Totale Offenheit für den Moment

Nachgefragt bei Johanna Roggan, Dresdner Tänzerin und Choreografin und neu in der Dresden Frankfurt Dance Company

Johanna Roggan studierte Tanz in Nürnberg, Berlin und Linz. von 2008 bis 2ß10 lebte und arbeitete sie in Israel. Neben eigenen Produktionen tanzt sie für verschiedene Choreografen, arbeitet an festen Häusern (Staatsschauspiel Dresden, Oldenburgisches Staatstheater) als Choreografin und Co-Regisseurin und gibt Workshops in zeitgenössischen Tanz, sound specific movement for interactive environments® und GYROKINESIS® im In-und Ausland. Eigene Arbeiten, Workshops und Festival-Einladungen sowie die Arbeit mit wechselnden Choreografen brachten sie nach Montréal, Santiago de Chile, Montevideo, Oslo, Sevastopol, Dnipropetrowsk, Nürnberg, Berlin, Meiningen, Görlitz und Halle. 2013 bekam Johanna Roggan einen Ko-Produktionspreis mit HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden und dem Societaetstheater Dresden. Das Societaetstheater gab ihr darüber hinaus eine dreijährige Produktions-Residenz. Im selben Jahr gründete sie, zusammen mit Josefine Wosahlo, die Tanz-Company the guts company. Johanna Roggan wohnt seit 2010 wieder in Dresden wo sie aktiv im TanzNetzDresden mitwirkt. In der Dresden Frankfurt Dance Company ist sie nun für Kooperationen & Netzwerke verantwortlich.

SAX: Im Team Mitarbeiter:innen findet sich die Position, Kooperationen & Netzwerke, Ist das neu und seit wann?
Johanna Roggan: Ja, diese Stelle gab es vor dem letzten künstlerischen Wechsel noch nicht. Der neue künstlerische Leiter Ioannis Mandafounis wünscht sich eine stärkere Verwurzelung auch in Dresden und dafür braucht es eine Person vor Ort. Seit November 2023 darf ich diese Stelle bekleiden. Da sie ganz neu ist, arbeiten wir gemeinsam daran, was diese Stelle eigentlich bedeutet, braucht, kann und soll. Es ist ein sehr schöner und offener Prozess. Generell ist das neue (künstlerische) Team sehr offen und zugewandt, was die Zusammenarbeit natürlich beflügelt.

SAX: Betrifft die neue Aufgabe nur Kooperationen / Netzwerke für Dresden?
Johanna Roggan:Im Grunde geht es darum, die DFDC vor allem in Dresden sichtbarer und auch nahbarer zu machen. Das geht Hand in Hand mit Ioannis künstlerischer Vision des Verbindungen Schaffens. Auf der Bühne, zum Publikum, mit der Stadt. Ich schaue also, was in der aktuellen oder nächsten Saison auf dem Spielplan ist und dann mache ich mich auf den Weg, Verbindungen zu finden. Zu Institutionen, Festivals, Events, Ausstellungen, aber auch zu Schulen/ Ausbildungsstätten. Denn der Aspekt der Vermittlung ist für die DFDC ein wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit. Oder wir schauen, welche eher ungewöhnlichen Orte der Vernetzung könnte es noch geben. Für Ioannis ist auch die Unterstützung der Freien Szene ein großes Anliegen. Vor allem möchte er Unterstützung, Synergien und Zusammenarbeit befördern, ohne dabei andere aus der Pflicht zu nehmen. Das finde ich sehr weise. Denn sonst kann es schnell heißen: - die Freie Szene? Ach, da kümmert sich jetzt die DFDC drum.

SAX: Was konntest Du schon erreichen?
 Johanna Roggan: Bei meiner Suche nach Verbindungslinien oder weiteren Wirkungsorten gehe ich auch an die Peripherie, sie ist uns wichtig und z.B. bei der Jugendkunstschule/ Club Passage (Gorbitz) sind wir auf sehr große Offenheit gestoßen. Aber auch die Kinder-Biennale oder das Senckenberg Museum haben sich über die Kontaktaufnahme gefreut. Da sind wir also in verschiedenen Gesprächen. Ich schaue z.B. auch, ob sich Aktionsräume für die Tänzer:innen der DFDC anbieten. Denn in der jetzigen Company sind vor allem Tänzer:innen, die selbst auch choreografisch oder musikalisch gearbeitet haben und sich auch weiterhin - unabhängig von der DFDC - künstlerisch betätigen wollen. Das bietet natürlich eine wunderbare Spielfläche, um Brücken Richtung Freie Szene/ TanzNetzDresden oder in die Subkulturräume zu bauen.
 Manchmal muss ich mich etwas zurückhalten. Denn die Company ist natürlich auch viel in Frankfurt und auf Tour eingebunden, was die terminlichen Spielräume natürlich etwas verengt.
 
SAX: Was zeichnet die Arbeit des neuen Chefchoreographen aus Deiner Sicht aus und wie kommt sie in Dresden an?
Johanna Roggan: Die Arbeit von Ioannis baut auf totale Offenheit und Präsenz im Moment. Er hat über viele Jahre eine eigene choreografische Methode entwickelt. Es ist eine Improvisationsmethode, die klare, aber flexibel einzusetzende Parameter hat. Dadurch gibt es einen Rahmen für die jeweilige Arbeit, für Rhythmus, Musik etc. Aber wie der Abend am Ende tatsächlich wird, dass ist jedes mal ein bisschen anders und liegt viel in der Verantwortung der Tänzer:innen. Sie haben wirklich große Freiheiten auf der Bühne und ich finde, man merkt ihnen die Freude darüber an. Für mich sind die Tänzer:innen Persönlichkeiten und ich kann sie wirklich erfahren, kennenlernen, wenn sie auf der Bühne sind. Für das Dresdner Publikum ist es sicherlich eine große Umstellung. Aber das war es nach Forsythe auch. Und ja, es ist eine völlig neue Ästhetik und man muss sich schon den Moment nehmen, um einzutauchen und sich berühren lassen zu wollen. Auch wenn man kognitiv vielleicht nicht alles gleich versteht. Aber muss man das immer? Können wir uns nicht auch berühren lassen und gleichzeitig unsicher sein, was genau man da gerade gesehen hat? Aus meiner Erfahrung wirkt Ioannis‘ Arbeit nach. Sie raucht, bis sie tiefere Schichten erreicht, weil sie nicht nur Form und Ästhetik ist. Sie ist Kommunikation, Verhandlung, Spiel, Freude und eben totale Offenheit für den Moment. Ich sags mal so: Ich hoffe, die Dresdner:innen geben nicht auf, sich verführen zu lassen.
 IsMa

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