Nationalstraße

Ein Buch, ein Film, ein Theaterstück

Er nennt sich Vandam, nach Jean-Claude van Damme. Er macht 200 Liegestütze am Stück, ganz wie sein Idol, und wenn er zuschlägt, dann richtig. Der Endvierziger lebt in einer Plattenbausiedlung am Stadtrand von Prag. Für seine Kumpels, die wie er nicht gerade zu den Gewinnern des Lebens gehören, ist er der »Nationalheld von der Nationalstraße«, weil er bei der Studentendemonstration, welche 1989 die »Samtene Revolution« einleitete, den ersten Schlag geführt haben soll. Reden will er darüber nicht – aus gutem Grund. Als es Immobilienhaie auf seine Lieblingskneipe abgesehen haben, zieht Vandam in die Schlacht und bittet gar seinen neureichen Bruder, mit dem er seit Jahren keinen Kontakt hat, um Hilfe. Denn das Lokal namens »Severka« (Nordstern) mit seinem eher spätsozialistischem Charme, ist nicht nur quasi das Zuhause von Vandam sondern gehört zudem Lucka, der Frau, in die er heimlich verliebt ist.

»Nationalstraße« ist die Verfilmung des gleichnamigen Buches von Jaroslav Rudiš. Der 1972 im tschechischen Turnov geborene Schriftsteller, Drehbuchautor, Dramatiker und Musiker ist hierzulande unter anderem durch seine zusammen mit dem Zeichner Jaromír Švejdík geschaffene und 2011 ebenfalls (von Balance Film Dresden) verfilmte Graphic Novel »Alois Nebel« bekannt. Er wollte ein Buch schreiben, so der Autor »über den tschechischen Humor. Über Bier, Knödel, Kraut und Schweinebraten«. Und: »über die absurde Einsamkeit, in der wir heute leben – mitten in Europa. …über unsere tschechische Angst. Über Vorurteile. Über Unsicherheit. Über Hass. Über Aggression. Über den verbreiteten Mythos, uns als die ewigen Opfer der Geschichte zu betrachten und davon überzeugt zu sein, dass wir niemandem etwas Böses angetan haben.«

2017 inszenierte Mina Salehpour »Nationalstraße« am Staatsschauspiel Dresden mit Simon Werdelis als Vandam. Regisseur Štěpán Altrichter (geboren 1981 in Brno und Absolvent der Filmuniversität Potsdam-Babelsberg) hat Rudiš‘ Romanvorlage nun als das Porträt eines Mannes am Rande der Gesellschaft verfilmt, dessen Verlorenheit in Aggression mündet, und der doch so gern ein guter Mensch sein möchte. Hynek Čermák spielt den bulligen Anti-Helden als mal cholerischen, mal mitfühlenden Verlierer, als Krieger, der für das kämpft, was ihm heilig ist. Man verachtet ihn und man leidet mit ihm – und man weiß, dass sein Kampf schon verloren ist, bevor er begonnen hat. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist leider die Synchronisation, spricht Vandam doch mit der Synchronstimme von Adam Sandler (und Daniel Craig), was zumindest zu Beginn etwas seltsam anmutet.

Am 12. Juni um 20.30 Uhr gibt es in der Schauburg die Dresden-Premiere des Films und ein Filmgespräch mit Regisseur Štěpán Altrichter, Autor Jaroslav Rudiš und dem Produzenten Eike Goreczka. Danach läuft »Nationalstraße« im regulären Programm.
Angela Stuhrberg

Nationalstraße
Tschechische Republik, 2020, Regie: Stepan Altrichter
Mit Hynek Cermák, Jan Cina, Katerina Jandácková
Premiere am 12. Juni um 20.30 Uhr in der Schauburg, danach im Tagesprogramm.
www.nationalstrasse-film.de