The Fab Four

Mit Wucht, Wille und Glück fegt Dynamo die Lilien aus dem Stadion

Nachdem das erste Heimspiel des neuen Trainers unter dem Hashtag #hackspitzenullzueins stand, war es spannend, was nur wenige Tagen später gegen Darmstadt passieren würde. Vielleicht war es auch nur diese komische elektrospastische Einlaufmusik gegen den HSV, die den Schwarzgelben in die Hirne fuhr. Zumindest dahingehend war an diesem Sonnabend alles okay. Weniger okay fand ein Großteil der Fans die etwas schmierige EM-Werbung, was mit Anti-Bannern und den üblichen Mafia-Rufen kommentiert wurde.

By the way – nun also Darmstadt im Rudolf-Harbig-Stadion, das im Volksmund wie eh und je auch weiterhin Dynamostadion heißen wird. Und apropos Darmstadt. Ein Fun Fact am Rande: Ausgerechnet hier befindet sich das MDZ Magen Darm Zentrum, das bei größeren Lebensmittelproblemen deutschlandweit Proben untersucht. Insofern war es für die Schuster-Jungen wohl ein gewohntes Bild, wenn etwas scheiße läuft oder mal wieder alles im Arsch ist.

Die erste Halbzeit: Eins hier, eins da

Maik Walpurgis hatte in seiner Pregame-Pressekonferenz zum Thema Torflaute mit großer Überzeugung behauptet, dass Moussa Koné diese sehr bald beenden wird. Es ist bisher nicht bekannt, in welche Glaskugel der Coach geschaut hat oder welchen Hellseher-Kurs er besucht hat, aber bereits in Minute zwei sollte er mit seinem »sehr bald« sowas von richtig liegen. Denn nach einem schön von Haris Duljevic durchgesteckten Ball auf Philip Heise kann der keine drei Schritte gehen, weil Ex-Dynamo Marcel Heller oben und unten und überhaupt zulangt: Elfmeter. Eine der wenigen Zweikampfentscheidungen, bei denen Referée Kempkes in diesem Spiel eine gute Figur macht. Sofort ist Moussa Koné mit dem Ball zur Stelle, und wer glaubte, der eigene und der um ihn herum erzeugte Druck würde ihm jetzt in die Knie fahren, sah sich absolut getäuscht: Mit Verve und aller Überzeugung jagt er den Ball unter die Latte – nach dem Motto: Moussa machen.

Taktisch fährt das Team die gleiche Linie wie gegen den HSV, allerdings kam Aias Aosman für Benatelli in die Startelf. Auf dem Rasen gab es dann ein beständiges Rochieren zwichen Ebert, Aosman, Duljevic und Koné – schwer auszurechnen für den Gegner.

In der siebenten Minute wird Dulejvic im Mittelfeld umgemäht, als er sich mit Ball um Höhn herumdreht. Ein klares taktisches Foul, es gibt keine Karte. Da ist schon wieder diese Unsitte der Schiedsrichter, dass etwas Regelnonkonformes nicht geahndet wird, nur weil das Spiel noch am Anfang steht. Insgesamt wird der Bosnier noch weitere zwei Mal heftig gelegt und muss mit Fußbeschwerden zur Halbzeit in der Kabine bleiben.

Kurz darauf holt Jannis Nikolaou wieder so eine Ungeschicklichkeit aus dem Köcher, als er Mehlem foult, da doch jeder weiß, dass die Tobias-Kempe-Freekicks nicht von scholechten Eltern sind. Ohne Frage zeigt Nikolaou überwiegend gute Leistungen, hat auch eine ordentliche Balleroberung, vor allem, wenn man bedenkt, dass es seine erste Zweitliga-Saison ist. Aber er hat immer mal diese Aussetzer wie die Hacke gegen Hamburg oder eben auch zwei verursachte Elfmeter (die Testspiele mitgerechnet). Doch diesmal durchgepustet – der Freistoß donnert an die Latte über Markus Schubert, der auch in die richtige Ecke unterwegs war.

Dann bricht Ebert mal wieder auf rechts durch wie ein Büffel, während Duljevic in die Box rennt und zeigt »Hier, hier, hier!«, und Ebert so: »Da hast Du« und spielt flachbananig dem Haris in den Fuß, aber der kann sich nicht entscheiden zwischen Annahme und Abschluss. Torgefahr adé.

Ab der 17. folgen zwei Schreckminuten. Erst vertändelt Ebert einen eigenen Einwurf an der Mittellinie, was über zwei Pässe zu Dursum zu einem Eins-gegen-Eins vor der Schubert-Kiste führt, doch Abseits. Nur Skunden spielen es die 98er genau noch einmal so, aber besser. Sie überspielen den zu hoch stehenden Hartmann (vielleicht träumte der Kapitän gerade von seinen Sechser-Zeiten), weshalb Dursum auf Heller lupft, der keine Mühe hat, den Ausgleich zu erzielen. Dabei wäre der Ball wohl nie dort gelandet, wenn Hamalainen ihn nicht versehentlich verlängert hätte.

Jetzt passiert knapp 20 MInuten nichts Aufregendes mehr. Darmstadt will erstmal den Ausgleich nicht gefährden, Dynamo knabbert ein wenig am Gegentor und wirkt defensiv hin und wieder fahrig. Ruppig wird es etwas in der 37. Minute: Nach einer Bobfahrer-Ecke ringen Sulu und Dumic ein wenig um die Platzhoheit, am Ende gibt es einen Schulhof-Schubser von Dumic, den Sulu mit einer Inszenierung des sterbenden Schwans  beantwortet, was Gelb für den Dresdner bedeutet. Danach wieder etwas pulstreibende Konfusion im Dresdner Strafraum, aber immer ist ein Fuß, ein Bein dazwischen und verhindert den Einschlag. Hier kämpft ein Team. Und das hat auch noch einen Markus Schubert. Der Jungspund ist derart fokussiert, cool und Sicherheit ausstrahlend, da möchte man nicht Tim Boss heißen …

Vier Minuten vor der Pause komme ich noch einmal auf Thema taktisches Foul zurück. Aias Aosman läuft Jones einfach davon, der sich nur noch durch Zupfen an der Obertrikotage helfen kann. Sehr geehrter Herr Kempkes: Das! Ist! Eine! Gelbe! Karte!

