Rauchzeichen der Offensive

Mit 12 von 12 Punkten beendet Dynamo Dresden in Duisburg die englische Woche

Es ist bekannt: Das Zebra ist ein nettes, harmloses Wesen, ein dauerhaftes soziales Verhalten zwischen erwachsenen Exemplaren gibt es nur selten, herdenhaftes Auftreten kommt bei den männlichen Streifenpferden quasi nie vor. So in etwa wurde der MSV Duisburg seinen tierischen Pendants auch gerecht, was die Leistung der angereisten Sportgemeinschaft keineswegs schmälern soll.

Der Zettelblick: Wenn ich mich nicht irre, ist es das erste (oder zweite?) Mal, dass Coach Markus Kauczinski bei den Beginnern ohne Änderung zum Vorspiel auskommt – bedeutet: Marvin Stefaniak sitzt wieder nur auf der Bank. Bedeutet auch: Marco Hartmann spielt auch im dichtgetakteten Terminstress durch. Gestresst ist auch der Duisburger Rasen, der dem klumpigen Grün in Dresden gleicht. Und an der Pfeife? Der ziemlich erfahrene Franz Bokop, der gern auch mal den roten Karton zieht – an diesem Tag allerdings nicht.

Die erste Halbzeit: Ein Servus aus der Box

Nun gibt es sie, die Schweigeminute für Diego Armando Maradona, the GOAT. Dann stößt Schwarz-Gelb in Weinrot an. Es folgen fünf Minuten voller Unordnung auf dem gesamten Feld. Rumgebolze, Zufallsbälle, Pässe in Räume, in denen wirklich nur Raum ist. Will geht schon nach 120 Sekunden zu Boden, nachdem er einen Luftkampf mit schmerzhafter Landung beendet hat – es geht aber weiter. Königsdörffer dann mal mit einem Pass vor das MSV-Tor, aber nur ein Gefährchen. Auf der anderen Seite ein geblockter Schuss.

Offensives Leben gibt es bei Dresden vor allem über die linke Seite., hier finden sich von Spiel zu Spiel Weihrauch und Meier mit Daferner und Hosiner immer besser, während Königsdörffer auf der gegenüberliegenden Seite oft vereinsamt. Das liegt unter anderem auch daran, dass Mai offensiv nach wie vor schwächelt, seine Anspiele auch diesmal überwiegend ungenau sind. Wenn also Königsdörffer mal eingesetzt wird, dann über einen Seitenwechsel, der nach einer Viertelstunde von Hosiner punktgenau in den Fuß der 35 kommt. Direkt abgezogen, sieht das mal wieder nach einer vergurkten Flanke aus, doch dann senkt sich der Ball wie ein herabstürzender Meteorit in den linken Knick, wo ihn Goalie Weinkauf mit Ach und Krach rauskratzt. Kurz zuvor sorgt Broll für einen ersten Entertainmentmoment, als er hakenschlagend ein Streifenhemd in die Wüste schickt. Ingesamt will die Heimelf jetzt mehr, ohne auch nur im Ansatz gefählrich zu sein. Dresden macht den EIndruck, den Ball nur dann haben zu wollen, wenn es wirklich norwendig ist, die über lange Zeit auf Ballbesitz angelegte Strategie scheint endgültig in den Orkus gewandert zu sein.

Fünfundzwanzig Minuten sind rum, da kommt auch in diesem Spiel so ein tor- und für den Gegner todbringender Spielzug der Extraklasse. Ein langer Einwurf von Mai – weit in der eigenen Hälfte – gerät zum besten offensiven Moment des Kapitäns im ganzen Spiel. Denn am Mittelkreis erläuft Daferner das Leder, köpft sofort auf Stark, der Meier Star-Trek-mäßig in die Weiten des Raums starten sieht. Und Meier läuft und läuft und läuft und sendet einen Gruß in die Box, wo sich mittig Hosiner mit einem "Servus" freundlich bedankt und per Direktabschluss mit dem linken Innenfuß zum Einszunull trifft. Tor numero 5 für den Ösi; nach anfänglichen Anpassungsproblemchen inklusive Bankdrückerei kommt der Mann immer besser ins Rollen.

Als wenig später Hartmann mal hinlangt und der Pfiff ausbleibt, wird klar, dass das Schiri-Team in Sachen Zweikampf keinen Durchlbick und auch keine Linie hat, was sich leider über das komplette Spiel fortsetzen wird. Die Sportgemeinschaft wiederum hat nun den Controller für das Game. Ein Freistoß von Weihrauch zieht fast ein Eigentor der Duisburger nach sich, ein Eckenfestival folgt für Dresden, Königsdörffer kontert ganz allein und somit ergebnisfrei. So geht die erste Halbzeit ihrem Ende entgegen, ohne, dass etwas Bemerkenswertes passiert. Der MSV scheint nach dem Treffer bereits mental am Ende, zeigt sich aber weiterhin stets bemüht.

