Kevin allein zu Haus

Mit Glück und Broll gewinnt Dynamo Dresden einen Punkt in Verl

„Mai the Force be with us“ hatte ich mir vorab als flotten Spruch zurechtgelegt an diesem 4. Mai, doch der abgewandelte Star-Wars-Slogan kam zur absoluten Unzeit: Sebastian Mai hatte sich gegen Uerdingen eine Bänderverletzung im Knie zugezogen – bereits im Hinspiel gegen die selbe Mannschaft musste sein anderes Knie herhalten. Ebenfalls angeschlagen fehlte kurzfristig Julius Kade, der beim letztjährigen 4:1 gegen Verl gleich zweimal getroffen hatte. Also füllten hinten Chris Löwe und Leroy Kwadwo die Lücken. Allerdings war die Ordnung der womöglichen Viererkette streckenweise etwas unklar.

Broll als Ein-Mann-Avenger

Und diese Unklarheiten werden auch sofort bestraft. Also fast. Denn schon als in der ersten Minute Corboz frei vor dem Dynamo-Kasten auftaucht, zeigt Kevin Broll, dass er seine Duisburg-Patzer aus der Erinnerung radieren will. Vom Anstoß weg ist sofort klar, dass dies eine ganz knifflige Aufgabe sein wird. Aber nach sechs Minuten ein offensives Dresdner Lebenszeichen, als Panagiotis Vlachodimos über links kontert; am Ende wird es kein Schuss und kein Pass nach innen, es wird einfach nichts. Fast im Gegenzug ein strammer Schuss von Justin Eilers, doch diese zentrale Aufgabe ist kein Problem für den Dynamo-Keeper.

Doch da, ein Freistoß, halblinks vor dem Strafraum der Verler. Jetzt schnell Heinz Mörschel einwechseln! Aber es ist ja gerade eine Viertelstunde gespielt. Wenn man gewusst hätte, dass es der einzige Freekick dieser Art im gesamten Spiel sein wird, wäre es das Risiko vielleicht wert gewesen, denn die 7 semmelt den Ball humorlos deutlich über die Latte. Dann schon wieder Eilers: Auf der Fünferlinie bekommt er eine Flanke direkt auf die Stirn serviert, aber Broll reflext einen Handschuh dran und boxt das Ding sensationell weg.

Bei Dynamo geht jetzt kaum etwas. Ehlers und Knipping haben alle Füße voll zu tun, Löwe wechselt irgendwann nach links, da Diawusie defensiv keinen Stich sieht. So muss Kwadwo auch weiter hinten rein, sodass die linke Außenbahn an Power verliert. Dazu kommen eine Menge Kleinigkeiten, die in der Summe das Dynamospiel entkreiseln: Fehlpässe über kurz oder lang, Irgendwohin-Kopfbälle statt Ballannahmen, unklare Laufwege in der Offensive und beim Anlaufen des Gegners sowie immer wieder viel zu leichte Ballverluste. Das nervt gewaltig, und Christoph Daferner zeigt das an, als er gegen Ritzka mal eben die Sense rausholt, und sich via fünfter Gelber einen arbeitsfreien Tag gegen Victoria Köln beschert. Immerhin zieht Yannick Stark mal aus 25 Metern ab – sieht gut aus, aber leichte Torwartbeute.

Feuer nur in der Defensive

Während Dynamos Mühen nur Stückwerk zutage bringen, zieht der SC immer wieder ein schnelles Kurzpassspiel auf, gegen das weder beim Pressing noch im Mittelfeld ein Kraut gewachsen ist. Die letzte Linie hinten drin muss so einen Brand nach dem anderen löschen, was bei er Arbeitsmenge auch immer mal kleine Wackler enstehen lässt. Trotzdem ist so wenigstens Feuer in der Defensive, dass sich aber kaum nach vorn ausbreitet. In der 34. Minute hat Ehlers so einen Ausrutscher, als er am Ball vorbeitritt – so steht Eilers fast frei vor Broll, doch Ehlers kann gerade noch so den Schuss an die Hand seines Goalies abfälschen, weil sich der Schütze zu viel Zeit nimmt. Huiuiui. Wann ist das Glück bei der SGD aufgebraucht? Noch lange nicht.

