Hier bewegt sich etwas

Olaf Hornuf über die Entwicklung des Scheunevorplatzes

Seit der Sanierung des Scheunevorplatzes häuften sich immer mehr negative Meldungen über kriminelle Ereignisse und gewaltsame Übergriffe. Das dies nicht zu einem Gelände passt, das eigentlich ein Ort für ein Miteinander und Tor zur Kultur sein soll, ist allen bewusst. Auch der Stadt. Aufgrund dessen wurde vor zwei Jahren ein Verantwortlicher für die Sauberkeit und die kulturelle Belebung des Platzes ernannt – es wurde Olaf Hornuf. Vielen ist er auch als DJ Barrio Katz bekannt, und so liegt es auf der Hand, dass er einen gewissen Riecher für Kultur besitzt. Der Veranstaltungsplan des letzten Sommer wurde ausgebaut und in dieses Jahr übertragen. Nun wird es Zeit, mit Olaf Hornuf über die Veranstaltungen und Entwicklungen des Platzes zu sprechen.

SAX: Seit Mitte April dieses Jahres laufen wieder Veranstaltungen auf dem Scheunevorplatz. Wie werden die Angebote im Vergleich zu 2018 angenommen?
Olaf Hornuf: Im Prinzip ist es ähnlich, sogar leicht steigend. Die Besucherzahl ist natürlich sehr wetterabhängig und es kommt darauf an, wie wir die Veranstaltung im Vorhinein bewerben. Ich sehe aber nicht die Quantität im Vordergrund, da man eine gewisse Konkurrenz auch nicht abwürgen will. Wachsende Zahlen kann man allerdings deutlich bei der Silent Sound Disco vernehmen. Durch den Eventcharakter werden immer mehr Leute herangezogen. Beim Vorplatzkino ist es filmabhängig, wie viele kommen. Während des Dokumentarfilms »Wildes Herz« über den Sänger von Feine Sahne Fischfilet waren mehr Plätze besetzt als bei unbekannteren Streifen. Insgesamt legen wir es aber nicht auf riesige Zahlen an. Eigentlich wollen wir die Menschen eher zum spontanen Verweilen einladen. 

SAX: Und wie viele Menschen kommen tatsächlich spontan?
Olaf Hornuf: Das ist sehr ausgeglichen. Der Chor Spontan ist da ein gutes Beispiel. Neben der festen Gemeinde an Sängerinnen und Sängern schließen sich vorübergehende Gruppen an. Auch Installationsformen wie unsere Liegestühle, auf denen man sich mit Chill-Out-Musik oder Hörspielen entspannen kann, kommen gut an. Anders sieht es dann bei Veranstaltungen wie Volume 11 aus. Die Organisatoren sind Freiwillige, die mit unserer Hilfe ihr eigenes großes Konzert organisieren und aufbauen. Dafür werben sie ordentlich und so kommen wieder mehr Gäste. Solche Konzerte finden allerdings nicht oft statt, da die Lautstärke ein Störfaktor für die Anwohner ist. 

SAX: Apropos: Welches Feedback eines Besuchers ist dir am meisten im Kopf geblieben?
Olaf Hornuf: Für mich zählt nicht das verbale Feedback. Es sind eher die Momente, in denen sich die Menschen aus jeglichem Milieu der Veranstaltung anschließen. Wenn Leute, die sich vorher noch an einem Tetrapack Wein gelabt haben, anfangen, Tischtennis zu spielen – das sind die Momente, in denen ich sagen kann: Hier bewegt sich etwas.

SAX: Die Kriminalität auf dem Scheunevorplatz ist ein altes Lied, das jeder kennt. Hast du das Gefühl, die friedlichen und entspannten Sommernächte sind dank der bunten Besuchervielfalt wieder in der Überzahl?
Olaf Hornuf: Ja, das kann man auch gut anhand des Polizeiberichts nachvollziehen. Die ruhigen Nächte sind rein numerisch in der Überzahl. Und das nicht nur auf dem Platz, sondern neustadtweit. Allerdings wird der Trouble viel eher wahrgenommen und ausführlich in den Medien kommuniziert. Man muss auch zwischen wirklichen Vorfällen und urbanen Unbequemlichkeiten differenzieren. Mein Spruch ist: Dieser Platz war nie eine Waldlichtung. Hier ist es laut und es schubsen sich betrunkene Menschen durch die Nacht. Aber auf der anderen Seite siehst du die Mutter mit ihrem Kind auf der Bank sitzen und es passiert rein gar nichts. Die Nächte mit Polizeieinsatz drücken zehn ruhige Abende. Und so rollt der Stein wieder ein Stück den Berg zurück. Das bedingt, dass sich manche Menschen nicht hierher trauen. Es ist manchmal etwas frustrierend. 

