Das. Ist. Sabotage!

Wie Dynamo-Pyromanen und das Greenkeeper-System für ausreichend Nachspielzeit sorgen

Zwei Dinge waren vor dem Auswärtsspiel in Niedersachsen allen klar: 1. Braunschweig gewinnt gern seine Spiele in der Nachspielzeit. 2. Dresden hat so seine Probleme in der Nachspielzeit. Was also sollte dringlichst vermieden werden: Nachspielzeit! Wer das nicht weiß und versteht, hat so viel Hirn im Schädel wie wie ein ausgebrannter Bengalo Feuerkraft besitzt.

Erste Halbzeit: Abnutzungskampf auf hohem Niveau

Eines muss man Eintracht-Coach Torsten Lieberknecht lassen: Er ist immer für eine Überraschung gut. Diesmal setzt er Kumbela und Nyman zunächst auf die Bank, was dafür spricht, dass er ein paar Striche durch den Taktikplan seines Gegenübers Uwe Neuhaus machen will, und wohl hier den Sieg nicht mit einem Sturmlauf herbeiführen wird. Auf schwarzgelber Seite kommt Lumpi für den gesperrten Marvin Stefaniak auf den Rasen – übrigens erstmals als Dynamo-Kapitän in einem Zweitligaspiel. Auf der Bank sitzt derweil, wie vorab geleakt, als Lichtblick für den Rest der Saison Akaki Gogia.

Von Beginn an ist bei diesem Spiel zu sehen, dass es hier keinen Favoriten gibt. Dresden zieht das gewohnte Ballbesitzspiel durch, hat aber in Sechzehnernähe die ebenso gewohnten Probleme, in die Gefahrenzone einzudringen, wenn dort gekonnt und kompromisslos verteidigt wird. Braunschweig hingegen kommt über den Kampf, vor allem dem Ex-Schachter Jan Hochscheidt ist irgendwie anzumerken, dass er besonders motiviert ist. So kommt die Heimelf zu einigen wenigen halbgaren Chancen, die durch Kreuzer (16.) oder Ballas (17.) entschärft werden, bevor es gefährlich werden könnte.

Es entwickelt sich ein gegenseitiger Abnutzungskampf, der vor allem taktikinteressierten Zuschauern Vergnügen bereitet, allen anderen eher spannungserzeugtes Nägelkauen abverlangt. Nach einer knappen halben Stunde geht dann Braunschweig etwas mehr in die Offensive, auch weil die Gäste im Aufbau immer wieder Schusselfehler einbauen. Niklas Hauptmann oder Erich Berko trennen sich wiederholt zu spät vom Ball und verlieren ihn so an den Gegner. Auch Fehlpässe im Vorwärtsgang, teilweise etwas naiv gegen eine so erfahrene Defensive gespielt, gehören mal wieder zum Negativ-Repertoire.

Das Bild ändert sich erst in den letzten fünf Minuten vor der Pause. Zunächst spielt Berko Bewegungs-Quiz mit gleich meheren Braunschweigern, gewinnt diesen und setzt Lumpi ein, doch dessen Schuss ist ein laues Lüftchen. Nur eine Minute später geht Stefan Kutschke halbrechts in den Strafraum, kann aber aus spitzen Winkel Keeper Fejzic nicht überwinden. Dann noch zweimal Berko mit guten Aktionen, die aber nicht konseuquent beendet werden. Steht die Frage: Kann Dynamo diesen Schwung mit in die zweite Hälfte nehmen?

Zweite Halbzeit: Feuer und Wasser für die Nachspielzeit

Für die zweiten 45 Minuten stellt Lieberknecht seinen Sturm um, denn Christoffer Nyman kommt für den glücklosen und weitgehend abgemeldeten Suleiman Abdullahi. Und Dresden drängt wieder nach vorn, hat in der 50. Minute einen Freistoß. Da brennt auf einmal der Gästeblock lichterloh.

Ich werde da jetzt mal grundsätzlich, aber nicht mit der Diskussion, ob das jetzt verboten ist oder nicht (das dürfte schließlich hinlänglich bekannt sein). Aber es stellt sich die Frage, welche Absicht hinter dem Zeitpunkt einer solchen Aktion steckt. Man sieht oft Pyro beim Einlaufen der Mannschaft oder wenn eine Partie irgendwie entschieden ist. Aber in einem solch wichtigen Spiel, in einem Moment, in dem die eigene Mannschaft im Vorwärtsgang ist, das Spiel zu unterbrechen, das ist schlicht und weg Sabotage. Dass man zudem für Nachspielzeit sorgt, kommt hinzu. Es gibt Pyroeinlagen wie beim Dynamo-Jesus, beim Fielo-Benny-Abschied oder in Sandhausen, da kann ich die Pro-Diskussion verstehen, weil es hier Teil einer Choreo, einer Idee ist. Aber diese offenen Feuer, die Böller, das Werfen des Zeugs auf den Rasen, das ist nur noch strunzdumm und egozentrisch. Das Inszenieren des eigenen „Heldentums“ ist einmal mehr wichtiger als der Erfolg des Vereins. Dass man das nun zu zahlende Geld auch in den Verbleib von Stefan Kutschke hätte invenstieren können, scheint ja auch unwichtig. Und nicht zu vergessen: Wer sich in den einschlägigen Foren und Netzgruppen umsieht, wird längst sehen, dass es längst eine deutliche Ablehnung dieser Form von Zündelei gibt – auch von vielen, die sonst Pro-Pyro sind.

