(K)ein Beinbruch

Dynamo Dresden verliert gegen die Münchner Löwen. Etwas Gemecker

Der Mannschaft fehle es an Reife, so ein Spiel mit einem Punkt über die Zeit zu retten, meinte ein sichtlich angefressener und enttäuschter Markus Kauczinski nach dem Spiel. Recht hat er. Einschränkend muss man aber sagen: Möglicherweise trifft das nur auf die Mannschaft zu, die er auf den Rasen geschickt hat.

Um es klarzustellen: Verlieren gehört zu jedem Sport dazu. Und es war auch nicht anzunehmen, dass Dynamo Dresden alle ausstehenden Spiele gewinnen wird. Dass man noch immer ganz oben steht, ist ohne Zweifel im Nach-Abstiegsjahr ein großer Erfolg, den es anzuerkennen gilt. Wer aber nun meint, Kritik sei deshalb unangebracht, liegt weit daneben – man sehe sich nur den Saisonverlauf der 3. Liga im letzten Jahr an. Es gibt nicht annähernd so viele Apotheken, vor denen Pferde hätten kotzen können, oben wie unten.

Nun steht Schwarzgelb einen Zähler vor Ingolstadt und Rostock, die auch noch gegeneinander spielen müssen. Ein Abrutschen auf Platz 4 scheint sehr unwahrscheinlich bei zehn Punkten Vorsprung, aber der Fall auf den Relegationsrang ist ein Szenerio, das eintreten kann. Um das zu verhindern, sollte der Trainer die so hochgelobte Breite des Kaders wieder ins Spiel bringen.

Ich verfüge über kein Geheimwissen, sehe kein Training, der Informatiosquell sind ausschließlich die Spiele. Und letztlich kommt es auf genau und nur diese an. Der sich aufdrängende Eindruck: Nach den zwei furiosen Vierzunull-Siegen gegen Meppen und Ingolstadt wirken Teile der Startelf überspielt. Während Mai, Ehlers und Knipping Spiel für Spiel solide bis überragend agieren, wirkt das Mittelfeld zwischen 6 und 10 mental ausgepowert und ideenlos. Jonathan Meier, Julius Kade und vor allem Heinz Mörschel lassen spürbar nach, letzterer neigt sogar hin und wieder zu unangebrachter Lässigkeit. Meiers Seitenlinien-Sturmläufe haben inzwischen Seltenheitswert, Kades Pässe kommen immer öfter nicht an und wie Mörschel in der 82. Minute lieber in zwei Gegenspieler reinläuft statt den freien Luka Stor auf links zu bedienen, hat man seit Baris Atik nur noch selten gesehen. Iregendwie ist die Unbekümmertheit der Jugend dahin oder sie wird von der Verantwortung erdrückt.

Nur Paul Will zeigt sich defensiv als Mister Zuverlässig, hat aber eben nicht den Punch nach vorn. Seinen Freistößen und Ecken fehlt zudem die Variabilität, man weiß meistens vorher genau, wo der Ball hinfliegt. Und Ransford-Yeboah Königsdörffer spielt wie eine Überraschungstüte: Konnte er gegen Wiesbaden noch einen seiner Schlängelläufe vor dem Siegtor ansetzen, fehlte ihm in München diesmal das Glück beim Konter kurz vor dem Knockout.

Bliebe noch die Fraktion ganz vorn: Ohne die Präsenz und Wucht eines Christoph Daferner geht es eigentlich nicht. Pascal Sohm ist zur Zeit nur ein Abschluss-Stümer vor der Bude, der aber nicht wie die 33 über die Flügel gefährlich werden kann. Und im Paket mit Philipp Hosiner klappt es schon gar nicht, denn Hosiner wiederum braucht Daferner. Stor dagegen ist nur zu gebrauchen, wenn klar auf Konter gespielt wird – siehe Ingolstadt. Zudem fehlt es schlicht und einfach an der Präzision von hinten heraus: Da sind zu viele 50:50-Pässe, Fehlabspiele, Bälle ins Nitschewo.

Aber: Auch solche Leistungstäler gehören zur Entwicklung einer so jungen Mannschaft. Da sollte das Trainerteam auch schützend reagieren. Die Anzeichen für die am Montag aufgetretenden Probleme waren da: Gegen München II und Saarbrücken, in den 60 Minuten nach der Führung gegen Wiesbaden trat all das schon in Erscheinung, was nun zur Niederlage führte. Und es bleibt ein Rätsel, warum Markus Kauczinksi das Thema Auswechslung derart defensiv behandelt. Gegen 1860 kamen Yannick Stark und Leroy Kwadwo in der 87. Minute für Meier und Mörschel. Das hätte aber spätestens in der 70. Passieren müssen. Es ist das eine, den Youngsters Chancen zu geben, wenn sie aber Hilfe und Erfahrung benötigen, sollten sie diese auch bekommen. Klar ist aber auch: Noch nie haben Marco Hartmann und Chris Löwe so sehr gefehlt.

Zudem verfügen die vielen Talente natürlich noch nicht über das variable Spiel eines älteren Hasen, sie sind ergo viel ausrechenbarer. Im Gang nach vorn sind das vor allem Königsdörffer und Daferner, die immer wieder für Verwirrung beim Gegner sorgen. Bei Mörschel lässt der Effekt nach seinen starken Anfangsauftritten nach, Meiers Haken sind nun auch bekannt und Kade fehlt es zur Zeit am entscheidenden Durchsatz. Warum also nicht mal wieder Stark und Stefaniak in die Startelf oder ein Kampfschwein wie Justin Löwe? Jaja, höre ich es schon, da spielt mal wieder einer Trainer. Nö, sage ich, bin nur ein oller Meckerkopp, der meckert, wenn es an der Zeit ist. Und genau jetzt ist es an der Zeit. Das wissen alle Beteiligten auch. Bleibt nur zu hoffen, dass die Länderspielpause nicht dazu führt, dass in zwei Wochen dann doch nicht alles so schlimm war. Wie gesagt: Es fehle an Reife, meinte der Coach. Vielleicht muss sie nur wieder auf den Platz bringen.
Uwe Stuhrberg

TSV 1860 München vs. SG Dynamo Dresden 1:0

22. März 2021, Anstoß: 19 Uhr
Tor: 1:0 Steinhardt (86.)
Dynamo Dresden: Broll, Ehlers, Mai, Knipping, Meier (87. Kwadwo), Königsdörffer, Kade, Will, Mörschel (87. Stark), Daferner (43. Hosiner), Sohm (74. Stor)
Ohne Einsatz: Wiegers, C. Löwe, Stefaniak
Zuschauer: 0
Schiedsrichter: Benjamin Cortus
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