Zwischen den Strafräumen

Auch im Heimspiel gegen den FCM reicht es nicht für die SGD

Ich war spät dran zur Heimspielpremiere dieser Zweitliga-Saison. Zu Fuß unterwegs quer durch den Blüherpark konnte ich den K-Block hören, es schien so laut wie noch nie. Noch 30 Minuten bis zum Anstoß. Auf dem Phone natürlich längst die Aufstellung gecheckt. Vier Wechsel. Ob’s hilft? Ich beneide die mehr und mehr dröhnenden Die-Hard-Fans für ihren beständigen Optimismus, den Glauben daran, dass alles gut wird. Wäre ich nur auch so strukturiert – in meinem Kopf geistern die Gedanken nur um all das, was schiefgehen kann. Aber dann ein erster Lichtblick abseits des Fußballs: Der neue Stadion-Caterer hat der Presse ein richtiges kleines Büffet angerichtet. Da ist tatsöchlich etwas gut geworden, ganz unerwartet.

Beide Mannschaften hatten den Auftakt verloren, Dynamo auswärts aber wenigstens zwei Tore erzielt. Gefühlt kann hier und heute alles passieren. Gloria oder Katastrophe. Die Rückkehr von Andi Hoti scheint nun endgültig vom Tisch. Umso merkwürdiger scheint im Nachgang der Moment auf der Spieltags-Pressekonferenz, als Thomas Stamm auf die Frage, ob er mit dem Spieler telefoniert habe, sehr ausweichend, eigentlich nicht geantwortet hat – so, als wollte er es nicht zugeben, aber auch nicht schwindeln wollen. Wir müssen also mit dem auskommen, was wir haben, diesmal dürfen sich Sascha Risch und Lukas Boeder hinten drin beweisen.

Und dann geht die Doppelblockfahne hoch, Gänsehaut einmal mehr. Der prall gefüllte Gästeblock hält stimmlich wacker dagegen, ist aber chancenlos, wenn der K den Volumeregler hochfährt. Immerhin hüpfen sie auch mal. Jetzt geht es los.

Die erste Halbzeit: Euphorie im Absturz

Dynamo spielt auf den K-Block und stößt an. Jakob Lemmer mit einer Grätsche – und schon wird gefeiert. Lemmer bricht durch, seine Flanke erreicht Christoph Daferner, dessen Versuch aber von Hoti (na klar) zur Ecke geblockt wird. Eine Ecke! Jetzt schon! Aber na ja, unsere Standards. Nach sieben Minuten ein langer Ball auf Baris Atik, aber Konrad Faber ist bei ihm. Kurz darauf eine erste Flanke von Blau, da ist dann Tim Schreiber auf der Hut und sicher. Immerhin zehn Minuten ohne Gegentor – läuft bis hierhin. Beeindruckend auch, wie Kapitän Vinko Sapina und Neuzugang Kofi Amoako im Mittelfeld wie Schrankwände stehen und alles an sich abprallen lassen.

Jetzt hat die SGD zwar meist den Ball, kann aber in der Nähe der Magdeburger Red Zone nichts so recht damit anfangen. Das Bild gleicht ein wenig dem Geschehen in Fürth. Auch diesmal sind es die kleinen Unachtsamkeiten, die Einfach-mal-Rein-Flanken, die ungenauen Pässe, die das eigene Offensivspiel unterminieren. Andersherum geht es meist fix: Mit drei vier Zügen steht der FCM – meist über Atik – vor dem Tor. Doch in den ersten 20 Minuten gibt es keine Zitterereinlagen, und Schreiber ist im Wortsinn auch auf der Höhe. Mit dem Fuß allerdings hapert es diesmal ordentlich: Vier Abschläge landen im Seitenaus, einer gar im Toraus des Gegners, was oder wen auch immer der Torwart dort gesehen hat, bleibt sein Geheimnis. Zweites Schreiber-Merkmal heute: Mit dem Ball am Boden wartet er immer wieder (gefühlt) minutenlang mit dem Abschlag. irgendwie findet er keine potenziellen Abnehmer, am Ende kommt dann immer wieder mal Murks beim Langholz heraus (siehe oben).

Zwischen den Strafräumen jedenfalls sieht das Dynamo-Spiel gut aus. Viele Balleroberungen – einige sehenswerte durch Amoako – lassen Madgeburger Spielaufbau nicht zu, aber die ganze Mühe endet zu oft wie in der 21. Minuten: drei Schusssituationen in Reihe, keine geht aufs Tor. Im Gegenzug wieder der FCM im Konter: von der Mitte nach außen, von dort der Ball vors Tor und nur um Milimeter rauscht Ulrich am Ball vorbei. Risch ist beim Flankengeber viel zu weit weg und Bünning rutscht ins Leere. Dann ist Trinkpause.

