Norweger bringen Paris nach Wiesbaden

Das Bergen Philharmonic Orchestra beim Rheingau-Musik-Festival

Ra .Das Rheingau-Musik-Festival macht vieles möglich, woran man gar nicht gedacht hätte. Am 28. August ließen sie ausgerechnet Norweger Paris nach Wiesbaden bringen. Wie das? Das Bergen Philharmonic Orchestra trat im Rahmen des Rheingau-Musik-Festivals im Kurhaus Wiesbaden auf mit Werken, die die jeweiligen Komponisten in ihrer Pariser Schaffensperiode geschrieben haben.###MORE###

Den Auftakt machte Hector Berlioz´ Ouvertüre „Le carnaval romain“. Hierbei handelt es sich um eine nachträglich komponierte Ouvertüre zu der bereits beim Publikum durchgefallene Oper „Benvenuto Cellini“, die wesentliche Motive aus der Oper verarbeitete. Auf eine wirbelnde Einleitung folgt eine Liebesarie, dann ein furioser (teuflischer) Tanz. Die Themen werden noch einmal verbunden, bevor das Finale in einen überschwänglichen Festtaumel mündet. Das Bergen Philharmonic Orchestra unter Andrew Litton wurde den Anforderungen des Werkes voll gerecht.

Das Bergen Philharmonic Orchestra wurde bereits 1765 gegründet und gehört damit zu einem der ältesten Orchester der Welt. Leopold Stokowski, Thomas Beecham, John Barbirolli, Neville Marriner, Carlo Maria Giulini, Esa-Pekka Salonen, Neeme Järvi oder Mariss Jansons haben dieses Orchester bereits als Gastdirigenten dirigiert. 2003 übernahm der Amerikaner Andrew Litton, damals noch Musikdirektor beim Dallas Symphony Orchestra die musikalische Leitung. Auch er hat bereits mit namhaften Orchestern der ganzen Welt zusammengearbeitet, so dem NHK Symphony Orchestra Tokio, dem City of Birmingham Symphony Orchestra, dem London Philharmonic Orchestra, dem Tonhalle-Orchester Zürich, dem Chicago Symphony Orchestra und als Operndirigent hat er u.a. bereits an der Met gastiert.

Zu diesem Team stieß im Anschluß an die Berlioz-Ouvertüre die Solistin des Abends, Tine Thing Helseth. Die erst 25-jährige Trompeterin hatte bereits im Alter von 7 Jahren mit dem Trompete-Spielen begonnen, nachdem sie zunächst Klavier gelernt hatte. Eine Reihe von Auszeichnungen und Wettbewerbspreisen ebnete ihr den Weg zur internationalen Karriere. Längst ist sie eine der führenden Solistinnen ihrer Generation, die u.a. auch mit den Wiener Symphonikern zusammenspielte und 2007 beim Festakt zur Verleihung des Friedensnobelpreises auftrat.

Vor der Pause überzeugte sie in Tomasis Trompetenkonzert. Der Korse Tomasi war als Musiker und Komponist des 20. Jahrhunderts von der Zwölftonmusik beeinflusst, wählte dabei aber seinen eigenen Weg, der immer auch Raum für Melodie ließ. Das kennzeichnet auch sein Trompetenkonzert. Helseth bewältigte das schwierige Stück beeindruckend sicher. Wie sie mit fast flüchtigem Ansatz und ihrem geschmeidigem Ton einfühlsam abgestimmt mit den Harfenläufen kommunizierte war für eine so junge Künstlerin beeindruckend. Sich der Stärke ihres Könnens bewußt und doch sich nie unangemessen in den Vordergrund spielend. So ermöglichte sie ein beeindruckendes Klangerlebnis.

Daran knüpfte sie auch nach der Pause an, als es galt, Edvard Hagerup Bulls 1. Trompetenkonzert zu spielen. Der Norweger Bull lebte, obwohl deutlich jünger, etwa zeitgleich mit Tomasi in Paris. Paris war ihm auch Refugium, als seine Werke in Norwegen eher abgelehnt wurden und er sich nach Paris zurückbegab, wo er hohe Wertschätzung genoß. Sein 1. Trompetenkonzert erinnert ein wenig an Copland mit seiner rhythmisch-tänzerischen, teilweise gewaltigen, manchmal etwas jazzigen Themenführung. Hier schien die Solistin besonders in ihrem Element zu sein. Sowohl die melodiösen Passagen, wie auch die „schmutzigen“ Töne spielte sie exakt aber auch mit einer unglaublichen Leichtigkeit. Sie brillierte nicht nur in diesem Stück, sondern auch in der anschließenden Zugabe (Stanley Friedman „Solo-Fanfare“), in der sie zeigte, was an der Trompete an Tönen generierbar ist.

Der Abschluß war wieder dem Orchester mit Musik aus Prokofievs Romeo und Julia vorbehalten. Prokofiev schrieb gegen Ende seiner Pariser Zeit zwei je aus 7 Bildern bestehende Orchester-Suiten, sich dabei an die musikästhetischen Anforderungen des Sowjetregimes annähernd. Die Suiten halfen, seinem gleichnamigen Ballett in Sowjetrussland zum Durchbruch zu verhelfen, das zunächst als untanzbar abgelehnt worden war. Andrew Litton stellte aus beiden Suiten eine zehnsätzige Suite selbst zusammen, die er an diesem Abend mit seinem Orchester aufführte. Das Bergen Philharmonic Orchestra arbeitete die volle Dynamik des Werkes heraus und die einzelnen Motive traten klar zutage. Dieses großartige Konzert hätte mehr Zuhörer verdient gehabt.

Das Rheingau-Musik-Festival findet jährlich von Ende Juni bis Ende August mit täglich mehreren Konzerten in zum Teil malerischen Spielstätten statt. Die Landschaft des Rheingau und seine Winzer laden zu einem Kurzurlaub ein, den die Dresdner Reisebüros sicher gerne planen. In diesem Jahr ist das Festival am 1. September zuende gegangen. Das neue Programm sollte man frühzeitig unter www.rheingau-musik-festival.de in Augenschein nehmen.