Über die Zeit

Gegen Sandhausen hatte Dynamo Dresden keine Mühe, aber auch keine Leichtigkeit

Foto: SG Dynamo Dresden

Fußball kann grausam sein. Vor dem 16. Spieltag stand der SV Sandhausen vor der SGD auf Platz 2 in der Tabelle, Cottbus führte das Klassement an. Selbst bei der Tordifferenz war der SV nur einen Treffer schlechter als Dynamo. Dann fegte Dresden nach 1:2-Rückstand mit einer furiosen zweiten Hälfte und Toren von Daferner, Oehmichen und Sapina die Hausherren aus dem Hardtwald. Es folgte für die Baden-Württemberger ein nur selten gesehener Absturz, der mit großer Wahrscheinlichkeit zum Abstieg führen wird. Da fragt man sich: Was hat sich Jakob Lewald nur gedacht, als er nach Sandhausen ging – trotz aller Bitten von Thomas Stamm, dazubleiben? Wahrscheinlich fragt der Verteidiger sich das inzwischen auch. Und die Nichtabstiegsprämie der Gastmannschaft wirkt schon jetzt wie die Wurst an der Angel, die man dem Hund vor die Nase hält, damit er losläuft – er wird sie nie bekommen. Das weiß auch der Anhang, weshalb auch nur drei Dutzend angereist sind.

Die Sonne scheint, es ist angerichtet, wie man so schön sagt. Wie schon seit einigen Heimspielen zu sehen ist: Die Hymne mit Gebärdensprache, eine feine Ergänzung in Sachen Barriefreiheit zum sensationellen Blinden-Radio. Die beiden Elfen kommen auf den Rasen, Sandhausen macht den Kreis, Dynamo geht zum K und Sapina spielt ein paar Bälle mit Schreiber. Sieht entspannt aus. Ich bin es nicht.

Die erste Halbzeit: Ausgebremster Blitzstart

Der SV hat den Anstoß und spielt auf den K. Die SGD hat den Flow am Ball und versucht es gleich mal einer Sterner-Flanke, aber Hauptmann und Daferner kommen nicht ran. Unf plötzlich rollt ein Angriff der Gäste auf Links, die Flanke erreicht den langen Pfosten, von wo es per Kopf in den Rückraum geht. Da kommt Greil angerauscht und haut des Leder – ich habe den schon drin gesehen – nicht in die Maschen, weil Kammerknecht seinen 1,85-Meter-Body in die Bresche wirft. Ecke. Aber das mit den Standards wird heute nichts bei Sandhausen.

Aber jetzt auf der anderen, der richtigen Seite. Hauptmann läuft auf den Strafraum zu, sieht rechts neben sich Sapina, der vollkommen ungedeckt zu Daferner spielt, allerdings steht der Stürmer an der Sechzehner-Linie mit dem Rücken zum Tor. Links kommt Kother angelaufen, bekommt den Ball, steht eigentlich gegen Zwei. Kurzes Anrucken nach links, aber Loslaufen nach rechts, schon ist die Defensive raus aus dem Spiel. Noch drei, vier Schritte mit dem Ball und ab dafür genau links unten lang ins Netz. Nicht sehr scharf, aber sehr genau geschossen durch sechs SVler hindurch, die sich irgendwie nur in das Anwesenheitsbuch eingetragen haben. Einsnull nach sechs Minuten. Schon wieder so ein zeitiges Ding!

Der Adrenalinspiegel hatte noch keine Chance, sich zu senken, da steht es Zweizunull. Lemmer wackelt mit einem Täuschungsmanöver den Gegner aus, der an ein Spiel nach außen glaubt. Doch mit einem Lauf nach innen verschafft sich der Zehner Platz, weshalb sich alle Schwarzweißgestreiften auf ihn stürzen wie Hyänen auf ein Antilopenbaby, aber so wurde Sapina im Rückraum vergessen. Der Lange kriegt den Ball, guckt kurz hoch und bedient Hauptmann. Der läuft genau die halbe Sekunde eher in den Fünfer als seine Widersacher, dass es fast wie Abseits aussieht. Ist es aber nicht. Mit der Stirn legt der Käptn das Leder like a Kopfballmonster links am chancenlosen Keeper vorbei. Da sind erst acht Minuten gespielt. Jubeltrauben auf und um den Rasen, nur Bünning darf nicht feiern, weil sein Trainer – wie bei fast allen Toren – einen zum Zwischenrapport bestellt.

So, jetzt aber. Ein haushoher Kantersieg wie weiland gegen Halle ist so sicher wie das Amen einer Kirchenmaus. Und das gegen eine Abwehr, die wie ein Hühnerhaufen … Nein, das wäre eine Beleidung für die Hühner. Und Daferner hat ja auch noch nicht getroffen. Und da hat er nach 13 Minuten schon wieder den Kopf an einer Flanke, und drin, aber nein, knapp links daneben. You know: ist auch vorbei. Aber dann Hauptmann, das Weitschusswunder von Saarbrücken, wieder aus 20 Metern, Zentimeter rechts verfehlt. So geht das 20 Minuten lang, bevor die SGD erstmal etwas Ruhe auf den Platz bringt. Hintenrum rollt der Ball im Modus Bünning–Kammerknecht–Risch–Sterner, dazwischen immer wieder Schreiber. Da Sandhausen kaum anläuft, ist hinten viel Luft vorn alles dicht. Irgendwie sieht es so aus, als wollte der SV auf keinen Fall das dritte Tor kassieren und die SGD nicht zwingend jetzt das dritte erzielen müssen. Das mag fußballkalkulatorisch sinnvoll erscheinen, zerrt aber an den Nerven des Publikums.

