Neue alte Meister

Nach siebenjähriger Sanierung ist die Ausstellung im Semperbau wieder geöffnet

Es sind diese Ereignisse, für die man Dresden und die Dresdner lieben muss. Da eröffnet eine Ausstellung wieder – zugegebenermaßen sind es die Alten Meister, jetzt erweitert um die Skulpturensammlung, und, ja, sie war in den letzten sieben Jahren nur noch in Ausschnitten zu sehen. Aber sie wird ja nun bleiben, für die nächsten Jahre. Aber schon am Abend der Eröffnung, da bilden sich Schlangen! Bei so einem Ereignis wollen sie dabei sein, die Dresdner, das möchten sie nicht dem Hörensagen überlassen, das wollen sie selbst erleben, und zwar sofort! Und dafür stehen sie lange an, denn es dürfen nicht zu viele Menschen gleichzeitig in die Ausstellung. Und damit beweisen sie, dass das, was wenige Stunden vorher beim Festakt anlässlich der Wiedereröffnung im gegenüberliegenden Schauspielhaus in den Reden beschworen wurde, wirklich stimmt: Die Alten Meister gehören zur Identität der Stadt, sind tatsächlich Heimat. Vielleicht nicht für alle, aber eben doch für viele.

Und eben nicht nur die Einzelbilder wie die Sixtinische Madonna, das Schokoladenmädchen oder Rembrandts Saskia, wie Cranachs Adam und Eva oder die Schlummernde Venus, sondern, so Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, „die Sammlung in ihrer Gesamtheit.“ Seit dem späten Freitagabend können nun also die Dresdner und mit ihnen Interessierte aus nah und fern erkunden, ob die Neuen Alten Meister noch die alten sind und was die Veränderungen mit ihnen gemacht haben.

50 Millionen Euro hat sich der Freistaat diese grundlegende Sanierung kosten lassen, auch der Sparkassen-Kulturfonds des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes hat dazu beigetragen, dass nun die Klimaanlage auf dem neuesten Stand ist, Multimediaguides durch die Ausstellung führen, Barrierefreiheit garantiert ist, neue Wandbespannungen und Tageslicht die Räume in besondere Farben tauchen. 45 Gemälde wurden grundlegend, 162 in kleinerem Umfang restauriert, 310 Rahmenfassungen überarbeitet. Man verabschiedete sich von den alten Kronleuchtern und installierte ein komplett neues Beleuchtungssystem, das die Kunstwerke „dramaturgisch in Szene setzt.“ Das sagt Stephan Koja, der Direktor der Alten Meister und der Skulpturensammlung bis 1800. An diesem Eröffnungsabend ist ihm die Rührung, die Ergriffenheit und Dankbarkeit, als Kunsthistoriker so einen Prozess erlebt und gestaltet zu haben, ins Gesicht geschrieben. Denn es ist nicht der einzige dramaturgische Eingriff. Die wohl aufregendste Neuerung: Zu den 700 ausgestellten Bildern gesellen sich nun etwa 420 Kunstwerke aus der Skulpturensammlung, die vorher stets unabhängig von Gemälden ausgestellt wurden. „Jetzt erzählt die Ausstellung mit Skulpturen, die teilweise aus der Antike stammen, die Entstehung eines neuen Menschenbildes in der Kunst“, so Koja. „Sie erzählt auch davon, wie Bildhauer und Maler sich gegenseitig beeinflusst haben.“ Betrachtet man nun die Säle, scheint das Zusammenspiel zwischen Skulpturen und Bildern so natürlich und selbstverständlich, dass man sich wundert, warum dieser Dialog zwischen den Ausdrucksformen erst jetzt ermöglicht wird. So steht beispielsweise eine Skulptur von Laokoon und seinen Söhnen unmittelbar vor einem Gemälde von Andrea del Sarto mit der „Opferung Isaaks“ – und man erkennt tatsächlich sofort, dass ein Sohn des Laokoon die Gesichtszüge des Isaak trägt. Vor Rembrandts „Ganymed in den Fängen des Adlers“, auf dem Ganymed als weinendes Kleinkind dargestellt wird, findet sich die Skulptur „Weinendes Kind“ seinen Freundes Hendrik de Keyser – die Gesichter sind zum Verwechseln ähnlich.

Sehr schön auch, dass sich nun im Cranach-Saal auch die Büste dessen findet, der die meisten dieser Bilder in Auftrag gegeben hat. Friedrich der Weise mag vielleicht etwas untergehen angesichts der Fülle an Cranach-Gemälden. Nicht nur in diesem Saal bestätigt sich ein Ansatz der Neugestaltung: „die Inszenierung der Fülle“, so hatte es Marion Ackermann genannt, den unglaublichen Reichtum der Sammlung angemessen zur Schau stellen.

Dem Festakt mit vielen hochrangigen Gästen – der Ministerpräsident der Niederlande Mark Rutte hielt eine sehr unterhaltsame, kluge Rede, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble eine sehr politische – folgten zwei ausverkaufte Konzerte von Woods of Birnam. Sie stellten ihr neues Album „How to hear a painting“ vor, inspiriert von den Alten Meistern. Deren Kunstwerke spielten mit auf Überwältigung setzenden Videosequenzen unstrittig die Hauptrolle bei dieser Konzertinstallation. Weil die Kartennachfrage so groß war, ließ sich das Konzert im Zwinger auf einer großen Leinwand verfolgen. Und weil die Dresdner so sind, wie sie sind, standen auch hier unzählige begeisterte Menschen in der Kälte und nahmen dieses Kunstgeschenk dankbar an.
Katja Soilbrig

Gemäldegalerie Alte Meister
Am 1. März, 10 bis 18 Uhr geöffnet, kostenlose Zeitkarten gibt es noch an der Tageskasse. Ab 3. März geöffnet: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Eintritt 14 Euro , ermäßigt 10,50 Euro, freier Eintritt für Kinder unter 17 Jahren
www.gemaeldegalerie.skd.museum