Die zweite Halbzeit: Weihrauch contra Weinkauf

Nur Minuten nach dem Wiederanpfiff wird die teamübergreifend merkwürdige Foulbewertung von Franz Bokop wieder offenbar: Meier wird an der Außenlinie einfach umgeworfen, der Ball war schon im Sonstwo, der Linienrichter steht mit bester Sicht daneben – kein Pfiff, keine Fahne. Aber dann wieder die linke Seite mit Hackenpass auf Weihrauch, der ein weiteres Mal Meier schickt, dessen Hereingabe in letzter Millisekunde geklärt wird – der Ball in den Rückraum wäre aber besser gewesen. Aber was will man meckern: Nur drei Meter Minuten später verlängert Hosiner einen Meier-Einwurf in den Lauf von Daferner, der bis zum Elferpunkt läuft und dort, von zwei Zebras angelaufen, mit der Pike auf den freigewordenen Weihrauch spitzelt. Der zeigt nun seine ganze Übersicht und schießt – überlegt und genau – links unten rein. Da muss er nicht gucken, weil er weiß, wo Keeper und Tor stehen. Nach fünf Assists nun endlich das erste Tor für den begabten Jungspund.

Aber was heißt denn hier fünf Assists, wenn Nummer sechs nur zwei Minuten später folgt? Das Thema hießt Ecken. Fast alle bisherigen (und auch spätere) hat Weihrauch auf den ersten Pfosten getreten, allesamt ohne erkennbares Gefahrenpotenzial. Das muss man nicht verstehen. Aber in dieser 53. Minute ist es anders. Flach hinein ins Vergnügen, denn Daferner steht halbrechts auf Elferhöhe so einsam herum, dass er schon überlegt, Brieffreundschaften zu beginnen. Kollege Weihrauch jedoch hat ein Einsehen, spielt ihm das Runde perfekt vor die Füße – ein kurzer Schritt, ein Blick und ab dafür in die Maschen.

Der Rest kann schnell erzählt werden, denn das Spiel ist im Prinzip vorbei, wenn auch noch gekämpft wird. Allerdings bleibt Duisburg ohne eine einzige Torchance, während Dresden locker mit immer mal Bremsetreten runterspielt. Für die letzten 20 Minuten kommt Stefaniak für Weihrauch, doch die Rollen scheinen nun verstauscht. War Weihrauch anfangs offenbar druch den Stefaniak-Transfer verunsichert und formschwindend, will nun Stefaniak als Einwechsler auf sich aufmerksam machen, mit nur mäßigem Erfolg. Kurz vor Schluss dürfen noch Diawusie und Kade ran. Dann ist Schluss.

Fazit: Nachdem in den letzten Wochen vor allem die erstarkte Offensive abgefeiert wurde, hat diesmal auch die Offensive ein starkes Rauchzeichen gesendet: Beide Stürmer und die Zehn treffen in einem Spiel! Aber auch die letzte Reihe stand auch diesmal wie ein Fels und die Duisburger waren von ihrem ersten saisonalen Heimsieg so weit weg entfernt wie ein Zebra vom Nordpol.

Nun kommt Uerdingen nach Dresden. Es kotzt mich schon jetzt an, dass im Vorfeld sicherlich nichts ausgelassen wird, um wieder das sogenannte "Wunder von der Grotenburg" medial auszuschlachten. Der arme Jens Ramme tut mir jetzt schon leid. Alles kommt wieder hoch, ich jedenfalls will die Bilder nicht sehen, das damalige TV-Erlebnis war eines jener Fußball-Traumata, die man wohl nie wirklich verwindet. Apropos Medien: Kann man bitte mal im TV aufhören, nichtweiße Spieler ständig als Deutsch-Ghanaer, Deutsch-Türken, Deutsch-Mongolen oder Deutsch-Nordpolesen zu bezeichnen? Ransford-Yeboah Königsdörffer zum Beispiel ist ein Berliner Junge, Agyemang Diawusie ebenso. Punkt. Dieses ständige Bemühen, auf die Herkunft der Eltern oder Vorfahren hinzuweisen, ist total nervig, schließlich wird bei allen anderen deutschen Spieler auch der Stadtname oder das Bundesland genannt, wenn es um das Woher geht. Entweder jemand ist in einem anderen Land geboren, dann ist er eben Ghanaer oder Türke, oder er ist eben ein Deutscher (oder Deutsch-Deutscher). Und noch was: Der Trainer spricht sich Kauzinski, nicht Kautschinksi.
Uwe Stuhrberg

MSV Duisburg vs. SG Dynamo Dresden: 0:3
29. November 2020, Anstoß: 13 Uhr
Tore: 0:1 Hosiner (25.), 0:2 Weihrauch (53.), 0:3 Daferner (55.)
Dynamo Dresden: Broll, Mai, Hartmann, Knipping, Meier, Stark, Will (89. Kade), Weihrauch (70. Stefaniak), Königsdörffer, Hosiner (77. Diawusie), Daferner
Ohne Einsatz: Wiegers, Becker, Ehlers, Sohm
Zuschauer: 0
Schiedsrichter: Franz Bokop
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