Oh! That Cello
Ra.Überall in der Stadt waren die Plakate zu sehen: „Beckmann spielt Cello“. Am 10. April war es dann soweit. Beckmann spielte Cello in der Dreikönigskirche.
Beckmann, das ist ein Mitfünfziger aus Düsseldorf, der nach seinem Philosophie und Altphilologie-Studium seiner Leidenschaft für die Musik und dort insbesondere das Cello nachgab, sich an den Musikhochschulen in Düsseldorf und Köln ausbilden und von Jürgen Wolf, dem damaligen Solo-Cellisten der Düsseldorfer Symphoniker sowie von Pierre Fournier in dessen Genfer Meisterklasse vervollkommnen ließ und seit einigen Jahren, als wäre das alles noch nicht genug, Vorstandsvorsitzender des Vereins gegen Kälte e.V., ist. Dieser Verein bekämpft die Obdachlosigkeit.###MORE###
Für Furore hatte der Musiker bereits in den achtziger Jahren, damals mit seinem Partner am Klavier Johannes Cernota gesorgt, als er in Wuppertal rein digital Musik von Charlie Chaplin unter Verwendung der Original-Partituren aufnahm. Der lustige Vagabund mit der Melone war nämlich auch ein begeisterter Cellist mit dem an seinem insoweit begrenzten Talent gescheiterten Traum, einmal Konzert-Cellist zu werden. Für viele seiner Filme schrieb er die Musik selbst und das Cello spielt darin eine wichtige Rolle. Die heute noch im Musikhandel (Bestell-Nr. JARO 4125-2) erhältliche CD bietet einige dieser salonmusikartigen kurzen Stücke, die Charme und Melancholie so wunderbar vereinen, in exzellenter Aufnahmequalität und einfühlsam interpretiert. Es ist auch heute noch nachvollziehbar, daß dieses Album damals den Preis der Deutschen Schallplattenkritik erhielt. Es ist nicht nur für Filmliebhaber ein Muß. Heute tritt Thomas Beckmann gen. Riemke ohne Johannes Cernota auf und wird wenn, dann eher von seiner Frau, der japanischen Pianistin Kayoko Matsushita begleitet.
Es gibt eine interessante Verbindung zwischen Dresden und Thomas Beckmann. Er wohnt nämlich in Düsseldorf in dem Haus, das das letzte gemeinsame Heim von Robert Schumann und seiner Frau Clara, geborene Wieck, war. Clara Wieck heiratete ihren Robert in dem Jahr, in dem ihr Vater von Leipzig nach Dresden-Loschwitz umzog, wo er bis zu seinem Tode lebte. Das Haus in Loschwitz ist ebenso noch erhalten wie die Grabstätte Friedrich Wiecks auf dem Trinitatis-Friedhof.
Thomas Beckmanns soziales Engagement für die Obdachlosen hat ihm viel Anerkennung eingebracht. So erhielt er unter anderem das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen, den Ehrenpreis für soziales Engagement des Landschaftsverbandes Rheinland, den KIWANIS Preis und als erster Preisträger überhaupt den Bürgerpreis der Deutschen Zeitungen, verliehen vom Bundesverband der Deutschen Zeitschriftenverleger. Nach Dresden kam er im Rahmen einer bundesweiten Benefiz-Tournee für seinen Verein, die ihn seit Mitte November mit fast täglichen Auftritten kreuz und quer durch die Bundesrepublik zugunsten obdachloser Menschen reisen ließ. In Dresden kooperiert die Aktion mit der Caritas, die mit viel persönlichem, ehrenamtlichen Engagement dieses Konzert und die zugehörige Spendenaktion ermöglicht.
In seinem Dresdner Konzert bot der Cellist vor der Pause einige Einblicke in die sechs Cello-Suiten Johann Sebastian Bachs, BWV 1007 – 1012. Nach der Pause war dann „Erholung“ durch die leichte Muse Charlie Chaplins angesagt, wobei er nicht nur die Stücke spielte, die auf der oben erwähnten CD enthalten sind. Sowohl den ernsten und anspruchsvollen Bach, als auch den gefälligen Chaplin spielte der Cellist nicht nur technisch perfekt, sondern mit einer inneren Hingabe, die auch das Publikum ergriff. Charakteristisch ist dabei sein warmer Cello-Ton, den man durchaus als „schön“ bezeichnen kann und über den sein Lehrer Pierre Fournier sagt: „Er ... hat eine neue – sehr eigene – Art gefunden, das Cello zu spielen. Er bahnt unserem Instrument den Weg in die Zukunft.“ Dabei benötigte er keine Noten. Das Programm, das er auf jedem seiner Konzerte dieser Tournee den akustischen Gegebenheiten des Hörraums und den Reaktionen des Publikums anpaßte, hat er im Kopf, was bei den schwierigen Bach Suiten eine enorme Gedächtnisleistung ist. Faszinierend war aber auch, daß er nicht nur seine Stücke einfach abspielte, sondern sie zuvor auch erläuterte. Inbesondere bei den Auszügen aus den Bach-Suiten führte er die dann jeweils folgenden Sätze zunächst durch Anspielen der diversen Themenmotive ein, setzte Dur- zu moll-Varianten in Beziehung und bot so auch dem, der diese Werke schon viele Male gehört hatte, einen Erkenntnisgewinn. Das Konzert hatte ein bißchen etwas von einem Workshop, wie ihn Thomas Beckmann auch immer wieder unterrichtet.
Hätte das Konzert schon wegen des guten Zweckes großen Zuspruch verdient gehabt, so belohnte es die Zuhörer auch mit einem ganz besonderen Erlebnis. Dies war das erste Konzert Beckmanns in Dresden. Es war hoffentlich nicht sein letzte.