Überfahren

Ein Kommentar zur Niederlage der SGD auf Schalke

Ach, ach, ach, ach. Selten war nach einem Spiel so viel vergiftetes Lob und die Repeat-Taste des Rekorders mit der Kassette der verschusselten „Kleinigkeiten“ hat auch schon bald keine Farbe mehr ob der häufigen Benutzung. Es ist auch nichts Falsches daran, zu sagen, dass das Spiel ganz gut war, so allgemein, vom Ansatz und den Werten her. Aber mit den Werten ist das so eine Sache: Auch mit den besten Daten  für Kreislauf, Blut oder Zucker kann ich überfahren werden und bin bei bester Gesundheit ausgeknockt – im schlimmsten Falle sogar tot.

Die Variante Knockout ist nun am Sonnabend auf Schalke passiert. Mal wieder. Fast ungläubige Blicke im Rund des SGD-Teams fragten wieder und wieder: Wie konnte das passieren? Dabei standen in der Startelf sieben gelernte Defensive (zählt man die Doppelsechs Stark/Will) hinzu. Becker, Akoto, Sollbauer, Löwe und Aidonis sahen theoretisch wie eine Betonmauer aus, wie fußballerischer Brutalismus. Nur Mörschel, Schröter und Daferner waren nominelle Offensive. Aber Zementanrühren ist eben nicht das Business der Schwarzgelben, das Toreschießen aber leider auch nicht.

So kam es letztendlich zu einem munteren Spielchen, in dem vorn wenig ging (vier Möglichkeiten) und hinten dreimal alles schieflief. Da muss man mal nachfragen: Warum drischt Becker den Ball nicht gerade ins Aus oder zur Ecke, wenn er nicht sehen kann, ob jemand in seinem Rücken angerauscht kommt? Wie frei dürfen mehrere Spieler bei einer Ecke im Strafraum auf Wanderschaft gehen und ist für Sohm die Arbeit im eigenen Strafraum eher so eine Art Praktikum? Warum hat eigentlich aus der Ecke zum 2:0 niemand etwas beim spielabschließenden Freistoß gelernt? War dann zwar eigentlich egal, aber wer weiß schon heute, was die Tordifferenz am Ende der Saison noch wert ist?

Was sich ebenso zeigt: Im Unterschied zum Saisonbeginn, machen die Einwechslungen keinen Unterschied mehr, wird das Geschehen auf dem Platz nicht besser. In Gelsenkirchen war die Herausnahme von Löwe letztendlich sogar ein Fehler, denn Kade konnte nichts Vergleichbares leisten. Auch Giorbelidze. Herrmann und Sohm – sieht man mal von dessen Kopfball ab – haben keine neues Erkenntnisse gebracht. Nur Sebastian Mai erzeugte, wie schon gegen Nürnberg, noch mal so einen Ruck. In der Summe ist das zu wenig. Viel zu wenig. Zu wenig sieht man auch die in dieser Liga extrem wichtige Körperlichkeit. Becker, Löwe, Stark, Daferner und auch Sollbauer zeigen das. Aber einige andere müssen da wachsen. Und zwar schnell, denn die Zeit heilt nicht die Ergebnisse.

Realistisch gesehen, muss man das Pokalspiel am Mittwoch abschreiben. Eine Chance ist natürlich immer da, aber wenn man sich anschaut, wie das Team vom Millerntor gerade die Gegner reihenweise vom Platz fegt, wäre ein Weiterkommen eine Sensation. Und Sensationen sind rar gesät. Danach dann Sandhausen, nicht eben einer unserer Lieblingsgegner und unter der Woche haben die kein Pokalspiel. Wird hier wieder nicht gewonnen, kann es mit der so oft beschworenen Ruhe schnell vorbei sein. Denn seien wir ehrlich: In der letzten Abstiegssaison wurde auch unter Cristian Fiel der tolle Geist der Truppe beschworen, der aber irgendwann verloren ging. Als es dann zu spät war, zum Saisonende hin, hat man voller Trauer auf die vermurkste Hinrunde geschaut. Man möge mich nicht falsch verstehen: Eine Trainerdiskussionen meine ich ausdrücklich nicht, aber ein paar Dinge müssen sich sehr bald auf dem Platz ändern. Vielleicht eine Woche lang mal nur Flanken, Ecken, Freistöße und dazu Torschüsse aus allen Lagen und Entfernungen üben. Natürlich klingt das naiv, aber dass die Mannschaft kämpfen und rennen kann beziehungsweise überhaupt fit ist, das haben wir schon gesehen. Jetzt muss sie deutlich mehr zeigen. Denn auch Sandhausen und die Schachter beginnen zu punkten.

Was noch zu sagen ist: Obwohl die Busanreise der Fans einmal mehr schikanös war, brachten fast alle mitgereisten Fans eine überzeugende Leistung in der Arena. Das eine oder andere wird es aber aufzuarbeiten geben. Wie (fast) immer.
Uwe Stuhrberg

FC Schalke 04 vs. SG Dynamo Dresden 3:0
Tore: 1:0 Owejan (20.), 2:0 Bülter (78.), 3:0 Kaminski (90.+4)
Dynamo Dresden: Broll, Akoto, Sollbauer (82. Mai), Aidonis, Becker (64. Giorbelidze), C. Löwe (46. Kade), Stark (71. Herrmann), Will, Mörschel (46. Mörschel), Schröter, Daferner
Ohne Einsatz: Mitryushkin, Diawusie, Seo, Hosiner
Schiedsrichter: Sven Jablonksi
Fans: 54.526
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