat offensichtlich Stadionverbot im eigenen Strafraum und wird vom Sturmtank per Kopf getunnelt. Sgannderwohlniwahrsein! Isses aber!

Im zweiten Heimspiel nacheinander gibt es ein spätes Gegentor - da kommen Erinnerungen hoch. Doch immerhin stehen nach diesen zwei Begegnungen vier Punkte auf dem Zettel. Das Fazit: Kurz ärgern und weitermachen. Kommenden Sonnabend steht ja in München das nächste Heimspiel an. Übrigens: Wo war Anthony Losilla? Irgendwie anwesend, aber nur selten da.
Uwe Stuhrberg

Dynamo Dresden vs. VfL Bochum
26. November 2016, Anstoß: 13 Uhr
Tore: 0:1 Wurtz (15.), 1:1 Aosman (32.), 2:1 Kutschke (40.), 2:2 Mlapa (85.)
Dynamo Dresden: Schwäbe, Kreuzer, J. Müller, Ballas, F. Müller, Hartmann, Aosman 90. (Teixeira), Hauptmann (73. Lumpi), Gogia, Berko, Kutschke (79. Testroet)
Schiedsrichter: Sascha Stegemann
Zuschauer: 27.373
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