Nahrung für die Seele

In ihrer poppigen »Kartoffel Gallery« verschmilzt die Künstlerin Lita Poliakova Ausstellungsraum, Kunstladen und dynamischen Performance-Space zu einem homogenen Kosmos

Einst stand sie für frischen Wind; die Kartoffel. Galt sie doch ab dem Augustäischen Zeitalter, auch in hiesigen Breiten, als solides Grundnahrungsmittel. 300 Jahre später sorgt die starke Knolle wieder für frischen Wind. Genauer: in der Dresdner Kunstszene, in Form erschwinglicher Kunst – quasi als Grundnahrungsmittel für die Seele.

Die Rede ist von der »Kartoffel Gallery« im Barockviertel. Seit Januar betreibt die Künsterlin Lita Poliakova auf der Hauptstraße einen frühlingsfrischen Mix aus Ausstellungraum, Kunstladen und Ort für künstlerische Veranstaltungen. Knallbunte Ohrringe buhlen da mit gerahmten Radierungen, originellen Fotografien und Kunstdrucken um die Gunst der Kunstinteressierten. Handbemalte Postkarten ziehen den Betrachter ebenso in den Bann wie abgefahrene Objekte und Magnete in Form von Spiegeleiern.

Dass immer wieder die Kartoffel in der »Kartoffel Gallery« auftaucht, klingt logisch. Aber warum eigentlich? Die Philosophie dahinter scheint so einfach wie genial. Kunst, so die Meinung von Lita Poliakova, darf kein elitärer Luxus sein, sondern Nahrung für die Seele. Einer Kartoffel gleich, sollte Kunst selbstverständlich und verfügbar sein, bezahlbar und unabdingbarer Bestandteil unseres Alltags. Entsprechend spielt Lita in ihrer eigenen Kunst gern mit dem Thema oder inszeniert sich gleich selbst augenzwinkernd mit Kartoffelkette.

Es ist diese wunderbare Heiterkeit, welche es der Künstlerin leicht macht, den Menschen ihren übergroßen Respekt vor Kunst und die Schwellenangst zu nehmen. Jeder darf sich in ihrer violetten »Kartoffel Gallery« eingeladen fühlen, zu Schnuppern, zu Staunen und eine tiefe Wertschätzung für kreativen Ausdruck zu entwickeln. Beispielsweise für die im Sommer geplanten Workshops, für die Lita noch lokale Künstler sucht.

Während der ruhige Rückbereich der Galerie einem Zeit lässt, die eindrucksvollen Gemälde peu à peu zu studieren, fällt der vordere Hauptraum mit seiner Petersburger Hängung sozusagen mit der Tür ins Haus. Hier geht Lita, die gebürtige Sankt Petersburgerin, mit Vollgas zum Input-Overkill über. Ballen sich doch auf kleiner Fläche ihre ausdrucksstarken Bilder wie auch die von weiteren Künstlern wie etwa Monika und Johannes Deimling, deren Steckenpferd zwischen der Welt des Surrealen und einem humorvollen Realismus munter hin- und hergaloppiert.

Letzteres gilt auch für die Inhaberin der Galerie. Lita Poliakova, die in Helsinki Kunst studierte, ist ein große Anhängerin schräger Ideen und unkonventioneller Umsetzungen. Ihre kraftvollen Aquarelle, ihre wilden Collagen, ihre skurril inszenierten Fotografien lassen eine Künstlerin erkennen, die mit vollen Händen aus sich schöpft und dabei allzu gern über den Tellerrand lugt. So arbeitete sie künstlerisch bereits in Portugal, Brasilien und Malta. Einzelausstellungen in Australien, den USA und Deutschland passen gut zur weltoffenen Art der umtriebigen Russin.

Dieses Fenster zur Welt möchte die 38-Jährige nun in Dresden weit öffnen, da, wo sie seit sieben Jahren mit ihrem Mann Vladimir lebt. Die beiden sind ein eingespieltes Team. Vladimir, der an der TU Dresden arbeitet (und hier seine Doktorarbeit in Chemie schrieb), war der treibende Keil, sich an der Elbe niederzulassen. Damit Lita künstlerisch in Dresden Fuß fassen kann, unterstützt er seine Frau nicht nur beim Ladendienst. Galt es doch, das heruntergekommene Geschäft in Eigenleistung vorerst komplett zu renovieren und umzubauen: Wände raus, Fußboden rein, Malern, Lichtkonzept …
Herausgekommen ist ein offener Ort für bedeutende nationale wie internationale Künstler, welche in Dresden ausstellungstechnisch bisher noch nicht am Start sind. Darüber hinaus ist die »Kartoffel Gallery« ein Platz, der nach großartigen Performance-Events schreit. Events, welche von Lita Poliakova und ihrem kleinen Helferteam nach dem Motto »Essen für die Seele, Essen für den Magen« stets auf ambitionierte Art kulinarisch begleitet werden. So geschehen im April, als sich 120 Gäste dem Thema »Stärke« widmeten. Dass Kartoffeln voller Stärke stecken, nahm Lita zum Anlass, ihren Gästen kurzerhand drei verschiedene Sorten Kartoffelsalat zu kredenzen.
Mutti

Kartoffel Gallery Hauptstraße 17, 01097 Dresden, Donnerstag/Freitag 14 bis 18 Uhr, Sonnabend 12 bis 18 Uhr
www.kartoffelgallery.com