Doch da, endlich wieder Schwarzgelb im Action-Modus. Zwischen der 25. und 27. Minute Chancenüberfluss, handballartige Strafraumbelagerung, Schüsse, Kopfbälle, Pässe hin und her – am Ende ist es Lewald (natürlich), der das Runde von der Linie kratzt.  Auf einmal ist das so ein Wechsel aus Druck und Ballbesitz-Bebbeln. Von der Gästeelf kommt nichts. Also überhaupt nichts. Und doch sieht Sterner Gelb, weil Lemmer ihn defensiv etwas hängen lässt. Nichts für ungut, es sind noch sieben Minuten bis zur Halbzeit, da nehmen wie diese Führung mal so mit. Denkste.

Wie oft haben wir das schon erlebt? Einmal kommt der Gegner vor unser Tor – und schon trifft er. Ein unsinniger Ballverlust im Vorwärtsgang auf der linken Seite, Bünning verschätzt sich an der Mittellinie – und schon ist Greil durch auf Solopfaden direkt auf das Dynamo-Tor zu, Kammerknecht und Sterner bleiben innen, Sapina kommt zum Klären zu spät und Schreibers Bein ist fünf Zentimeter zu kurz. Da hilft auch alles Fuchteln und Anzeigen von Kutschke hinter der Torauslinie nichts. – Zweieins.

Ein bisschen ruckt Schwarzgelb nun wieder an, aber doch kommt der SV kurz voir der Pause fast noch zum Ausgleich: Ein einfacher langer Ball findet Fehler (also, so heißt der Spieler), der wie Hauptmann beim 2:0 plötzlich allein vor dem Torwart steht. Doch die Ballannahme gerät etwas weit und Schreiber hechtet die Chance zunichte. Pause. Entscheidung also in der zweiten Hälfte. Da schießen wir ja die meisten Tore.

Die zweite Halbzeit: Smoke on the Water

Tick, tick, tick tick klackert die Uhr die zweiten 45 Minuten runter. Der Ball rollt derweil quer, quer, quer, nach hinten, nach vorn, quer quer quer. Das kann man jetzt clever Drei-Punkte-Einsacken nennen, wenn der Gegner einfach nicht mitspielen will (oder kann). Dabei hätte Sandhausen gemusst. Schaut man sich aber die Gesichter der Dresdner Verteidiger an, dann ist da oft auch Ratlosigkeit zu sehen. Niemand will hier den Fehler zum Ausgleich machen, Sicherheit zuerst. Und so dümpelt diese zweite Halbzeit minutentechnisch vor sich hin, während der K-Block seine Endless-Version von „Smoke on the Water“ anstimmt – was sich schließlich auch das Highlight dieses durchgangs ist.

Dreifachwechsel in der 72. Bringen Oehmichen, Baur und Menzel etwas mehr Energie und Spielwitz auf das Grün? Leider nein. Letztendlich hat jede Mannschaft noch zwei Chancen, wobei die von Kammerknecht und Meißner durchaus das Zeug zum Treffer hatten. Auf der anderen Seite stand Schreiber zweimal genau richtig. Und Sekunden vor dem Abpfiff, zeigt Kutschke noch einmal, dass er durchaus noch Speed in den Knochen hat, als er einfach nur in die andere Hälfte losrennt, um Sekunden vom Wecker zunehmen. Dann pfeift der unauffällige Wolfgang Haslberger ab. Puh. Das war anstrengend anzusehen. Und mehr gibt es zu dieser zweiten Hälfte nicht zu sagen.

Was noch zu sagen wär

Drei Punkte eingesackt. Saarbrücken und Bielefeld siegen auch, Cottbus spielt Remis Es riecht stark nach Aufstieg, aber wenn in Bielefeld eine Punktausbeute erreicht werden soll, muss etwas mehr Zielstrebigkeit gezeigt werden, selbst eine eventuelle Führung bekommt man dort sicher nicht so über die Uhr gespielt. Und wenn es so kommt, wie es wahrscheinlich kommen wird, werden wir wohl auf längere Sicht nicht mehr in den Hardtwald fahren müssen – frühere kummervolle Erinnerungen an Spiele gegen den SV dürften endlich langsam verblassen. Das hat ja auch sein Gutes. Und ich kann endlich MagentaSport kündigen.
Uwe Stuhrberg

SG Dynamo Dresden vs. SV Sandhausen
26. April 2025, Anstoß: 14 Uhr
Tore: 1:0 Kother (6.), 2:0 Hauptmann (8.), 2:1 Greil (38.)
Dynamo Dresden: Schreiber, Sterner, Kammerknkecht, Bünning, Risch, Hauptmann (72. Baur), Sapina, Boeder (72. Menzel), Lemmer (88. Kutschke), Kother (72. Oehmichen), Daferner (90.+3 Meißner)
Ohne Einsatz: Mesenhöler, Kubatta, Casar, Marx
Fans: 30.446
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