Aber direkt danach ein Angriffs-Lebenszeichen der Sportgemeinschaft: Hosiner gibt an die rechte Außenbahn – und da nimmt sich Diawusie ein Herz und läuft und läuft und läuft, lässt alle stehen und spielt mit Auge auf Daferner, der aber am Fünfmeterraum zu weit rechts neben dem Tor steht und so danaben schießt. Und das war es dann auch mit richtigen Treffergelegenheiten für Dynamo. Derweil muss Broll schon wieder retten als Ein-Mann-Avenger, als er in Minute 42 einen abgefälschten Schuss von Corboz aus dem Knick kratzt. Bei der nachfolgenden Ecke zeigt Ehlers noch eine Eigentorversuch, doch da antizipiert sich der Dresdner Keeper sehenswert flach unten links. Jetzt muss dringend die Pause her. Da ist sie auch schon.

Alexander Schmidt wechselt zum Wiederanpfiff doppelt: Stor für Diawusie, Kreuzer für Löwe. Das bringt hinten etwas mehr Stabilität, vorn aber nichts. Schon jetzt ist klar: Wenn hier ein Punkt mitgenommen werden kann, wird es ein Gewinn sein, denn vom Toreschießen ist Dynamo so weit weg wie Schalke von der Meisterschaft. Daran änderte auch die Hereinnahme von Heinz Mörschel nach einer reichlichen Stunde nichts. So können wir das abkürzen: Im zweiten Durchgang bleibt die SGD offensiv chancenlos, während die eigene Kiste noch dreimal in allerhöchste Gefahr gerät. Sogar in der 90. Minute geht ein Schuss knapp vorbei. Nach 60 Sekunden Nachspielzeit hat das Bibbern ein Ende als der unauffällige Referee Martin Speckner abpfeift.

Fazit
Beste Männer für die SGD waren Broll und Eilers, wobei letztendlich alle Dresdner Verteidiger Schwerstarbeit zu verrichten hatten. Aber zu oft musste der Ball rausgedroschen werden, zu oft gab es kein koordiniertes Spiel nach vorn, das Mittelfeld brach immer wieder zusammen, während Daferner vorn ein 90-minütiges Solo tanzte. Und diesmal passte es auch mit den Wechseln nicht: Stor, Kreuzer und Mörschel machten es nicht viel besser, Stefaniak bekam gerade einmal drei Minuten, dabei hätte man Vlachodimos schon zur Pause vom Feld nehmen können. Nicht zuletzt hat der Mai-Verlust wieder einmal gezeigt: Ohne ihn und ohne Hartmann fehlt es an einem Leader of the Pack. Stark füllt das nicht aus, am ehesten nimmt noch Ehlers im Austausch mit Knipping die Sache in die Hand, aber das beschränkt sich meist auf defensive Aufgaben. Klar, die enge Taktung der Spiele zeigt Wirkung. Aber dass vom Start weg so eine Leistung gezeigt wird, kann nur daran nicht liegen. Wenn man es positiv interpretieren will, würde man sagen: Zwei Schritt’ vorwärts, ein’ zurück. Es sollte nun aber wieder vorwärts gehen.
Uwe Stuhrberg    

SC Verl vs. SG Dynamo Dresden 0:0

4. Mai 2021, Anstoß: 19 Uhr
Dynamo Dresden: Broll, Kwadwo, Ehlers, Knipping, C. Löwe (46. Kreuzer), Stark, Will, Vlachodimos (87. Stefaniak), Diawusie (46. Stor), Daferner, Hosiner (63. Mörschel)
Ohne Einsatz: Kiefer, J. Löwe, Kühn
Zuschauer: 0
Schiedsrichter: Martin Speckner
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