Vor dem Schnee

Aus dem Modder der Börde nimmt Dynamo Dresden drei Punkte mit

Fragezeichen gab es einige vor diesem Spiel der Sportgemeinschaft in der sachsen-anhaltinischen Metropole. Wie hat das Team den Grottenkick von Mannheim verdaut? Wie wird es aufgestellt sein nach den Sperren und Verletzungen? Wird die Partie überhaupt stattfinden bei all den Wetterwarnungen? Denn dass der Winter auch in Magdeburg bereits seine Spuren hinterlassen hat, sah man dem modderigen Acker an, der ein Spielfeld sein sollte. Aber noch vor wenigen Wochen war das Bild in Dresden kaum ein anderes.

Sieht man einmal auf den knappen Dynamo-Sieg der Hinrunde zurück, ist zu bemerken, dass immerhin sechs Startelfler von damals heute nicht einmal mehr im Kader sind. Und beim Gegner wiederum war die Trainerdiskussion um Thomas Hoßmang bereits Anfang Oktober in vollem Gange, im Amt ist er aber zur Stunde noch immer.

Die spannendste Personafrage war natürlich: Wer wird in der Defense Line neben Tim Knipping stehen? Markus Kauczinskis Antwort lautete: Paul Will, dazu wie zu erwarten Leroy Kwadwo. Zum Debütantentanz wurde Heinz Mörschel auf den Zehner gebeten, der den zuletzt unglücklich agierenden Marvin Stefaniak ersetzte. Neben Letzterem gab es auf der Bank auch ein Wiedersehen mit Luka Stor und Niklas Keuzer.

Die erste Halbzeit: Langholz brennt nicht

Dynamo mal wieder in Weinrot. Bis heute fremdle ich mit dieser Auswärtstrikotfarbe, weil mein Hirn dies noch immer mit dem BFC verlinkt. Käptn ist Yannick Stark. Der FCM stößt an und gibt sich zunächst ordentlich Mühe. Nach dem Spiel wird bei Schwarz-Gelb – wieder einmal – die Rede davon sein, das man „schwer ins Spiel reingekommen ist“. Allerdings muss man der Mannschaft an diesem Nachmittag zugute halten, dass man sich in der neuen Zusammensetzung auch erstmal finden musste.

Nach zehn Minuten versucht Kwadwo im Vorwärtsgang einen Ball in den FCM-Strafraum zu rebounden, aber – war es der Untergrund oder ein technischer Fauxpas – irgendwie mutiert das Ganze zur Quergurke. Ein schneller Pass – und Conteh läuft allein auf Broll zu, Will hechelt nur hinterher. Aber dann ist da dieser Moment, in dem sich der Stümer beim vorletzten Schritt den Ball ein klein wenig zu weit vorlegt; Kevin Broll sieht genau das, geht im perfekten Moment etwas entgegen und macht sich breit wie eine Kinoleinwand, auf der Conteh nur noch dem Abspann sieht: „Ende“. So traurig das für die Anhaltiner ist: Es wird die einzige richtige Großchance der Heimelf im ganzen Spiel bleiben.

Im Gegenzug zeigt dann Philipp Hosiner, dass er einen Ball auch mit der Hacke mitnehmen kann; von Rechtsaußen spielt er in die Mitte, wo Mörschel jetzt etwas Fußballkunst zelebriert: mit der Brust annehmen, abtropfen lassen und via Dropkick aus 17 Metern draufhalten. Behrens fliegt und rettet. Jetzt ist etwas mehr Paprika in der Suppe, wenn auch auf kleiner Flamme. Der FCM will mit Passspiel was versuchen, die SGD mit jeder Menge Langholz ein Feier entfachen, aber es will und will nicht brennen.

Knipping köpft mal nach Stark-Freistoß, bekommt aber keinen Druck auf das Runde. Ansonsten gibt es wenig Sturm und viel Drang an den Außenlinien. Immer wieder werden hier kräfteraubende Duelle in der Matschepatsche geführt, die aber am Ende zu nichts führen. Immerhin: Die neu gemixte Dreierkette funktioniert von Minute zu Minute besser, immer wieder müssen die Blauen abbrechen, manchmal aus dem Dynamo-Strafraum bis zum eigenen Torwart zurück. Aber auch Dynamo bekommt nach vorn nichts gebacken. Die langen Pässe kommen nicht an, die Mitte ist dicht, außen kommen Becker und Königsdörffer nur marginal durch. Spielfluss nirgendwo im Morast. Und ohne einen Marco Hartmann, der 50-Meter-Pässe in den Fuß spielen kann, gebiert das Kick & Rush keine Gefahr, Hosiner und Daferner finden kaum statt. In der 35. Minute kommt dann mal ein hübscher Konter, aber erst wird Daferner gefoult, dann spielt man die Vorteilssituation zu kompliziert aus.

