Hinten nix, vorn zu wenig

Das Sandhausen-Spiel zeigt: Schwarzgelb bröselt. Aber noch ist Zeit.

Ich habe mir diesmal gleich nach dem Spiel vorgenommen, eine Nacht drüber zu schlafen, um dem Ärger nicht freie Bahn zu lassen. Dabei begann der Ärger bereits vor dem Spiel, denn Marvin Stefaniek fiel kurzfristig aus wegen einer Muskelproblematik im Gesäß. So rutschte Niklas Hauptmann in die Startelf, zum ersten Mal. Er hätte sich im Nachhinein dafür wahrscheinlich lieber ein anderes Spiel gewünscht. Denn auch das war sozusagen im Gesäß, sprich: im Arsch.

Halbzeit eins: Sandhausen in der Lok, Dresden im Schlafwagen

Die Geschichte ist schnell erzählt: Einer Halbchance von Kutschke folgt postwendend bereits in Minute 4 das erste Gegentor. Man ist fast schon geneigt, von einem Klassiker zu sprechen. Der Ball geht an der Mittellinie verloren, die Flanke von rechts wird von Guiliano Modica nur kurz geklärt, von links wird dann noch einmal scharf in den Strafraum gespielt, wo am rechten Pfosten Andrew Wooten vergessen und allein schießen kann. Und nicht nur das: Der Abschluss ist eigentlich unplatziert, geht direkt auf Marvin Schwäbe,  doch dem rutscht der Ball von den Händen über die Linie. Unvermögen meets Pech – und das sollte sich auch für das restliche Spiel nicht ändern.

Und das restliche Spiel ist nach einer Viertelstunde eigentlich schon vorbei. Erst gibt es eine Flipper-Einlage im Dynamo-Sechzehner, weil es einmal mehr zu einer vollkommen unbedrängten Flanke kommt. Fabian Müller und Modica klären mit aller Mühe und vollem Körpereinsatz zur Ecke. Als die nach innen fliegt: Auftritt Tim Kister! Der 1,93-Meter-Ex-Dynamo ballert mit einer Kopfballrakete den Ball ins Netz, der ihm zugeteilte Marco Hartmann kann da nur als blinder Passagier mitfliegen und bleibt unglücklich am Boden zurück.
Während nun bei den in Weinrot spielenden Schwarzgelben die Köpfe deutlich runtergehen, zeigt sich Sandhausen wie es ist: Eine Mannschaft, die seit fünf Jahren ununterbrochen 2. Liga spielt und sich ihrer Mittel bewusst ist. Die Sandhäuser zogen ihr Spiel genauso auf, wie man es von ihnen kennt: starke Defensive, abwartend, schnelle Konter, robust, kopfballstark. Da war keine Überraschung. Und doch schien die Dresdner Elf zu agieren, als hätte sie das so nicht erwartet. Gefühlte 80 Prozent der zweiten Bälle – man nennt es heute Rebounds – landen beim Gegner. Immer wieder geht das Spielgerät im Mittelfeld verloren, teilweise durch Fehler, die auf diesem Niveau nicht mehr so häufig passieren sollten: Ball zu weit vorgelegt, Eins-Eins als letzter Mann, Fehlpässe auf kurzer Distanz oder Pässe, die nie und nimmer ankommen können.

Und es sind diese Ballverluste, die die Defensive öfter zurücksprinten lassen, als es notwenig wäre, zeitgleich verhungern die Stürmer, weil der Ball nicht einmal in ihre Nähe kommt. Zudem hatte sogar Stefan Kutschke alle Mühe, ab und zu einen Kopfball zu gewinnen – die Lufthoheit lag klar bei den Weißhemden. Umso verwunderlicher ist es, dass schon sehr zeitig mit weiten Bällen agiert wurde, obwohl sich dieses Mittel von Anfang an als untauglich erwiesen hat.

Dazu kommen die Standards: Beim Blick auf die Startaufstellung stand natürlich die Frage, wer das richten soll, denn Kreuzer saß ja auf der Bank. Die Lösung hieß: Akaki Gogia. Und der machte das richtig schlecht. Schon die erste Ecke kam Kreisklasse-mäßig, bereits der erste Gegner wehrte noch vor dem Strafraum ab. Und es wurde nicht besser. Auch die wenigen Freistöße verpufften harmlos (nur in der 77. Minute riecht es einmal nach Gefahr, als ein 28-Meter-Freistoß knapp das Tor verfehlt).

Ansonsten: Sandhausen kontrolliert das Spiel, und Aias Aosman vergibt in der 21. Minute die einzige richtig gute Torchance, als er aus guter und freier Position mittig knapp über den Querbalken schießt. Keine Frage: Der muss wenigstens auf das Tor gehen, wo dann immerhin noch ein Marco Knaller steht, der sich an diesem Abend als unüberwindbar zeigt.

Halbzeit zwei: ‪Rien ne va plus‬

Viel gibt es da nicht mehr zu sagen: Lumpi muss draußen bleiben, da ihm nach einem Freistoß, der kurz vor der Pause auf seine Brust krachte, die Luft sichtbar wegblieb. Für ihn kommt Erich Berko. Allein: Es passiert kaum noch etwas, das erwähnenswert wäre. Nur die Doppelchance in der 63., als erst Berko und dann Hauptmann am Torwart scheitern, verheißt eine leise Hoffnung auf den Anschlusstreffer, die aber bald wieder verschwindet. Wenig später kommt Pascal Testroet auf den Platz, für den der nicht so schlechte Hauptmann runter muss. Aber auch diese Maßnahme verpufft.

Eine Ahnung, wie es durch Standards hätte klappen können, kommt ab der 84. Minute auf, als Niklas Kreuzer eingewechselt wird. Sein Freistoß kommt sofort gefährlich auf Kutschke, der aus Nahdistanz scheitert. Auch seine Ecken kommen ganz anders herein, als die von Gogia. Aber zählbar wird da nichts mehr.

Am Ende bleibt die Frage, wie es Uwe Neuhaus gelingen kann, die Hintermannschaft so zu ordnen, dass man ein solches Spiel zur Not auch mal 0:0 übersteht, wenn man schon vorn keine Tore schießt. Denn wirklich überzeugend ist zur Zeit keiner der Verteidiger. Vielleicht sollte mal der Kapitän hinten reinrücken ... Na ja, ist nur so eine Idee. Sicher hat der Trainer noch andere, bessere Varianten unds Einblicke. Denn noch ist ausreichend Zeit, zu reagieren, Dinge zu verbessern. Lieber eine Ergebniskrise jetzt als am Ende der Saison.
Uwe Stuhrberg

SV Sandhausen 1916 vs. Dynamo Dresden 30. September 2016, Anstoß: 18.30 Uhr
Tore: 1:0 Wooten (8.), 2:0 Kister (15.)
Dynamo Dresden: Schwäbe, Teixeira (84. Kreuzer), Modica, J. Müller, F. Müller, Hartmann, Lumpi (48. Berko), Aosman, Hauptmann (66. Testroet), Gogia, Kutschke
Schiedsrichter: Günter Perl
Zuschauer: 5.754
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