Nürnberger Würstchen, halb verputzt

Mit einer rasanten Schlussphase rettet Dynamo Dresden den Saisonauftakt

In der Halbzeitpause mit zwei fränkischen Kollegen im Fahrstuhl: Beide sind sich siegessicher und einer Meinung, dass Dresden heute nichts mehr gebacken bekommt und der FCN nur in Halbzeit zwei ein Tor nachlegen muss, dann wird das locker nach Hause gefahren. Es kam jedoch anders.
 
Halbzeit eins: Nicht schlecht, aber nicht gut genug
Dresden legt los wie die Feuerwehr: Ballbesitz en masse und gleich in Minute sechs die erste Hundertprozentige – Lumpi hebt an die Latte und Paco Testroet versemmelt allein vor dem (natürlich großartigen) Raphael Schäfer genau in dessen Arme. Doch nach 12 Minuten schläft die Partie langsam ein: Nürnberg ist nicht gewillt, Zwingendes nach vorn zu wagen, Dresden knabbert an der fränkischen Defensive, findet aber die Lücke nicht oder spielt zu ungenau, manchmal auch etwas naiv.
Gefahr am eigenen Strafraum entsteht eigentlich nur, wenn die Dynamo-Abwehr Fehler produziert, wobei vor allem Neuzugang Florian Ballas mit Unsicherheiten für Herzrasen beim Zuschauer sorgt, aber auch Lumpi hat seine Stockfehler-Momente.

Als alle glauben, torlos ginge es in die Pause, touchiert Ballas im Strafraum Tim Leibold, der dankbar zu Boden geht. Was in England beim Schiri nicht mal kaltes Arschrunzeln hervorruft, wurde hier nun zum Strafstoß hochgejazzt – Burgstaller nimmt das Angebot an und verwandelt. Ja, Dynamo und die Halbzeitschlussminuten; da war doch mal was.
 
Halbzeit zwei: Hauptmann auf einmal überall
So mancher wünschte sich, dass Trainer Uwe Neuhaus seinen Innenverteidiger Ballas von seinem Ballast erlöst, doch falsch gedacht - ohne Wechsel geht es weiter. Und der Coach soll recht behalten, denn nun schüttelt der Defensivmann seine Nervosität langsam ab. Trotzdem geht die zweite Halbzeit gleich mit einem Schrecken los, doch gottseidank kann der eher blasse Ex-Schachter Jakub Sylvestr einen Fehler der Schwarzgelben nicht verwerten.

Von nun an geht es zu wie bei einem Ermüdungskampf. Nürnberg gibt sich als abgewichste Zweitligaelf, die durchaus weiß, wie man ein solch knappes Ergebnis über die Zeit bringt. Dresden rennt an, aber noch nicht mit vollem Elan. Auch als Kutschke für Lumpi kommt, ist das noch nicht die Initialzündung. Die erscheint in Minute 70, als Niklas Hauptmann für Aias Aosman einwegechselt wird. Denn nun ist der Niklas auf einmal praktisch überall. In einem wilden Mix aus Lumpis Beißerqualitäten und Aosmans Spielübersicht, zählt das Eigengewächs nun zu den Antreibern. Jetzt hagelt es lange Bälle, wird gekontert, Chancen gibt es, nur werden sie nicht genutzt. Nürnberg, nun meist hinten drin, verlegt sich auf Zeitspiel – und das sollte sich bitter rächen. Denn der - vom Elfmeterpfiff mal abgesehen – ganz ordentliche Referee Tobias Welz hat genau auf die Uhr gesehen und straft die Minutenschinderei mit fünf mal sechzig Sekunden Nachspielzeit.
Die Ansage der Extratime durch den Stadionsprecher scheint nun noch einmal Kräfte freizusetzen.

Angefeuert von einem frenetischen Publikum, geht es nur noch nach vorn. Und so kommt diese 94. Minute, in der Testroet und – natürlich – Hauptmann im Strafraum einen feinen Doppelpass spielen, der sein Finale in einem herrlichen Paco-Schlenzer ins lange Eck findet. Bam! Aus! Ende! Grenzenloser Jubel!

Wenn es denn so etwas wie erarbeitetes Glück gibt, dann ist dieses Remis ein Paradebeispiel dafür. Aber mehr als ein Anfangspunkt ist es eben auch nicht. Es fehlen noch 39. Und für diese muss hinten mehr Sicherheit rein und vorn mehr Kaltschnäuzigkeit. Aber für den Moment dürfen wir mal zufrieden sein, auch wenn die Nürnberger Würstchen nur halb gefressen wurden.
Uwe Stuhrberg
 
Tore: 1:0 Burgstaller (45. Elfmeter), 1:1 Testroet (94.)
Dynamo Dresden: Schwäbe, Teixeira, Modica, Ballas, Fa. Müller, Hartmann (ab 78. Konrad), Aosman (ab 70. Hauptmann), Lambertz (ab 62. Kutschke), Kreuzer, Testroet, Stefaniak
Zuschauer: 29.453
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