Klasse gehalten

Gegen die Antifußballer aus Sandhausen wurde die 40 geknackt

Ich hatte mir fest vorgenommen: Wenn es diesmal wieder mal was wird mit einem Heimsieg und eine dann auch rechnerisch unabsteigbaren Saison gefeiert werden kann, dann lasse ich mir für die Nachspielzeilen mal einen Tag Zeit und freue mich einfach nur. Gedacht, getan, gefreut, geschrieben.

Erste Halbzeit: Berko macht den Olsen

Wenn man manchmal in den Gästeblock schaut und es laufen so called Dorfmannschaften wie Sandhausen in Dresden auf, dann fragt man sich schon mal:  Wenn ganz Fußballdeutschland weiß, dass hier jedes Spiel ein Fest ist, warum machen sich dann nicht ein paar Leute mehr auf den Weg? Hey, wir brauchen die Kohle! Da muss ganz fix ein Trainigszentrum her, wenn Hannover und Stuttgart weiter so patzen ... Ähem ...

Okay, sehen wir uns mal auf der Ersatzbank um und entdecken dort Gaucho Modica und Glasbrillenträger Stefaniak. Chapeau, Herr Neuhaus, aber das ist schon okay so nach den letzten Wochen: Marvin etwas uninspiriert, Giuliano mit wenig Druck nach vorn. Hinten also Jannik Müller mit dem genesenen Florian Ballas, was auch dringend notwenig scheint, wenn man Ex-Dynamo Tim Kister mit 1,93 Meter auf das Grün schlurfen sieht.

Dann geht es los, und von Anfang an sieht man, wie sich der SV aus dem Rhein-Neckar-Kreis in der zweiten Liga hält: 1. Man nimmt dem Gegner die Lust am Fußballspielen. 2. Man wartet auf Fehler der anderen. 3. Ein Standard wird es hin und wieder richten. Und zum Punkt 1 gehört auch, dass regelmäßig hingelangt wird. So etwa in Minute 6, als ein gewisser Herr Klingmann den für ihn viel zu flinken Erich Berko derart über die Klinge springen lässt, dass es zwingend Gelb geben muss. (Dass der Mann ohne Gelb-Rot in Halbzeit zwei noch ausgewechslt werden kann, ist schon eine Sache für sich, ebenso, dass sein Kollege Vollmann ganz ohne Karte durch das Spiel kommt.) Den fälligen Freistoß köpft Marco Hartmann wuchtig, aber neben das Tor.

Ab jetzt stellt der SVS hoch zu, wenn dynamischer Spielaufbau von hinten heraus zu erwarten ist. Trotzdem gelingt es dem Heimteam immer wieder, sich zu befreien, aber den Riegel am Sechzehner zu knacken, scheint schwieriger zu sein, als wenn Egon Olsen per Stethoskop einen Franz Jäger öffnet.
So geht das 25 Minuten mit gefühlten 120 Prozent Ballbesitz. Es wird gerade etwas langweilig (Sportreporter-Slang: Das Spiel lebt von der Spannung.), und auf einmal kommen wir zu Punkt 2 des Sandhäuser Katalogs: Auf Fehler warten. Ein ganz harmloser Pass von Hartmann zur Außenbahn springt Jannik Müller vom Fuß, und weil er einen Einwurf verhindern will, chipt er den Ball irgendwie in die gegenerische Hälfte, von wo es per Pass auf Vollmann sofort Richtung Dynamo-Tor geht. Und, alte Weisheit: Wenn der Innenverteidiger zu weit außen steht, fehlt er in der Mitte – so kann der Sand-Mann allein auf Schwäbe zu laufen, doch der Marvin bleibt cool und verhindert das Tor wie es Silvio Heinevetter auch nicht besser gekonnt hätte. Und so darf man schon jetzt sagen: Klasse gehalten! Dass Dresdens Kapitän dann noch etwas ruppige Aufräumarbeiten im eigenen Strafraum verrichtet, muss ja mal erlaubt sein.

