The Future is now

Das neue Trainingszentrum der SG Dynamo Dresden

Da klirrt es plötzlich. Glas bricht. Aber kein Drama, der ebenso frische wie wohltuende Wind fegte nur ein paar leere Sektflöten von einem der Stehtische vor dem imposanten Quader, der das neue Trainigszentrum der SG Dynamo Dresden dominiert. Und wenn Scherben Glück bringen sollten, dann kann es kaum ein Fußballklub mehr gebrauchen als die Schwarzgelben der Elbestadt.

Nun ist es also fertig, das so herbeigesehnte Domizil der Edelfüße und Nachwuchskicker. Und bis zuletzt wurde auch geheim gehalten, ob es einen Namen bekommt, und wenn ja, welcher es sein wird. Die Enthüllung offenbarte den Schriftzug „Walter-Fritzsch-Akademie“ plus ein AOK, das aus Sponsoringgründen dem Hauptnamen offiziell vorangestellt sein wird. Aber dass der Dresdner Trainerlegende, dem Erfinder des berühmten „Kreisels“, noch einmal derart gedacht wird, ist angesichts der Erfolge, die unter Fritzschs nicht unumstrittener Fuchtel entstanden, nur gerecht.

Umso schmerzvoller ist es, das Ralf Minge, der ewige Motor dieses Projektes, sein Büro nicht beziehen wird. Auf dem Stuhl in „seinem“ Raum mit bestem Blick auf die Trainingsplätze wird ab dem 1. Juli der andere Ralf, der Becker sitzen – auf einem Flur mit Trainer, Trainerstab und Nachwuchscoaches. Kein Wunder, dass Minge bei der Eröffnung fehlte, er selbst wollte es so. Zu groß der Schmerz (siehe auch den Schluss im Video unten). Coronabedingt wäre der begrenzte Rahmen auch nicht angemessen gewesen, um einen Mann wie ihn dort zu verabschieden. Und so versprach Vereinspräsident Holger Scholze auch, dass der scheidende Sportdirektor und frühere Dynamo-Spieler und -Trainer zu einem späteren Zeitpunkt einen würdigen Rahmen für das große Adieu bekommen wird. Mit Publikum. Mit Fußball. Und vielleicht ist der Groll über das Hickhack um das Trennungsdatum bis dahin auch schon ein wenig verraucht.

Eines kann man auf jeden Fall sagen: Als „Pate“ des Projekts im Ostragehege hat Minge etwas Großartiges hinterlassen – ohne dabei die Arbeit der vielen anderen zu schmälern. Auch wenn er nun mit einem Abstieg geht, das kann ihm keiner mehr nehmen, das wird nachhaltig wirken. Ohne Frage ist das Trainingszentrum eine großer Wurf – und könnte durchaus für manchen Fußballer einer der Gründe sein, bei Dynamo anzudocken. Vorbei die Zeiten, in denen man sich auf dem gefrorenen Boden im Großen Garten Sorgen um seine Knochen machen musste – nun gibt es zwei Rasenplätze und einen Kunstrasenplatz, Heizung unterm Grün, eine Wiese für die Torhüter sowie zwei Fußballtennis-Courts.

Das dreistöckige Gebäude beherbergt im Erdgeschoss einen neuen Raum für Pressekonferenzen. Weiter hinten im Gang findet sich die Umkleide für die Profis mit eingebauter Teeküche, in jeder Einzelgarderobe gibt es USB-Anschlüsse, zum Duschen- und WC-Trakt muss man nur eine Tür öffnen. Auch die Nachwuchsmannschaften haben hübsche Kabinen (aber ohne USB). Damit der Dreck von den Plätzen nicht ins Haus geschleppt wird, gibt es eine Schleuse mit Fächern für das Schuhwerk samt Reinigungsbecken. Ein Highlight dürfte der Wellnessbereich sein, der neben Duschen (mit dem D an der Wand) auch eine Sauna, ein Dampfbad und ein Entmüdungsbecken bietet. Unterm Dach wurde ein großes Bistro mit Terrasse eingerichtet, zum gemeinsamen Essen an langen Tischen oder Abfläzen in gemütliche Sesseln. Insgesamt sechs Doppelzimmer – mit Dusche und WC etwas hotelartig – bieten ermüdeten Spielern Raum für Ruhe zwischen den Einheiten. Die Büros mit ihrer durchgehend anthrazitfarbenen Einrichtung wirken modern, aber nicht luxuriös. Überhaupt ist das Ganze auf zeitlosen Chic angelegt, nichts wirkt abgehoben oder unnütz. Nur die Players Lounge – ein etwa 60 Quadratmeter großer Raum – ist noch vollkommen leer. Hier soll dann die Mannschaft mit dem Spielerrat entscheiden, was gewünscht wird.

Und noch etwas ist wichtig: Hier kommen die Spieler der ersten Mannschaft ebenso her wie der Nachwuchs der U16 bis U19. Man sieht sich, lernt sich besser kennen, lernt voneinander. Hier können die Kicker generationenübergreifend zu dem werden, als das sich der Verein Dynamo Dresden gern begreift: als eine Familie. Dieser Mehrwehrt ist der am wenigsten messbare, aber dafür der unebzahlbarste.

Zeitlich ist der Bau eine Punktlandung, heutzutage keine Selbstverständlichkeit. Bei den Kosten lag man letztendlich etwa 4 Millionen über den geplanten 15,6, aber ebenso deutlich unter den 22,3, die der Verein via Mitgliederversammlung dafür freigestellt hatte. Dass Stadt und Land finanziell förderten, war natürlich hilfreich, wenn auch der Stadtrat noch einmal über eine Million Mehrkosten-Euro entscheiden muss.

So zeigt sich die Fritzsche-Akademie als Mega-Sahnehäubchen auf einem fußballerischen Trümmerberg. Die ebenso sportliche wie investive Anlage sollte allerdings ein hilfreiches Mittel sein, diesen abzubauen. So lenkt der Bau die Augen in die Zukunft und lässt die deprimierende letzte Vergangenheit etwas weniger schmerzen. Was zählt, ist das Jetzt, ist die Zukunft. „The Future Is Now“ sangen The Offspring einst. Und genau so ist es auch.
Uwe Stuhrberg