SAX: Denkst du, der Problempunkt wird verschwinden oder sich nur an einen anderen Platz verlagern?
Olaf Hornuf: Er hat sich verlagert. Im Vergleich zum letzten Jahr ist es schon deutlich ruhiger geworden. Die Probleme verschieben sich aber nur um die nächste Ecke, da ihre Ursachen nicht beseitigt werden. Das können wir als Scheune allerdings nicht leisten. Wir verdrängen nur unangenehme Erscheinungen und besetzen den Platz mit Kultur. Das ist unsere Kriminalprävention. 

SAX: Im Platzblog schreibst du, dass man für grundlegende Änderungen der Lage am ganz großen Rad drehen müsse. Gesellschaftlich, sozial und politisch. Hast du das Gefühl, hier hat sich etwas getan?
Olaf Hornuf: Leider nein. Dresden ist positiv anzurechnen, dass nicht nur mit repressiven Mitteln vorgegangen wird. Allerdings muss den negativ auffallenden Gruppen eine Zukunft geboten werden, um sie aus dem Milieu herauszubekommen. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir zu friedlichen Happiness-Zeiten zurückgefunden haben – auch gesamtgesellschaftlich gesehen. Meinem Empfinden nach gibt es außerdem viele Menschen, die einer Eskalation nicht entgegenwirken. Da bleibt die Frage: Wo geht Toleranz in Ignoranz über? Das sind Themen, die wir in unsere Diskussionsrunden auf dem Vorplatz aufnehmen. Aber als mein Fazit muss ich leider sagen: Das Rad dreht sich weiter in eine ungute Richtung. 

SAX: Wenn es so weitergeht, dann braucht man Unterstützung. Wie empfindest du das Ideen-Engagement der Neustädter und der Besucher für den Vorplatz? 
Olaf Hornuf: Steigerungsfähig, wobei auch niemand gezwungen werden soll. Es gibt aktive Neustädter, die sich auf dem Vorplatz mit einbringen und andere mit ins Boot holen. Zum Beispiel ist Anett Bauer von MUAH die Hauptinitiierende des Urban Shops. Durch ihre gute Vernetzung in der Dresdner Artszene ist der Kunstmarkt erst möglich geworden. Aber auch ein junger Mann fragte an, ob er auf dem Platz Gedichte zitieren kann, um den Fußgängern etwas Lyrik mit auf den Weg zu geben. Und wer weiß, vielleicht ist das die Basis für etwas Neues. 

SAX: Eine neue Errungenschaft ist auch die Fahrrad-Reparatur-Station seit Mitte Juni. Wie wird sie angenommen?
Olaf Hornuf: Sehr positiv. Mehrfach am Tag kann man Fahrradfahrer beobachten, wie sie die Luft aufpumpen oder ihr Rad reparieren. Das ist zum einen erstaunlich, da sie sehr versteckt liegt. Zum anderen sind wir froh, dass sie schon so lange unversehrt geblieben ist. Die Station ist aber auch an eine Bedingung geknüpft: Wenn man größere Probleme hat, geht man zum Radschlag in die Katharinenstraße. Somit wird eine Brücke ins Viertel geschlagen und das wünsche ich mir auch bei den Veranstaltungen. Es ist mein Traum, dass in zehn Jahren keiner mehr weiß, dass diese Events aus einem negativen Anlass entstanden sind.

SAX: Sind für das nächste Jahr schon neue Aktivitäten geplant?
Olaf Hornuf: Nennenswerte neue Aktionen gibt es noch nicht, damit beschäftige ich mich im Winterhalbjahr. Aber wir suchen immer nach neuen Möglichkeiten. Unser Vorteil ist, dass wir eine Experimentierspielwiese für Plätze mit ähnlichen Problemlagen sind. So werden wir auch nächstes Jahr wieder Aktivitäten ausprobieren und schauen, wie sie angenommen werden. Das setzt natürlich voraus, dass auch die Stadt weiter Interesse an dem bunt belebten Platz hat. Denn dieser wird durch das Amt für Hochbau und Immobilien verwaltet. Aber solange Einigkeit herrscht, sind wir weiterhin daran interessiert, den Scheunevorplatz positiv zu beleben.
Interview: Jenny Schmidt