Es wird geackert und gelegen, viele kleine Fouls, nichts Dramatisches. Als aber Jacobsen mit der Pike voraus Richtung Will in die Eisen geht, gibt es die erste Gelbe des Spiels. Kurz vor der Pause will es Dynamo dann doch noch wissen, vielleicht hat man auch einfach keinen Bock auf eine Kabinenpredigt. Meier geht im gegnerischen Sechzehner zu Boden, was Schiri Florian Heft ab zu wenig ist. Dann hat Mörschel noch was im Fuß: Über das halbe Feld spielt er einen Traumpass in den startenden Daferner, der aber kurz vor dem Kasten abgefangen wird. Dieses Spiel lebt von der Spannung – und zwar ausschließlich davon.

Die zweite Halbzeit: Zum Sieg gemörschelt

Der Durchgang beginnt mit bisschen Mal-hier-mal-Da. Nach fünf Minuten will Will dann etwas Aufregung in die Partie bringen und bedient an der eigenen Strafraumgrenze Conteh. Der muss eigentlich nur seinen Mitläufer bedienen, entscheidet sich aber für einen Kullerball in die Handschuhe von Broll. „War das alles?“, scheint dessen enttäuschter Blick zu sagen. „Irgendwie schon“, guckt der unglückliche Stürmer zurück. Und wie schon zu Spielbeginn, folgt der Chance auf der einen Seite die Chance auf der anderen, denn im Anschluss segelt Hosiner nur Zentimeter an einer Daferner-Hereingabe vorbei. Wenige Minuten darauf dann wieder der Österreicher, lang gefüttert wieder von Mörschel, aber der Stürmer bleibt hängen, weil der Verteidger dessen Hakenschlagen geahnt hat.

Aber jetzt übernehmen die Gäste nach und nach die Szenerie, ohne das Entscheidendes passiert. Pascal Sohm kommt für Hosiner, Knipping holt sich Gelb bei einer Konterunterbindung, ebenso Königsdörffer drei Minuten später. Für den Offensivmann ist es die fünfte. Diawusie wird aufhorchen. Auf beiden Seiten wird jetzt hinten konzentriert gearbeitet, vorn sieht man Distanzversuche und Kuddelmuddel an den Sechzehnern. Sind hier schon beide mit dem Punkt zufrieden? Bei der Spielanlage und den gezeigten Leistungen auf dem Platz kann nur ein Patzer und/oder ein Lucky Punch zur Entscheidung führen. So soll es auch kommen.

Eine Viertelstunde vor dem Abpfiff schlägt Knipping einen Freistoß in den Magdeburger Strafraum, der gefühlt fünf Minuten in der Luft ist. Daferner verlängert mit dem Kopf nach links, dann flippert der Ball zu Mörschel, der nach einem Pressschlag mit Müller frei vor Behrens steht und aus kurzer Entfernung am Keeper vorbei einschiebt. Tata! Erstes Tor beim ersten Startelfeinsatz. #geschichtendiederfußballschreibt

Jetzt bringt der FCM Beck, aber in Aktion tritt Daferner per Fuß und Kopf auf der anderen Seite in Erscheinung. Und dann kommt auch noch Glück hinzu: Sohm will hinten eine Ecke wegköpfen, das Runde touchiert jedoch nicht die Stirn, sondern die Hand. Für so etwas gab es auch schon mal Elfmeter, vielleicht hat es der Refereee auch schlichtweg nicht gesehen.

DIe Mission hießt jetzt: Durchhalten! Will zeigt eine Monstergrätsche, Stor darf noch acht Minuten für Daferner mitspielen. Die Blauen kommen noch einmal mit allem was sie haben, das ist jedoch zu wenig. Kauczinksi hingegen macht, was gegen Mannheim vergessen wurde: Er bringt zur Nachspielzeit mit Großer noch einen Verteidiger, Kade geht runter. Und Stor hat kurz vor Schluss mit einem gezogenen Foul seine beste Szene. Dann ist es aus und vorbei. Bevor der große Schnee kommt, verabschiedet sich Dynamo Dresden mit 41 Punkten aus dem Abstiegskampf. ;-))))

Fazit: Selten war ein Sieg im Wortsinne so dreckig wie dieser. Offensiv muss aber eine Steigerung her, vor allem das Mittelfeld sorgt für zu wenig Druck nach vorn. Die Premiere von Heinz Mörschel war da ein Hoffnungsschimmer. Und sonst so? Erstens: Der Pyro-Empfang am Abend war mal wieder etwas Besonderes. Zweitens: Können wir bitte diesen bemühten Begriff Elbclassico wieder beerdigen?
Uwe Stuhrberg

1. FC Magdeburg vs. SG Dynamo Dresden

6. Februar 2021, Anstoß: 14 Uhr
Tor: 0:1 Mörschel (74.)
Dynamo Dresden: Broll, Knipping, Will, Kwadwo, Meier, Kade (90. Großer), Stark, Mörschel, Königsdörffer, Hosiner (59. Sohm), Daferner (82. Stor)
Ohne Einsatz: Wiegers, Stefaniak, Kreuzer, J. Löwe
Zuschauer: 0
Schiedsrichter: Florian Heft
www.dynamo-dresden.de