Und weil wir gerade bei Aias Aosman sind: Der Mann wurde wie auch immer wachgeküsst. Er spielt quasi überall, gerade grätscht er an der Seitenlinie noch einen Ball ins Aus, dann steckt er herrlich auf Heise durch, der aber frei vorm Tor (und auch etwas abseitsverdächtig) drüberzieht. Einige Pässe, die er an diesem Nachmittag spielt, hat man von ihm seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.

Vor der Halbzeit noch ein Return of the Ruppigkeit: Marcel Franke tritt in die Hacke von Koné, kein Pfiff vom Schiri. Gelb sieht dafür Linus Wahlquist, der nur Augen für eine Ebert’sche Bogenlampe hat und nicht sieht, wie der Darmstädter Goalie heranrauscht - ordentlich Kopf-Aua für beide. Aber nun ist eine Viertstunde Zeit zum Entschmerzen.

Die zweite Halbzeit: Bäm! Bäm! Bäm!

Wie erwähnt, geht es mit Duljevic nicht weiter, angeblich passen die Zehen nicht mehr in den Schuh. Dafür nun Rico Benatelli. Der K zeigt derweil ein Banner »Ralf Minge – unantastbar!« War da was? Auf dem Feld der Träume regiert derweil etwas Nervosität und vor allem zweckfreies Hin und Her. Erst in Minute 53 vernascht Aosman auf links zwei hüftssteife Darmstädter, doch seine scharfe Hereingabe verpasst Ebert am langen Pfosten. Aber viel Zeit hat letzerer nicht, um sich zu ärgern. Denn keine 60 Sekunden später landet der Ball am Sechzehner über Aosman und Koné bei ihm und Ebert läuft und läuft und zieht plötzlich ab. Und nach dem Motto »Auch ein schöner Rücken kann entzücken« prallt das Runde von Fabian Hollands weißer Rückennummer 20 unhaltbar zum 2:1 ins Damrstädter Tor. Und wie der Patrick sich freut! Gaaanz doll! Und wir alle mit!

Erstes Saisontor von Koné, Dynamo-Premierentor für Ebert. Ja, was denn noch? Genau: Philip Heise trifft nach einem Jahr auch mal wieder. Aber vor dem dritten dynamischen Zähler liegt eine entscheidende Szene am Mittelkreis, wo Patrick Ebert den Ball gegen drei Gegner verteidigt – stehend, springend, liegend – der Mann ist der pure Wille. Es folgt ein Sturmlauf von Linus Wahlqist bis kurz vor den Sechzehner und ein Zuckerpass in den Lauf von Heise, der sich ein Sprintduell mit Heller liefert. Beide kommen fast zeitgleich an den Ball, der daraufhin eine schlenzige Luftbahn nimmt – über den Keeper hinweg segelt die Kugel fast in Zeitlupe zum 3:1. Wahnsinn! Aber es ist noch Zeit.

So gibt es vier Minuten später eine Doppelchance für die Gäste. Erst hält Schubert einen Dursun-Kopfball aus Nahdistanz, dann steht Hamalainen zu weit weg vom selben Spieler, der auf das Tor zuläuft und nur die Latte trifft, während Dumic und Schubert noch kurz besprechen, wer die Sache zu klären hat. Durchschnauf.

Es geht nun dem Schluss entgegen. Berko kommt für Ebert, Koné schießt aus der Drehung vorbei, es wird viel Langholz von Dresden gespielt. Dann Kreuzer für Aosman. Und da den Lilien kein schneller Gegentreffer gelingt, gehen bei manchen die Köpfe nach unten, andere wirken gefrustet. So passiert kaum noch Nennenswerters – bis Tobias Kempe seinem Ex-Verein noch ein Geschenk auspackt. In der Nachspielzeit spielt er einen vollkommen überflüssigen Rückpass auf Moussa Koné, der auf den Torwart zuläuft, diesen auch noch anschießt, aber weil heute Abfälschtag ist, geht auch der Ball rein. Vierzunull! The Fab Four! Ja ist denn heut schon … Der Rest ist Feiern.

Fazit: Es kristallisiert sich heraus, warum Uwe Neuhaus gehen musste. Seine an sich gute Spielidee war zu hochklassig für den Kader in dieser Liga. Maik Walpurgis übernimmt die Neuhaus-Grundlagen, morpht diese aber in ein System, dass der Kader offensichtlich spielen kann. Saisonziel war 47? Also noch 36.
Uwe Stuhrberg

SG Dynamo Dresden vs. SV Darmstadt 98

22. September 2018, Antsoß: 13 Uhr
Tore: 1:0 Koné (3./ST), 1:1 Heller (18.), 2:1 Ebert (54.), 3:1 Heise (60.), 4:1 Koné (90.+1)
Dynamo Dresden: Schubert, Wahlquist, Dumic, Hartmann, Hamalainen, Heise, Nikolaou, Aosman (83. Kreuzer), Duljevic (46. Benatelli), Ebert (73. Berko), Koné
Zuschauer: 26.530
Schiedsrichter: Benedikt Kempkes
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