Man will schon fast notieren, dass es auch nach 30 Minuten noch kein Gegentor gab, da fällt es eben doch. Und mal ganz im Ernst: Das darf so niemals fallen. Atik spielt das Runde bei einer Ecke an den ersten Pfosten, wo nur ein blaues, aber gleich drei, vier gelbe Hemden zu sehen sind. Aber von hinten, also noch hinter dem Halbkreis, läuft Hugonet im leichten Trab zum Tor und köpft im Lauf und ohne springen zu müssen den Ball ins Tor. Niemand, wirklich niemand hat hier die Übersicht, läuft mit. Boeder und Bünning stehen mittendrin, sind aber nicht dabei. Klar, diese Variante ist ausgefuchst und abgekartetes Spiel, aber wenn nur einer Hugonets Lauf kreuzt, kann das Tor so nicht fallen. Fazit: 0:1 durch Megaklops.

Die SGD wackelt jetzt ein wenig, die Gäste richtig robust und mit zweimal Gelb in vier Minuten. Es geht hin und her – ein Dafernern-Schuss wird geblockt, Amoako verhindert einen Konter per Mega-Grätsche, nach einem weiten Einwurf vom eher blassen Fröling donnert Bünning aus guter Position deutlich über den Rostocker Balken. Dann Lemmer und Fröling doch mal gut an die Grundlinie, aber von dort ist der berühmte „Dresdner letzte Ball“ wieder zu soft.

Die Halbzeit naht. Geht es wieder mit einem Rückstand in die Pause? Nein. Denn von der Mittelinie beginnend, gibt es eine feine Passstafette über Amoako und Lermmer mit Bogenlampe auf den Kopf von Daferner. Der Stürmer kommt zwar nicht richtig dran, doch der Rebound landet bei Fröling, der sich kurz dreht und Risch bedient, der aus dem Rückraum auftaucht. Aus 19 Metern ziegt der Linnksverteidiger einfach mal ab, das Leder dreht sich nach unten rechts, sodass der Rostocker Goalie nur klatschen lassen kann und die Dresdner 33 muss nur noch über die Linie abstauben. Ausgleich! Einszueins! Die Situation auf den Rängen eine Eskalation zu nennen, wäre die reine Untertreibung. Was sich hier entlädt ist die pure schwarz-gelbe Madness. Jetzt wird doch noch alles gut. Vielleicht. Warum nicht?

Dass noch in der Nachspielzeit die erneute FCM-Führung fällt, ist in diesem Zeitpunkt ein tiefer Stich ins Herz der dynamischen Fans. Ein schneller Konter beerdigt jegliches Glücksgefühl. Ulrich kann ohne Gegenwehr auf den Sechzehner von Schreiber zulaufen, auf links hat Atik parkplatzgroße Räume und kann ungehindert in den Strafraum laufen. Aber gottseidank ist sein Abschluss richtig schwach, denn er schießt nur Bünning an. Doch von dessen Brust hüpft der Ball zur Tormitte wo Kaars mit einer gekonnen Bewegung das Ding über Schreiber ins Tor löffelt. Pleiten, Pech und Pannen führen zum Zweizueins. Geht es also doch wieder mit einem Rückstand in die Pause? Ja.

Die zweite Halbzeit: Alles hilft nichts

Gleich nach der Pause versucht es Fröling doppelt, ohne Ziel. Dann verschätzt sich Risch gewaltig und hat einen Konter im Rücken, ein Fehler, den er wenig später genauso noch einmal machen wird – das Hinterland rettet. Zwei Dynamo-Ecken bringen wie gewohnt nichts, eine davon endet gar mit Abseits, da kurz gespielt.

Fünf Minuten sind vorbei, zieht der FCM wieder mit einem Atik-Konter davon. Erneut herrscht totale Un- und keine Zuordnung, riesige Abstände und kein kein Druck auf die Angreifer – am Ende rauscht der Ball hauchzart am langen Pfosten ins Aus. Das ist jetzt die Blaupause für Magdeburg, denn vier Minuten später zündet wieder Atik den Dresdner Strafraum an, Schreiber kommt weit nach außen gelaufen, was zwar abenteuerlich aussieht, aber so Atik ausbremst. Wo spielt eigentlich Faber? Und wo Kother? Letzterer geht für Hauptmann.

