Neue Realitäten

Das DAVE Festival vom 7. bis 16. Oktober

Noch eine Ausgabe und dann steht tatsächlich schon das erste große Jubiläum von DAVE, dem Festival für Clubkultur, an. Aber bis es im kommenden Jahr so weit ist, gilt es erst einmal, die neunte Edition über die zahlreichen Bühnen, Podien, Leinwände und Tanzflächen der Stadt zu bringen. Denn, man ahnt es bereits: Auch 2022 stehen erneut unzählige Programmpunkte, Formate, Themen, Künstler und Künstlerinnen mitsamt ihrer Sounds im Zentrum der zehn Veranstaltungstage.

Und über allem schwebt ein Motto, das zeitgenössischer kaum sein könnte: »New Realities«. Und mit neuen Realitäten kennt man sich ja langsam aus. Auch wenn sich diese Aussage irgendwie selbst widerspricht, würde sie ja andeuten, man wäre irgendwann mit der Gewöhnung an neue Realitäten am Ende angelangt. Aber dafür bietet die Gegenwart schlichtweg keinen Anlass. In den vergangenen Jahren weniger denn je. Das war wohl auch schon Grund für das 2021er-Motto »Save the Next Dance«, das dem befürchteten Klubsterben einen Kontrapunkt setzte. Vor diesem Hintergrund sollen mit dem diesjährigen Motto also neue Realitäten ausgelobt werden.

Nach Aussage der Festivalmacher bezieht sich das Motto »einerseits auf die Verschränkung von kulturellen Online- und Offline-Inhalten, die durch die Pandemie noch einmal vorangetrieben wurden« und die auch im DAVE-Programmkalender durch Hybridveranstaltungen wie »Slot Fighter« oder »DAVE TV« ihren Widerhall gefunden haben. Andererseits gibt es »New Realities« auch im Spannungsfeld von Klubkultur und Gesellschaftskritik. Von Genderdiskursen über die prekären Lebensverhältnisse von Künstler*innen infolge unfairer Vergütungsmechanismen bis hin zu Abwanderungswellen aus Dresden aufgrund schwacher Kulturangebote: Spannende Debatten rund um die neuen Realitäten gibt es nicht nur in der Klubkultur.

Für all jene interessanten Themen dürften zehn Tage ja eigentlich zu kurz sein, aber wer in den verschiedenen Facetten der Klubkultur unterwegs ist, der oder die weiß, wie man Tage und Nächte so füllt und dehnt, dass das Maximum an Input möglich wird. Dennoch wurde auch auf das Feedback des Publikums der vergangenen Jahre gehört und dafür gesorgt, dass es weniger Überschneidungen im Programm mit den DAVE-eigenen »Leuchtturm«-Veranstaltungen gibt, wie es die Macher erklären. »In der Vergangenheit wurde seitens des Publikums kritisiert, dass zwar die Veranstaltungen sehr interessant wären, diese aber aufgrund von Kollisionen im Zeitplan nicht umfänglich besucht werden konnten. Auf dieses Feedback wurde gehört und deshalb gibt es 2022 jeden Tag eine große DAVE-Produktion.«

Flankiert werden diese aufwendigen Produktionen wie gewohnt von Workshops, Diskussionen, Ausstellungen und anderen Extras. Auch der Online-Radiosender DAVE TV, das DAVE Radio und die DAVE Festival Bar kehren ins Programm zurück. Zentrales Anliegen von DAVE war überdies schon immer auch die Förderung des Nachwuchses, was im Format »Artist in Focus« schon von Anfang an eine programmatische Entsprechung und 2019 eine Umbenennung in »Local in Focus« fand. In diesem Jahr fiel die Wahl auf das Party-Kollektiv Syn.thie.Verrückt, das seit sieben Jahren die elektronische Tanzszene Dresdens aufmischt und dabei stets die Prämisse voranstellt, lokale Strukturen zu stärken und Beziehungen aufzubauen, die sich durch zwischenmenschliche Nähe auszeichnen.

Dazu werden sie in der Zeit vom 7. bis zum 16. Oktober nicht nur die Möglichkeit bekommen, denn Syn.thie.Verrückt sind per Party, im Workshop sowie in Diskussionen zu erleben und werden auf diese Weise dem ganzen DAVE eine eigene Note geben, die selbst vielleicht für neue Realitäten sorgt. Auch dann noch, wenn die Türen nach der großen DAVE-OFF-Party im Sektor Evolution geschlossen werden. Einem Klub, der mitten im Dresdner Industriegelände nach dem verheerenden Brand im Juni dieses Jahres selbst gerade eine neue Realität durchmacht und im Oktober wie Phönix aufersteht. Nur eben neben der Asche. Auch das eine neue, wenn auch eine andere Realität.
Thomas Natzschka

9. DAVE Festival für Clubkultur 7. bis 16. Oktober, www.dave-festival.de