Hallowach im richtigen Moment? Aber ja doch. Denn nun wird es etwas zielstrebiger und drei Zeigerumdrehungen nach dem Fastgegentor auch erfolgreich. Lumpi läuft wie der kleine Muck hochgeschwindt auf den SV-Strafraum zu, zelebriert einen Doppelpass mit dem an diesem Tag megaquirligen Niklas Hauptmann und will dann auch den Torschuss. Allerdings prallt das Leder nach links weg, wo Berko gerade noch den Pass erwartet hatte und jetzt wie Egon Olsen den Sandhausen-Tresor knackt – nur eben ohne das Hördingens. Er nimmt dankend mit dem Fuß an, stoppt kurz, guckt den Torwart aus und semmelt das Ding gekonnt links oben in den Winkel. Dass er im Anschluss direkt zur Bank läuft, um mit Stefaniak abzuklatschen, ist wohl ein weiterer Beleg dafür, dass es im Neuhaus-Team stimmt mit der Stimmung. Und der – wie erwähnt – ebenso auf dem Wechselplatz sitzende Modica darf sich dann wohl schon auf das kommende Spiel freuen, denn Jannik Müller sieht für eines der ganz wenigen Dresdner Fouls Gelb wegen Haltens. Beim folgenden Freistoß zentral vor dem Strafraum taucht Schwäbe im richtigen Moment ab und fischt das Runde weg.

Viel passiert nun nicht mehr im ersten Duchgang, bis auf einen Rebound in der 37. Minute, den Aias Aosman kurz hinter der Mittellinie abfängt, dann Richtung Tor stürmt und den Ball aus 20 Metern knapp am SV-Lasten vorbeidrischt.

Zweite Halbzeit: Heise sichert die kommende Saison

Änderungen gibt es nach der Pause ebensowenig beim Personal wie auf dem Platz. Dynamo kontrolliert, Sandhausen will kein zweites Tor fangen. Und manchmal hat man den Eindruck, die die Dresdner denken, sie würden mit zwei Stümrner spielen, denn mindestens dreimal werden No-Look-Pässe in die Strafraummitte gespielt, wo sich jedoch niemand befindet. Zumindest kein Dynamischer.

Aber dann mal wieder Berko, Hauptmann und Aosman, der knapp drüber schießt. Und wenn eines den Sandhausenern nicht gelingt, dann, der Heimelf den Spaß am Spiel zu nehmen. Immer wieder wird angerannt, wird kombiniert, wird ausprobiert. Für den SV heißt es dagegen oftmals: last exit – Foul. Aiaos Aosman rackert das Feld hoch und runter und Niklas Hauptmanns Balleroberung und –behauptung ist immer wieder eine Augenweide, zudem er immer öfter den richtigen Moment zum Abspiel findet.

Jetzt heißt es: Geduld haben, hinten sicher stehen, vorn irgendwie noch einmal den Panzer knacken. Und endlich wird auch vom mal Referee geahndet, dass die Gegenspieler (nicht nur in dieser Partie) Stefan Kutschke ständig in den Rücken spingen. Dass Übeltäter Gordon allerdings so zu Boden geht, dass ein ganzer Schwarm sterbender Schwäne neidisch werden könnte, hat nur ein Pfeifkonzert zur Folge. Und Herr Dankert hat noch einmal die Augen offen, als der SVS in der Person von Derstroff einen Strafstoß schinden will. Schwalbe. Gelb.

In Minute 70 kommt Marvin Stefaniak für Lumpi und bringt sofort mehr Leben in die Bude. Neun Minuten auf dem Platz, spielt er eine Flanke, die der mittige Kutschke nicht erreicht, die aber durchrutscht auf Berko. Und wie vor Wochenfrist mit Kreuzer – nur eben auf der anderen Seite – bedient er zauberhaft den heranrauschenden Philip Heise, der aus ganz spitzem Winkel einnetzt, unter Mithilfe einer hauchdünnen Berühung von Tim Kister. Und jetzt darf man sagen, aber anders meinen: Klasse gehalten, 41 Punkte. Denn diesmal wird das Ganze in Ruhe und clever zu Ende gespielt, Sandhausen ergibt sich.

Und jetzt: Das Schaulaufen um 27 mögliche Punkte möge beginnen!
Uwe Stuhrberg

Dynamo Dresden vs. 1. FC SV Sandhausen
19. März, Anstoß: 13.30 Uhr
Tore: 1:0 Berko (29.), 2:0 Heise (79.)
Dynamo Dresden: Schwäbe, Kreuzer, Ballas, J. Müller, Heise, Lumpi (73, Stefaniak), Hartmann, Hauptmann, Aosman (79. Konrad), Berko, Kutschke (85. Testroet)
Ohne Einsatz: Wiegers, Teixeira, Modica, F. Müller
Schiedsrichter: Bastian Dankert
Zuschauer: 27.926
www.dynamo-dresden.de