Und Niklas Hauptmann ruckt gleich richtig an, zeigt robust, dass er voll da ist, wieder in die Startelf muss. Und dann wird es wild: Fröling erobert einen eigentlich verlorenen Pass an der Grundlinie im FCM-Strafraum, legt in den Rückraum zu Amoako, aber Lemmer gibt dem Ball noch eine leicht andere Richtung. So muss Amoako einen Haken schlagen, sich den Ball auf links legen und zieht dann erst ab – wie so oft: geblockt. Doch sofort geht der Konter auf die andere Seite, weil Risch an der Mittellinie patzt, am Ende faustet Schreiber den finalen Schuss zur Seite. Und wiederum keine fünf Minuten später rettet Schreiber gegen Kaars im Eins-gegen-Eins mit einem Kopf-und-Kragen-Move auf dem Boden. Sekunden später sieht Lemmer, wie Boeder komplett frei im Strafraum den Ball fordert. Er bekommt ihn auch, aber trifft aus 13 Metern das Tor nicht, schlicht und deutlich drüber. Es ist schon langsam etwas atemlos, das Ganze, und noch immer ist die Fanschar frenetisch dabei. Trinkpause.

Hatten wir nicht gerade das Thema mit der Atik-Seite. Man mag es wirklich nicht glauben, aber es passiert schon wieder. Dresdens rechte Flanke ist hinten körperlos verteidigt, Atik spielt wieder den genialen Pass, doch das dritte Magdburger Tor zählt nicht, weil Kaars – hauchdünn im Abseits – Herchers Tor „klaut“, das Ding wäre auch so reingegangen und hätte sonst gezählt. Man muss einfach festellen: Es braucht hinten drin einen Chef, der sagt, wo es langgeht, der ordnet und dazwischenhaut. Momentan wirkt die Kette im Zusammenspiel vollkommen überfordert, vor allem in Kontersituationen, die wiederum immer wieder auch von der Offensive verschuldet werden. Wo ist ein Hefele oder ein Hartmann, wenn man ihn braucht?

Aber gut, das Tor zählt nicht. Es ist noch eine Viertelstunde plus Nachspielzeit. Und da passiert es doch, jetzt mal die FCM-Defender im Tiefschlaf bei einer Ecke und ein Dresdner Durchläufer an der Grundlinie, doch den Heber bekommt Oehmichen aus nächster Nähe nicht per Kopf ins Tor. Es ist zum Verzweifeln. Aber Aufgeben ist keine Option. Dynamo rennt und versucht alles, aber selbst im Strafraum gelingt kein Torschuss, weil Magdeburg alle Löscher schließt und die SGD nicht in der Lage ist, welche aufzureißen. Kutschke kommt für Daferner. Warum nicht beide in dieser Situation?

Es gibt sieben Minuten Nachspielzeit. Noch eine Dreifachchance mit drei Blöcken, noch ein Kutschke-Kopfball, sonst halten die Gäste den Ball weg vom eigenen Tor. Was hinten nicht klappt, wird vorn nicht besser, obwohl die Situationen zuhauf da waren. Und so machen die Gleichnisse zum Spiel in Fürth Sorgen. Dann ist Schluss. Zitterbacke, Hühnerkacke.

Was noch zu sagen wäre

Wenn man mit etwas zufrieden sein kann, dann mit dem Mittelfeld. Sapina und vor allem Amoako haben ein richtig gutes Spiel gemacht, wenn hier ein Hauptmann in Bestform hinzukommt, kann das ein Gamechanger sein. Für die Offensive kam am Montag Vincent Vermeij aus Düsseldorf, was hinten noch passiert, muss man sehen. Und was wird jetzt mit Meißner als Stürmer Nummer vier? Im Kader war er diesmal nicht. Vielleicht war seine Vertragsverlängerung im Angesicht seiner Einsatzzeiten in der vergangenen Saison doch etwas voreilig. Wer weiß.

Heute fahre ich die Bautzner stadteinwärts. An das Eckhaus Prießnitzstraße hat jemand gesprüht: „Maggis töten. 9.8.25“. Was für eine Scheiße.
Uwe Stuhrberg

SG Dynamo Dresden vs 1. FC Magdeburg 1:2
9. August 2025, Anstoß 13 Uhr
Tore: 0:1 Hugonet (28.), 1:1 Daferner (44.), 1:2 Kaars (45.+1)
Dynamo Dresden: Schreiber, Faber, Boeder, Bünning (81. Rossipal), Risch, Sapina, Amoako (75. Herrmann), Fröling (76. Oehmichen), Lemmer, Kother (57. Hauptmann), Daferner (81. Kutschke)
Ohne Einsatz: Mesenhöler, Kammerknecht, Casar, Menzel
Schiedsrichter: Timo Gansloweit
Fans: 31.405 (ausverkauft)
www.dynamo-dresden.de