Flotter Dreier ...

... oder: Was war denn heut’ bei Kutschkes los?

Schwer zu glauben: Aber das Beeindruckendste dieses Freitags war nicht jenes verrückte Happy-End auf dem Rasen, sondern etwas, das fast im Verborgenen stattfand. Um Dynamos Ehrenspielführer Reinhard Häfner ein würdiges und würdigendes Begräbnis zu ermöglichen, sammelte die Fanszene während des Spiels über 10.000 Euro ein. Selbst bei einer Niederlage, die lange so wahrscheinlich schien, wäre das ein Sieg der Sportgemeinschaft Dynamo Dresden gewesen. Aber so kam auch noch der Triumph über den Spitzenreiter dazu.

Halbzeit eins: Kalte Dusche, Hauptmann on Fire

Oh nee, nicht das schon wieder! In Minute zehn zappelt der Ball mal wieder sehr früh im heimischen Netz. Kumbela erläuft sich im Rücken von Modica den Ball und lupft das Ding an die Latte. Nicht nur reichlich 29.000 Leute im Stadionrund gucken dabei zu, sondern auch alle Schwarzgelben im Strafraum. Ach, ist ja doch nicht drin. Ach, jetzt irgendwie doch. Denn vollkommen unbegleitet rauscht Hernandez heran und köpft den Abpraller an Schwäbe vorbei ins Tor. Währenddessen hat Florian Ballas beste Sicht, und will sich diese durch Bewegung auf keinen Fall nehmen lassen.

Doch wer nun glaubte, die SGD würde sich entmutigt zeigen, sah sich positiv getäuscht. Denn nach einer verkorksten Anfangs-15 übernahm Dresden nun das Kommando. Vor allem Youngster Niklas Hauptmann und Marvin Stefaniak werfen den Vorwärtsgang ein, gehen immer wieder ins Direktduell, spielen Doppelpässe, doch mit dem Abschluss haben sie es nicht so. Auch Kutschke und Hartmann versuchen sich im Tourschuss, wirkliche Gefahr erwächst daraus aber nicht. Währenddessen macht die Eintracht hier nicht den Eindruck, als wolle sie schnell auf das zweite Tor gehen – bis zur Halbzeit steht die Dynamo-Defensive weitestgehend sicher.

Aber schon in dieser Phase zeichnet sich ab, was zunnehmend an den Nerven des Betrachters zerrt: Immer wieder unterlaufen den Dresdnern kleine, aber aufreibende Fehler. Balleroberung gut, aber schon wieder geht das Runde verloren. Mal wird das Spielgerät zu weit vorgelegt, dann wieder verspringt es bei der Annahme, Fehlpässe und 50-Prozent-Zuspiele auf geringster Distanz – und immer wieder hinterherlaufen. Was überrascht, ist, dass einige dieser unsicheren Aktionen von der Doppelsechs Lumpi/Hartmann kommen. Doch während der Kaptän diese durch puren Kampfgeist wettmacht, hat Lambertz einfach einen gebrauchten Tag. Auch in Halbzeit zwei.

Halbzeit zwei: Lumpi patzt, Paco drückt, Kutschke trifft

Es sind gerade mal sieben Minuten gespielt, da versetzt der Tabellenkrösus dem Aufsteiger den Nackenschlag. Muss man glauben. Nach einem semiguten Pass von hinten kann Lumpi mit dem Ball nichts so richtig anfangen, vielleicht überlegt er gerade, ob er seinen Hund heute schon gefüttert hat. Und schon wird ihm die Kugel wegstiebitzt. Was folgt, ist ein fixer Pass auf Kumbela, der halbrechts aus 16 Metern überlegt einnetzt. Kurz darauf erlöst Uwe Neuhaus die Düsseldorfer Legende und schickt Paco Testroet auf den Platz.

Tja, was soll man sagen, außer: Jetzt geht’s lohos! Denn mit dem zweiten Stürmer geht ein Ruck nach vorn durch die Dynamischen, wenngleich hinten immer mal so haaresträubend dilletiert wird, dass Modica Schreianfälle bekommt. Aber wen kümmert ein 0:3, wenn man vorn was drehen kann? Und es wird gedreht! Testroet in der 69. auf Teixeira, der direkt in den 16er, wo der lange Lulatsch Kutschke goldrichtig steht und aus kurzer Distanz verkürzt. Jetzt geht in der Harbig-Höhle alles aus den Sitzen, noch etwas zweifelnd, ob das vielleicht doch noch für einen Punkt reicht. Aber Zweifel mag heute niemand, weshalb es fünf Minuten später weitergeht: Eine Stefaniak-Ecke pingpongt durch den Straufraum, fällt dem Kutschke vor die Füße, der sich nun wiederum denkt: Lange nicht mehr gemurmelt. So trudelt der Ball über die Linie.

Jetzt stehen alle, sogar der Autor dieser Zeilen auf der Pressetribüne (für Besorgte: Lügenpressetribüne). Nur Sportdirektor Minge finstert und grimmt zwei Sitze rechts mir noch vor sich hin. Schließlich trifft Testroet, vorher von Gogia mustergültig freigespielt, das fast verwaiste Tor nicht. Haareraufen!

Neun Minuten vor Schluss dann schließt der Fußballgott den Himmel auf: Gogia kontert, spielt am Strafraum quer raus auf Paco, der sofort nach innen passt, wo – ja wer denn wohl – Meister Kutschke den flotten Dreier komplett macht. Lupenreiner Hatttrick ist wohl der fachsprachliche Begriff. Das ganze Stadion, ach was, die ganze Welt ist jetzt ein Tollhaus! Umso bewunderswerter ist, wie unaufgeregt die Neuhaus-Elf das Ding jetzt überlegt und locker nach Hause bringt, während die Eintracht von der Rolle rutscht. Schluss! Aus! Tabellenführerbesieger!

Es bleibt also dabei: In dieser Saison gibt Dynamo Dresden den Ranglisten-Rebellen. Gegen die da oben wird ausgeteilt, gegen die da unten wird verschenkt. Nun sollte aber mal Schluss sein mit dem Robin-Hood-Gespiele.
Uwe Stuhrberg

Dynamo Dresden vs. Eintracht Braunschweig 28. Oktober 2016, Anstoß: 18.30 Uhr
Tore: 0:1 Hernandez (10.), 0:2 Kumbela (52.), 1:2 Kutschke (69.), 2:2 (74.), 3:2 Kutschke (81.)
Dynamo Dresden: Schwäbe, Teixeira, Modica, Ballas, F. Müller, Hauptmann (84. J. Müller), Hartmann, Lumpi (61. Testroet), Kutschke (87. Berko), Gogia, Stefaniak
Schiedsrichter: Daniel Siebert
Zuschauer: 29.097
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