Als der Rauch halbwegs verflogen ist, folgen ein Freistoß und zwei Ecken, die alle von Niklas Kreuzer getreten werden. Nichts davon erzeugt wirkliche Gefahr und es stellt sich die Frage, warum hier nicht ein wenig Variabilität ins Spiel kommt. Philip Heise ist da ebenso fast abgemeldet wie im letzten Spiel Marvin Stefaniak.

Nach exakt einer Stunde die nächste Unterbrechung – diesmal treten nacheinander vier Rasensprenger in Aktion, die eine weitere zweiminütige Pause verursachen. Ich bin wahrhaft kein Anhänger von Verschwörungstheorien, aber gehen der DFB oder die DFL eigentlich mal den Ursachen nach? Hat der Greenkeeper im Wissen, dass es durch das Dresdner Gezündel eine sichere Nachspielzeit gibt, diese noch mal verlängert? Ist nur eine Frage.

Das Geschehen auf dem Rasen zerfasert nun zusehends. Unkonzentriertheiten zeigen sich auf beiden Seiten wie auch offensive Unzulänglichkeiten. Der auch heute nicht so richtig ins Spiel findende Aias Aosman holt sich dann noch seine fünfte Gelbe und pausiert somit gegen Düsseldorf, direkt im Anschluss wird er gegen Akaki Gogia ausgewechselt.

Bis zur 77. Minute dauert es, bis eine der Mannschaften die erste sogeannte Hunderprozentige im Spiel hat. Und es ist das Heimteam. Jannik Müller sorgt für einen Remember-Bielefeld-Moment, als er am eigenen Strafraum das Leder an Hernandez vertändelt, der legt dann quer zu Nyman, welcher am Elfmeterpunkt ganz allein vor Marvin Schwäbe steht. Doch so verwaist, bekommt der Schwede die Flatter, während der Dresdner Torwart wächst und wächst wie der unheimliche Hulk – mit einem Fußreflex ohne Zonenmassage klärt der Goalie zum Entsetzen der gelbblauen Gemeinde. Vier Minuten danach wird es noch einmal knapp, als Decarli aus nur acht Metern das halbleere Dresdner Tor verfehlt, nachdem sich Kutschke und Schwäbe gegenseitig in die Quere gerieten.

Nun kommt noch Marcel Hilßner für Niklas Hauptmann. Nach einer Bedrängungsphase kann sich Dynamo wieder etwas befreien und bekommt dann doch noch zwei Halbchancen, aber Kutschke kann einen Kreuzerfreistoß nicht in Torgefahr veredeln wie auch nicht wenig später eine Gogia-Flanke. Derweil wird in der 90. Minute doch noch Kumbela beim Gegner eingewechselt.

Angezeigt werden jetzt vier Minuten Nachspielzeit. Wir erinnern uns: Es gab außer der Pyro- und der Wasserunterbrechung keinerlei Grund für überhaupt eine Overtime. Keine Verletzungen, keine Torjubel. Nichts. Wir erinnern uns auch daran, dass Braunschweig die letzten beiden Spiele jeweils erst nach den regulären 90 Minuten gewinnen konnte. Und so kommt es, wie es kommen musste. Ein Boland-Freistoß wird nur halbherzig geklärt, weil Kutschke und Ballas sich nicht einig sind. Der Klärungsversuch landet bei Ken Reichel, der aus 16 Metern gekonnt abzieht – zwischen allen Füßen durch rauscht das Ding direkt unten rechts ins Netz. Das Spiel hätte hier schon beendet sein müssen, wenn, ja wenn ... Den fehlenden Text kann man hier selbst eintragen ... Ansonsten bleibt als Fazit: Das Träumchen ist aus. Die Saison bleibt super.
Uwe Stuhrberg

Eintracht Braunschweig vs. SG Dynamo Dresden
10. April 2017, Anstoß: 20.15 Uhr
Tore: 1:0 Reichel (92.)
Dynamo Dresden: Schwäbe, Kreuzer, Ballas, J. Müller, Heise, Konrad, Lumpi (93. Alvarez), Hauptmann (82. Hilßner), Aosman (73. Gogia), Berko, Kutschke
Ohne Einsatz: Wiegers, Teixeira, Modica, F. Müller
Schiedsrichter: Daniel Siebert
Zuschauer: 22.880
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